nmz 2006/04 | Seite 2
55. Jahrgang | April
Personalia
Personalia
Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet.
Mit dem Kulturinformationszentrum
stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten
im Netz. An dieser Stelle können Fragen gestellt, Informationen
verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur
Darstellung gebracht werden.
Alter schützt vor Zukunft nicht
Gottfried Möckel zum achtzigsten Geburtstag
Wer zu Tagen Neuer Musik, in Donaueschingen, in Witten, kommt, erblickt
im Foyer der Konzertstätten mit den vielen Notenauslagen der
Verlage rasch eine Partiturenlandschaft in knalligem Rot: der älteste
Musikverlag der Welt, Breitkopf & Härtel, präsentiert
die Werke seiner lebenden Komponisten: Nicolaus A. Huber, Hans Zender,
Adriana Hölszky, Hanspeter Kyburz, Martin Smolka, Isabel Mundry,
Misato Mochizuki und – natürlich und vor allem: Helmut
Lachenmann. Im vergangenen Jahr kamen der Verlag und seine Mitarbeiter
aus dem Arbeiten und Reisen gar nicht mehr heraus. Die ganze Welt,
im wahrsten geographischen Sinne des Wortes, verlangte nach dem
Komponisten Lachenmann, wollte ihm zum siebzigsten Geburtstag mit
Konzerten und Symposien huldigen. Die Freude über den Erfolg
des sonst eher sperrigen Avantgardisten ließ auch die Verlagsgeister
alle Mühen vergessen. Aufrecht, schlank, elegant gekleidet
und mit einem wissenden Lächeln unter ihnen Gottfried Möckel,
seit 1979, gemeinsam mit Lieselotte Sievers, Geschäftsführender
Gesellschafter von Breitkopf & Härtel. Möckel, am
10. April 1926 bei Liegnitz geboren, war zuvor als Wirtschaftsprüfer
und in einem Schweizer Konzern tätig. Keine schlechten Voraussetzungen,
um in schwieriger gewordenen Zeiten einen Musikverlag, und sei dieser
noch so berühmt und traditionsreich wie Breitkopf & Härtel,
erfolgreich zu steuern. Seit 1992 firmiert der Verlag in „Wiesbaden,
Leipzig, Paris“. Seine kritischen Ausgaben, vor allem im Bereich
der Klassik, wurden mehrfach mit dem Deutschen Musikeditionspreis
ausgezeichnet. Die große Tradition der Gesamtausgaben des
19. Jahrhunderts wird 1997 mit der „Leipziger Ausgabe“
der Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy wieder aufgenommen. Editionen
von Jean Sibelius und Hanns Eisler folgen. Auch in der Musikpädagogik
engagiert sich der Verlag immer stärker. Wer Gottfried Möckel
aus Gesprächen und Begegnungen etwas näher kennt, spürt,
dass die Erfolgsgeschichte des Verlages in der Gegenwart vielleicht
auch auf dem verlegerisch-ökonomischen Wissen und den Erfahrungen
Gottfried Möckels beruht. Das stille Geheimnis von Breitkopf
& Härtel aber heißt: Liebe zur Musik, zur Alten wie
zur Neuen. Möckel wird von dieser Liebe auch im nächsten
Lebensjahrzehnt nicht lassen wollen. gr
Foccroulle geht nach Aix
Bernard Foccroulle, bis 2007 noch Intendant der Brüsseler Oper
„La Monnaie“, wird sich nicht, wie ursprünglich
geplant, auf das gelernte und erfolgreich ausgeübte Orgelspiel
zurückziehen, sondern neuen Opern-und Festspiel-Erfolgen zustreben.
Foccroulle, 1953 in Liège geboren, übernimmt von Stéphane
Lissner, der ja inzwischen Intendant der Mailänder Scala wurde,
die Direktion des Musikfestivals in Aix-en-Provence. Das Aix-Festival
ist in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem Verschiebebahnhof
von Koproduktionen geworden, sicher auch aus finanziellen Gründen.
Foccroulle möchte dem französischen Traditionsfestspiel
ein eher eigenständiges Profil zurückgeben. Seine Brüsseler
Dramaturgie wird ihm dabei sicher behilflich sein. Die ersten drei
Jahre allerdings muss Foccroulle noch den von Lissner initiierten
„Ring des Nibelungen“ (mit Simon Rattle und den Berliner
Philharmonikern) abarbeiten, der in diesem Sommer mit dem „Rheingold“
beginnt.
Foto: Charlotte Oswald
Erfinder der Jazzwelle plus
Jazzproduzent und Radiomacher Hans Ruland gestorben
Hans Ruland, Gründer der „Jazzwelle plus“ und ehemaliger
Herausgeber der „Jazzzeitung“ ist nach schwerer Krankheit
am 4. März im Alter von 57 Jahren in München gestorben.
Ruland prägte in den 80er- und 90er- Jahren die Jazzszene Münchens
mit, als Radiomacher, als Plattenproduzent, als Veranstalter vieler
Jazzkonzerte und – von 1983 bis 1997 – als Herausgeber
der „Jazzzeitung“. Ende 1997 kaufte die ConBrio Verlagsgesellschaft
das Blatt von Ruland und machte aus der Regionalzeitung ein bundesweites
Jazzorgan (www.
jazzzeitung.de). Über ein Jahrzehnt betrieb Hans Ruland
die „Jazzwelle plus“, Münchens einziges privates
Jazz- und Kulturradio. Am 2. Januar 1986 ging die Jazzwelle mit
acht Stunden wöchentlich auf Sendung. Das Programm wurde um
klassische Musik und kulturell ausgerichtete Beiträge erweitert.
Später sendete die „Jazzwelle plus“ sogar 20 Stunden
täglich.
Mit immenser Begeisterung für den Jazz verfocht Ruland sein
Ziel, möglichst vielen Hörern diese Musik nahe zu bringen.
1991 baute er in Hamburg einen Privatsender nach dem Muster der
Jazzwelle unter diesem Namen auf, der aber nach wenigen Jahren –
Hans Ruland war mittlerweile wieder in München – eingestellt
wurde. Unter dem Label „Swingtime“ produzierte er seit
1982 Platten. Auch Münchener Jazzmusiker, wie Harald Rüschenbaum,
Max Neissendorfer und das Jazzkränzchen Immergrün kamen
hier zum Zuge. Seine besondere Leidenschaft galt dem Stride-Piano,
diesem Klavierstil zwischen Ragtime und Swing. So brachte er Platten
mit Dick Wellstood und Dick Hyman heraus. Das Klavier stand häufig
auch im Mittelpunkt der vielen Jazzkonzerte, die Hans Ruland im
Münchener Raum veranstaltete, bei denen etwa Oscar Peterson,
Ray Bryant, Tete Montoliu, Martial Solal bis hin zu Alexander von
Schlippenbach und Aki Takase aus dem „Free Jazz“-Lager
mitwirkten. Die häufig zu vermissende Toleranz der Jazzfans
untereinander, deren Geschmäcker vom traditionellen Dixieland
bis zum experimentellen Jazz reichen, hat Hans Ruland stets bedauert.
Im März 1997 gab Ruland die „Jazzwelle plus“ und
die Arbeit für die Jazzzeitung auf. Er musste den Belastungen
der vergangenen Jahre Tribut zollen und zog sich aus gesundheitlichen
Gründen aus dem „Jazz-Geschäft“ zurück.
Nach einer längeren Pause moderierte er noch bis Ende 2005
jeden Samstag den „Hot Club“ im 2. Programm des Bayerischen
Rundfunks. Das besondere Verdienst von Hans Ruland war es, mit der
„Jazzwelle plus“ den Beweis dafür zu liefern, dass
sich ein privater Nischensender mit einem anspruchsvollen Programm
mehr als ein Jahrzehnt in München behaupten konnte. Unermüdlich
kämpfte er gegen den musikalischen Einheitsbrei des Privatradios
an.
Neuer Sprecher
Auf der jährlichen Arbeitstagung des Arbeitskreises der Musikbildungsstätten
in Deutschland, die vom 13. bis 15. Februar in der Landesmusikakademie
Sachsen-Anhalt im Kloster Michaelstein stattfand, wurde Klaus-Martin
Heinz, Leiter der Landesmusikakademie Rheinland-Pfalz in Neuwied-Engers,
für die kommenden drei Jahre zum neuen Sprecher gewählt.
Bislang vertrat Dolf Rabus, Direktor der Bayerischen Musikakademie
Marktoberdorf, den Arbeitskreis in der Öffentlichkeit.
In den nächsten Ausgaben der nmz werden sich jeweils zwei der
im Arbeitskreis zusammengeschlossenen Musikbildungsstätten
vorstellen. Weitere Informationen aus anderen Akademien finden sich
ebenfalls auf dieser neuen Seite. In dieser Ausgabe stellen sich
die Landesmusikakademien Ochsenhausen
(Baden-Württemberg) und Rheinsberg
(Brandenburg) vor (Seite 24).
Wolfram Steude
Für die deutsche Musik des 16. und 17. Jahrhunderts galt er
als unanfechtbare Autorität: Der Musikwissenschaftler Wolfram
Steude, am 20. September 1931 in Plauen geboren, konzentrierte seine
Forschungen vor allem auf das Werk und die Person des Komponisten
Heinrich Schütz. Er gründete das Schütz-Archiv in
Dresden, war Mitherausgeber des Schütz-Jahrbuchs und pflegte
noch zu DDR-Zeiten enge Kontakte zur Internationalen Schütz-Gesellschaft
in Kassel. Die Musikstadt Dresden, in der Schütz 1672 starb,
bildete den Lebensmittelpunkt des Forschers und Musikers Wolfram
Steude. Mit der Cappella Sagittariana, dem ersten Dresdner Ensemble
für Alte Musik auf historischen Instrumenten, unternahm Steude
zahlreiche Tourneen. Für den englischen Grove schrieb er den
fundierten ersten Teil über die Musikgeschichte Dresdens bis
zum Ende des Barock. Jetzt ist Wolfram Steude im Alter von 74 Jahren
gestorben. gr