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nmz-archiv
nmz 2006/04 | Seite 30
55. Jahrgang | April
DTKV Bayern
Musik, bei der dem Hörer „das Herz aufgeht“
„Komponisten in Bayern – Band 44: Heinrich Kaspar
Schmid“ – von Klaus Obermayer
Komponisten in Bayern – ihr habt es gut. Wo sonst werdet
ihr und euer Werk so kompetent und liebevoll vorgestellt als in
der von Prof. Dr. Alexander L. Suder herausgegebenen Monografienreihe
„Komponisten in Bayern“. Berühmte, vergessene und
beinahe vergessene Tonschöpfer stellen sich darin friedlich
in einer Reihe vor. Und mit Band 44 der Reihe wird ein Komponist
vorgestellt, der nicht nur aus Bayern stammt, sondern sich in seinem
Werk voll Stolz auf die bayerischen Musiktraditionen stützt.
Die Rede ist von Heinrich Kaspar Schmid. Und für diese Musikerpersönlichkeit
hat der Herausgeber fachkundige Autoren gefunden, die mit großem
Engagement dem Werk dieses fast vergessenen Komponisten zu einer
Renaissance verhelfen könnten. Es sind dies die Hauptautoren
Christoph Freymadl (Leben und Werk, Klavierwerk) und Walther Homolka
(Aus der Korrespondenz), unterstützt von Wolfgang Sawodny (Kammermusikwerke),
Franzpeter Messner (Lieder) und Katharina Larissa Paech (Orchesterwerke).
Ergänzt wird das Buch durch ein umfangreiches Werk-, Diskographie-
und Literaturverzeichnis und zahlreiche Fotos. Im Folgenden sind
einige der Stationen aus Heinrich Kaspar Schmids Leben aus „seinem
Buch“ wiedergegeben.
H einrich Kaspar Schmid wurde am 11. September 1874 in der Kleinstadt
Landau a.d. Isar geboren. Im Herzen Niederbayerns zur Welt gekommen,
wurde er ein durch und durch bayerischer Komponist, der seine Liebe
zur bayerischen Heimat zeitlebens nie verlor. Der Stammbaum lässt
sich bis ins Jahr 1560 zurückverfolgen. Einen nicht unwesentlichen
Einfluss auf die musikalische Entwicklung von H.K. Schmid stellte
zweifellos das elterliche Umfeld dar. Der Vater Heinrich Schmid
war der geborene Musiker im Laienbereich und ein ausgesprochener
Praktiker, die Mutter Barbara Schmid, Tochter des Seifensieders
Piechler in Osterhofen – von ihrer Seite ergibt sich somit
die Verwandtschaftsbeziehung zu seinem Cousin Prof. Arthur Piechler,
einem ebenfalls bedeutenden bayerischen Komponisten und späteren
Nachfolger Schmids als Leiter des Augsburger Konservatoriums –
war ebenfalls sehr musikalisch und besaß eine schöne
Altstimme. Die Mutter brachte dem Kind bereits im Alter von fünf
Jahren ein kleines Klavierstück bei, drei Jahre später
bekam es Gesangs- und Geigenunterricht. Auch die Orgel wollte der
begabte Junge lernen, doch der Vater hielt ihn davor zurück,
da seine Beine für das Pedal noch zu kurz waren. So kletterte
der Bub selbst auf die Orgelbank, studierte eine alte Orgelschule
des Vaters und übte so lange, bis er ein kleines Stück
spielen konnte. Die außergewöhnliche Stimme des Knaben
hörte der damalige Regensburger Domkapellmeister Ignaz Mitterer,
der den Zehnjährigen nach bestandener Prüfung in die berühmten
Regensburger Domspatzen aufnahm. Damit konnte dem Knaben eine höhere
Schulbildung ermöglicht werden. Nach der Mutation musste er
bei den Domspatzen ausscheiden und er kam für zwei weitere
Gymnasialjahre nach Straubing. Dort hörte er das a-Moll Streichquartett
von Schubert, dessen Musik sich immer mehr in den Vordergrund drängte,
selbst vor Großmeistern wie Mozart und Beethoven. Schmid selbst
wäre gerne wie sein Vater Volkschullehrer geworden. Ein „richtiges“
Musikstudium war nach den finanziellen Verhältnissen der Familie
utopisch. Doch der Vater hielt nicht viel von diesem „Hungerleiderberuf“
und bestimmte ihn für den damals sehr aussichtsreichen Eisenbahnerdienst.
Schmid befasste sich in dieser Zeit nebenher mit der Musik. Es entstanden
einige Musikstücke, Lieder, kleine Chorsätze. In ruhigen
Stunden seines Dienstes komponierte er, was sein Vorgesetzter bemerkte
und eines Tages sagte: „Der Adjunkt Schmid treibt am Schalter
höhere Musik, das treib’ ich ihm aus.“ Schmid nahm
seinen Abschied.
Eigene Ersparnisse und eine Erbschaft ermöglichten es jetzt,
nun doch Musik studieren zu können. Im Alter von 25 Jahren
trat er in die Akademie der Tonkunst ein, wo er mit Hartnäckigkeit
durchsetzte, dass er – gegen die Ordnung der Akademie –
in Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition ausschließlich
vom verehrten Prof. Ludwig Thuille selbst unterrichtet wurde. 1903
schied er mit glänzenden Zeugnissen aus. Es folgten Konzertreisen
unter anderem mit Raoul Walter, Tenor an der Hofoper und Sohn von
Gustav Walter, Wiens großem Liedersänger, nach Riga.
Nach seinem Ausscheiden von der Akademie schloss sich eine dreimonatige
Episode als Lehrer für Klavier und Theorie im Süden Europas
am Odeon in Athen an. Wieder zurück in München ging er
als Begleiter des berühmten Geigers Willy Burmester nach Österreich,
Polen, Mähren und Ungarn. Eine zweite Konzertreise –
wiederum von Burmester eingeladen – führte ihn dann unter
anderem im September 1904 nach Finnland und Schweden. In Helsingfor
schloss Schmid Freundschaft mit Jean Sibelius. Ab Herbst 1905 erfolgte
die Berufung Schmids an die Akademie für Tonkunst als Lehrer
für das Pflichtnebenfach Klavier. Am 20. September 1909 verheiratete
sich der Künstler mit Maria Kleiter, geb. Stadelberger. Dieser
Ehe entsprang eine Tochter, die bereits im Alter von zehn Jahren
verstarb. Heinrich Kaspar Schmids Frau, die bereits einmal verheiratet
war, brachte vier Kinder mit in die Ehe, darunter Uli Schmid, der
ein bekannter Geiger wurde und von H.K. Schmid adoptiert wurde.
1914 kam Schmid als Hauptmann und Kompanieführer ins Feld.
Durch einen Sturz vom Pferde war die Brauchbarkeit einer Hand
vorübergehend gefährdet. Dazu kam eine längere innere
Krankheit, wodurch er für einige Zeit in die Heimat zurückkehren
konnte. So entstand selbst während des Krieges unter anderem
das Streichquartett G-Dur sowie auf dem Rückzug in Tournai
die Sonate a-Moll für Violine und Klavier op. 27. Nach dem
Ende des 1. Weltkrieges setzte Schmid seine Lehrtätigkeit an
der Akademie in München fort, wo er 1919 einen Lehrauftrag
als außerordentlicher Professor erhielt. In dieser Zeit entstanden
einige seiner bis heute populärsten Werke: Lieder, das Klaviertrio
d-Moll op. 35, das Bläserquintett B-Dur op. 28 sowie zahlreiche
Klavierstücke, wie die Bayerischen Ländler. 1921 bewarb
sich Schmid um die Leitung des Karlsruher Konservatoriums, zu der
er bald darauf ernannt wurde. Nach drei Jahren erfolgreicher Arbeit
kehrte Schmid wieder in sein geliebtes Bayern zurück. Im Jahre
1924 übernahm er die Leitung der damaligen städtischen
Musikschule Augsburg, die jedoch bald zum Konservatorium erhoben
werden sollte. Auch hier in Augsburg übernahm Schmid nebenher
einen Laienchor, den „Augsburger Oratorienverein“ (heute:
Philharmonischer Chor Augsburg). Nachfolger am Dirigentenpult sowie
als Leiter des Konservatoriums wurde sein Vetter Arthur Piechler,
der bereits in München bei H.K. Schmid studiert hatte. Aufgrund
eingeengter und hemmender Verhältnisse durch die Kontrolle
der Stadt Augsburg und weil er sich an seinem Ruhesitz Geiselbullach
ohne andere Belastungen ganz der Komposition von neuen Werken widmen
wollte, gab er seine Position in Augsburg auf.
Viele Schüler, die ihn sehr verehrten, wie der Pianist Prof.
Karl Kottermaier, folgten ihm in sein neues Zuhause nach Geiselbullach
bei München, wo er die letzten 20 Jahre seines Lebens verbrachte.
Zahlreiche Konzerte mit Werken H.K. Schmids fanden statt, teils
unter Mitwirkung des Komponisten und namhafter Interpreten in München,
Karlsruhe und Augsburg, zum Teil mit Mitgliedern der Münchner
Philharmoniker und des Staatstheater-Orchesters, unter anderem im
Herkulessaal der Münchner Residenz. Auch im Rundfunk wurden
seine Werke gebracht, so beispielswei-se zum 60. Geburtstag 1934
unter der Mitwirkung seines Sohnes Uli Schmid und der Pianistin
Rosl Schmid. Eine Reihe großer Werke entstand in dieser Zeit,
so zum Beispiel Klavierlieder, Männerchöre, die Turmmusik,
die beiden Trios, die Bratschensonate, ein Konzert für Violoncello
und Orchester. Von diesen Alterswerken ist besonders die große
Sinfonie in d-Moll op. 115 hervorzuheben. Sie ist das Fazit einer
kompositorischen Lebenserfahrung sowie ein spätes Bekenntnis
zu der großen klassischen Form und wurde im ersten Sonderkonzert
der Münchner Philharmoniker unter GMD Hans Rosbaud in der Aula
der Universität in München 1946 uraufgeführt. 1949
wurde Schmid Ehrenbürger der Gemeinde Olching und Landau a.d.
Isar. Im fortgeschrittenen Alter ließ die Sehkraft H.K. Schmids
erheblich nach, was auch das Komponieren beeinflusste. So entstand
sein letztes im Werkverzeichnis genanntes Werk op. 120 „An
eine Nachtigall“ für Sopran, Flöte und Klavier (verschollen)
bereits 1947, obwohl das früher begonnene Violinkonzert op.
119 erst im Jahre 1949 vollendet wurde. Dazu beeinträchtigte
ihn ein plötzlicher Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung
sehr. Fast sehnte er den Tod herbei. Von einer Nierenerkrankung
konnte er sich nicht mehr erholen und verstarb am 8. Januar 1953
im Krankenhaus rechts der Isar in München. Die Beerdigung fand
am Münchner Westfriedhof statt. H.K. Schmid hat auch einmal
gesagt, das Beste, was ein Musiker zu geben vermöge, sei nicht
von, sondern aus ihm. Musik in dieser Art hat Schmid viel geschaffen,
Musik, bei der dem Hörer im wahrsten Sinn des Wortes „das
Herz aufgeht“.
Komponisten in Bayern – Band 44 Heinrich Kaspar Schmid,
Verlag Hans Schneider, Tutzing 2004, € 12,50 ISBN 3 7952
1165 4 – Begleit-CD mit Werken des Komponisten, € 15.-
bei Landesverband Bayerischer Tonkünstler im DTKV