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nmz-archiv
nmz 2006/04 | Seite 41
55. Jahrgang | April
Bücher
Pachelbel-Muster und Quintfall-Kadenz
Eine Neuerscheinung zeigt Wege zu elementarer Liedbegleitung
und Improvisation auf
Volker Bendig: Elementare Liedbegleitung und Improvisation
am Klavier, Verlag Die Blaue Eule, Essen 2005, 352 S.,
Grafiken, CD-ROM, € 38,00, ISBN 3-89206-977-8
Der vom Verfasser am Anfang erwähnte Musikstudent, der lieber
mit Rachmaninoff glänzt, als die versammelte Familie mit einer
improvisierten Klavierbegleitung sicher über die Weihnachtslieder
zu führen, sollte wirklich dieses Schulwerk zur Hand nehmen
und sich ausgiebig damit befassen. Das wäre gewiss auch sinnvoll
für viele Ansätze und Aufgabenstellungen im Rahmen seines
Studiums und seiner beruflichen Praxis. Das Buch will dazu beitragen,
die „Schere zwischen instrumentaler beziehungsweise vokaler
Virtuosität und einer [...] sterilen musiktheoretischen Fundierung“
zu schließen. Ein Lehr- und Spielbuch wie „Elementare
Liedbegleitung und Improvisation am Klavier“ hat dabei allerdings
so viele Vorgaben zu beachten, dass sich da-raus das spezifische
Problem ergibt, vertrautes Material und zusätzlich mitzuteilende
Informationen besonders sorgfältig zu organisieren. Nur so
kann eine Hilfestellung beim Training gegeben sein (einen verbindlichen
Studiengang mit der Festlegung auf bestimmte Etappenziele und Lösungen
gibt es ja auf diesem Gebiet nicht). Das ist hier gelungen –
setzt aber freilich eine intensive Beschäftigung mit dem Angebot
voraus.
Ein Hauptreservoir bei einer Liedbegleitung sind nach unserer Gewohnheit
harmonische Abläufe, gesteuert von den Eigenheiten der Melodie.
Der vorliegende Weg folgt ausdrücklich der Absicherung durch
Erkenntnisse auf diesem Gebiet der Musiktheorie und nennt bereits
bei der Vorstellung der Grundstrategien vier bedeutsame Schritte,
die sich damit befassen: die Auswahl der Harmonien, deren Verbindung,
die Fixierung von Strukturen und die rhythmisch-figurale Ausgestaltung.
Es folgen Hinweise zum Einsatz der mit dem Buch verbundenen CD-Rom
sowie technische und didaktische Anmerkungen. Dabei sind einige
Piktogramme hilfreich, um die Organisation des Lehr- und Trainingsangebotes
überschaubarer zu machen. Die unmittelbare Verbindung mit musiktheoretischen
Ansätzen setzt sich fort mit dem Einbau der Grundkadenz und
ihren Erweiterungen, mit der Verwendung des „Pachelbel-Musters“
und der „Quintfall-Kadenz“ als Grundlagen für immer
weiter ausgedehnte Materialstudien und immer differenziertere Vorschläge
für Begleitmuster und einfache Satztechniken. Auch der Stellenwert
traditioneller Satzregeln gegenüber individuellen Lösungen
im harmonischen Bereich wird angesprochen.
Zur Darstellung und Verarbeitung dieses Angebotes dienen etwa
800 Beispiele, von denen einige über den Klaviersatz hinausgehen,
um bestimmte Abläufe zu verdeutlichen. Allein das Register
der verwendeten Kompositionen umfasst 232 Titel. Diese sehr große
Anzahl von Tonsätzen wird sorgsam übersichtlich gemacht,
wobei die schon erwähnten Piktogramme eine große Rolle
spielen.
Grundsätzlich ist daran gedacht, innerhalb der Kapitel und
von einem zum andern eine vorsichtige, aber stetige Steigerung zu
entwickeln. Das bezieht sich gleichermaßen auf die musikalischen,
wie auch auf die spieltechnischen Anteile und auf die stilistische
Vielfalt. So enthalten die locker formulierten Texte fortlaufend
Erläuterungen der angebotenen Vorschläge und Hinweise
für die Anwendung. Der Verfasser schreibt dazu: „Wer
sich wirklich intensiv und über einen längeren Zeitraum
mit den systematisierten Patterns und Begleitmustern auseinander
setzt, erlangt allmählich Routine in der freien Liedbegleitung.“
Aus dem Studium und Vergleich der kommentierten zu hörenden,
zu spielenden, zu ergänzenden oder zu transponierenden Lösungen
gilt es also Erkenntnisse für die eigene Praxis und Technik
zu gewinnen. Dabei sind Buch und CD auch deswegen vorteilhaft nebeneinander
einzusetzen, weil so das Blättern zwischen Notierung und dazugehörigem
Text vermieden werden kann. Prinzipiell sind die beiden multimedialen
Elemente aber auch eigenständig zu verwenden. (Warum beim Abhören
eines Beispiels die Noten vom Bildschirm verschwinden müssen,
ist nicht ganz einsichtig. Vorschlag: Die Formate der Schaltflächen
deutlich verkleinern, die Notenbeispiele dafür ohne zusätzliche
Rollfunktion auf dem Bildschirm zum Mitlesen unterbringen).
Die Aufgabenstellungen zu dem großen Angebot von Beispielen
als den hier einzigen einsetzbaren Hilfsmitteln sind sehr variabel.
Besonders Begleitfiguren und das Erfinden neuer Möglichkeiten
werden unter konsequenter Beachtung der erwähnten Progression
und der vermutlich zu erwartenden subjektiven Leistungsfähigkeit
angesprochen. Als Zielgruppen sind genannt: nebenamtliche Kirchenmusiker,
fortgeschrittene Hobby-Musiker, die ein Tasteninstrument spielen,
zukünftige und aktuelle Lehrer für alle Altersstufen an
allgemein bildenden Schulen und Musikschulen oder Kandidaten in
Hochschulprüfungen.