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nmz-archiv
nmz 2006/04 | Seite 40
55. Jahrgang | April
Rezensionen
Großzügige Materialfülle, kompetent kommentiert
Die DVD entwickelt sich zum wichtigen Medium zu Vermittlung Neuer
Musik
Musica viva, Forum der Gegenwartsmusik,
Vol.
3 Helmut Lachenmann:
Furcht und Verlangen, Wergo NZ 53;
Vol.
4 Karl Amadeus Hartmann:
3 Symphonien, Wergo NZ 54
Wolfgang
Rihm. Moment-Aufnahme.
Ein Portrait, Wergo MV 0803 5
Auf hohem Niveau setzt Wergo die auf Sendungen des Bayerischen
Rundfunks und Münchner Musica-Viva-Mitschnitten basierende
Serie fort. Überzeugend erneut das Konzept, einer etwa 20-minütigen
Werkeinführung mit Ausschnitten das komplette Werk zur Seite
zu stellen. Helmut Lachenmann mit pointierter Selbstreflexion
und Werner Nussbaum mit dem Blick des Interpreten auf und in die
Partitur (die dankenswerterweise auch immer wieder eingeblendet
wird) ergänzen sich als Kommentatoren aufs Beste. Die Aufführungen
der „Musik für Leonardo“, der „Consolations“
I und II sowie von „Mouvement“ durch die Schola Heidelberg
und das ensemble aisthesis führen präzise und klangsinnlich
in Lachenmanns Welt ein, der man – so der Komponist –
nicht nur zuhören, die man hören sollte.
Erstrangig auch die Aufführungen der Hartmann’schen
Symphonien 1, 5 und 8 durch das Symphonieorchester des Bayerischen
Rundfunks. Ihre Dirigenten Lothar Zagrosek, Franck Ollu und Ingo
Metzmacher sind kompetente Gesprächspartner zu diesen Werken,
wobei Letztere auch einmal in musikalische Sachverhalte einsteigen
und es nicht bei dem Etikett des „Bekenntnismusikers“
belassen. Wie verhasst Hartmann selbst dieses Etikett war, bezeugt
einmal mehr sein Sohn Richard, der in einem weiteren, die Persönlichkeit
des Komponisten in den Mittelpunkt stellenden Interview zu Wort
kommt.
Die Vorzüge eines nicht durch die Länge einer Fernsehserie
begrenzten Zugriffs wird auf einer weiteren Wergo-DVD großzügig
genutzt. Die Materialfülle, die Dieter Rexroth über
Wolfgang Rihm zusammengestellt hat, ist wahrlich Ehrfurcht gebietend:
ein langes Gespräch mit dem gewohnt eloquenten Komponisten,
ein von Rexroth selbst gelesenes Porträt mit eingeblendetem
Fotomaterial, Einführungen in einzelne Werkkomplexe und Einzelwerke
sowie Aufzeichnungen dieser Werke, wahlweise mit eingeblendeter
Partitur. Vorbildlich auch die konsequente Mehrfachnutzung des
Mediums mit einer per Browser einsehbaren Sektion, die ausgewählte
Texte, eine Bibliografie, ein Werkverzeichnis sowie eine Diskografie
mit MP3-Hörbeispielen bereitstellt. Insgesamt also ein gehaltvolles,
Rihms Schaffen in vielen Facetten beleuchtendes Dokument.
Die Revolution der Klänge. Musik im 20. Jahrhundert,
Vol. 5 Made in America, Vol. 6 Nach der Katastrophe, Vol.
7 Zu neuen Ufern, Arthaus 102 040, 102 042, 102 044
Wenn Simon Rattle am Ende seiner sieben-teiligen Erkundung der
Musik des 20. Jahrhunderts bei seinen Landsleuten und Freunden
Birtwistle, Turnage und Knussen angekommen ist, wird noch einmal
deutlich, wo die Stärken dieser jeweils 50-minütigen
Einführungen liegen: in Rattles persönlicher Begeisterung
für eine Musik, die er unprätentiös, mit prägnanten
Formulierungen und Bildern zur Sprache zu bringen versteht. Wie
schon in den ersten vier Folgen reichen die bebildernden Filmsequenzen
nicht durchweg an diese Prägnanz heran.
Wo dies einmal der Fall ist, bei Ives’ Decoration Day in
der eher kulinarisch geratenen USA-Reise, im langen Gang der Erinnerungen
zu Berios „Laborintus II“ in der letzten, bis in die
Gegenwart reichenden DVD oder bei der Gegenüberstellung von
Kriegsbildern und Garmischidyll zu Strauss’ „Vier
letzten Liedern“, erweist sich aber, welche Vermittlungsqualität
solche Musikfilme erreichen könnten. Außerdem besticht
diese sechste Folge durch die Intensität der dargebotenen
Musik: Schönbergs „Survivor from Warsaw“ mit
dem großartigen Franz Mazura und Stockhausens „Gruppen“
(der blutjunge Daniel Harding ist als Co-Dirigent beteiligt).
Letztere ist als Zugabe komplett verfügbar, allerdings (wie
alle Bonustracks der Reihe) nur als Audiofile, was angesichts
der besseren Nachvollziehbarkeit der räumlichen Komponente,
die mit der Optik einhergeht, ein wenig schade ist.
A Trail on the Water. Abbado, Nono, Pollini (Regie:
Bettina Ehrhardt), EuroArts/TDK DVWW-DOCNONO
„Musik, Leben, Kampf, Liebe“: Luigi Nonos Motto
für seine Freundschaft mit Claudio Abbado und Maurizio Pollini
durchzieht dieses vor allem atmosphärisch gelungene Porträt
wie die nicht bloß idyllischen Venedig-Bilder. Die politische
Seite dieser Freundschaft wird angedeutet, aber nicht im Sinne
einer Dokumentation näher beleuchtet. Nonos Musik kommt weniger
direkt zur Sprache, als dass sie die Bilder wie ein eindringlicher
Kommentar begleitet. Eine intensivere Auseinandersetzung gilt
aber dem von Abbado zusammengestellten „Frammento dal Prometeo“
und dem von Pollini uraufgeführten Klavierstück „…sofferte
onde serene“, das in einer Live-Aufführung aus Salzburg
diese sehens- und hörenswerte DVD als Bonus auch abrundet.