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nmz-archiv
nmz 2006/04 | Seite 39
55. Jahrgang | April
Rezensionen
Kurz vorgestellt
CDs
Charles Koechlin: Les Heures persanes. Radio-Sinfonieorchester
Stuttgart, Heinz Holliger.
Hänssler CD 93.125
Der Franzose Charles Koechlin kann wunderbar Duft und Geschmack
in die Musik zaubern. Alles wird zur Atmosphäre und gerne
lässt er sich hierfür von Märchenwelten und Erzählungen
ferner Länder inspirieren. In seinen „Persischen Stunden“
griff er zudem auf ein 1904 veröffentlichtes Reisetagebuch
zurück. Und mit dem Wissen dieser Zeit über arabische
Musik entstand ein herrlich luzides, orientalisch leuchtendes
Werk. Sehr diskret, durchsichtig und ohne vordergründige
Effekte interpretiert.
Tom Sora: 20 Töne – neun Kompositionen für Kurbelspieluhr;
Drei Stücke für Midi-Klavier.
Bedienung der Instrumente: Tom Sora. NEOS, Vertrieb: col legno WWE
1CD 40001
Jeder hat schon einmal damit gekurbelt und dem Spielmechanismus
Melodien entlockt. Tom Sora geht weiter. Aus dem kleinen Tonvorrat
(20 diatonische Töne) entwirft er sozusagen Stickmuster in
die Zeit. Skalen laufen rauf und runter, kleine repetitive Motive
kollidieren in unterschiedlichen Tempi und werfen wolkenartige
Klanggebilde mit unzähligen Luftwirbeln aus. Die Kompositionen
für Midi-Klavier, das über einen Computer zum selbständigen
Spiel angesteuert wird, setzen die auf der Kurbelspieluhr entwickelten
Ideen ins Größere fort. Und auch dort entwickeln die
mechanischen Gestalten eine spezifische Eigencharakteristik, sie
sind widerständig, störrisch oder freundlich –
fast wie selbständige Lebewesen.
György Kurtág: Kafka-Fragmente.
Juliane Banse, Sopran; András Keller, Violine.
ECM 1965 (4763099)
Die Kafka-Fragmente sind eines der am meisten zu hörenden
Werke von Kurtág. Das ist dem Geiger András Keller
zu danken, der sich schon mit mehreren Sängerinnen zusammentat,
um den anspruchsvollen Part zu bewältigen. Juliane Banse
ist wirklich ein besonderer Glücksgriff. Sie singt so genau,
so intensiv, so charakterlich vielschichtig, dass die querständigen
Stücke ganz selbstverständlich wirken und unmittelbar
in Beschlag nehmen. Und der mit diesem Stück ohnehin bestens
vertraute András Keller kann sein Spiel wunderbar dieser
so facettenreichen Stimme anschmiegen.
Jakob Ullmann: A catalogue of sounds, für Violine, Viola,
Cello und Ensemble.
Ensemble Oriol, Berlin. ed. RZ
Das ist Musik extremer Stille und extremer Differenziertheit.
Klopf- und Kratzgeräusche in die Zeit, die so wirkt, als
sei sie von den zarten Ereignissen leicht aufgeraut. Als ob sie
nicht in ihrem still führenden Bett bleiben wolle. Gut 70
Minuten angespanntes Hören, Vielfalt in Bereichen des Fast-Ununterscheidbaren.
Wenn Engel musizieren – Musikinstrumente von 1594 im Freiberger
Dom.
Musica Freybergensis, Roland Wilson. Edition Raumklang RK 2404/5
Jetzt klingen sie richtig! Als man die originalen Instrumente
von der Decke des Freiberger Doms herabholte und nachbaute, ergaben
sich viele spannende Aspekte des Instrumentenbaus in der Renaissance.
Rückschlüsse auf Spiel und Stimmung dieser Zeit wurden
möglich oder zumindest erleichtert. Beim ersten Konzert aber
zeigten die Musiker noch manche Schwierigkeiten bei der Intonation.
Jetzt sitzt es und man kann die originalen Klangformen dieser
Zeit bewundern. Die Ausführung der gesungenen Partien zeigen
einige Mängel, aber darauf kommt es nur in zweiter Linie
an. Ein schönes Dokument gelungener Forschungsarbeit.