Das Münchener Pfingstsymposium 2006 untersucht „Das
Lachen im Ernst der Neuen Musik“
Auf die Suche nach dem „Lachen im Ernst der Neuen Musik“
machten sich Ulrike und Wolf-Dieter Trüstedt in der 16. Ausgabe
des Pfingstsymposiums München. „Es gilt, das Lachen ernst
zu nehmen“, postulierte Max Nyffeler in seinem Eröffnungsvortrag,
und er zielte damit gegen den Ernst einer Avantgarde, die „vor
einem halben Jahrhundert mit der Absicht angetreten (war), dem Nazi-Erbe
eine neue, gereinigte Musik entgegenzusetzen, und da gab es nichts
zu lachen.“ Nyffeler warf der Musica negativa vor, es sich
im subventionierten Musikbetrieb gemütlich eingerichtet zu
haben. Anstelle von „ästhetischen Verboten“ sei
es heute wieder möglich, wenn nicht sogar überlebenswichtig,
sich mit einer „Kategorie des Heiteren“ zu befassen.
Spielt
den Pianisten: Moritz Eggert. Foto: Dieter Trüstedt
Die MDR-Redakteurin Meret Forster moderierte eine Gesprächsrunde
mit Moritz Eggert, Wilhelm Killmayer und Moritz von Gagern, die
um den „Druck der Ensthaftigkeit“ innerhalb der zeitgenössischen
Musik kreiste. „Das Komische überlebt, das Pathetische
vergeht“, lautete lapidar das lebenserfahrene Resümee
Killmayers. Anhand seines „Klavierstücks V“, das
sein ehemaliger Schüler Moritz Eggert aufführte, belegte
er, wie Lachen durch Scheitern entstehen kann. Exemplarisch hatte
er in dem Klavierstück die vergebliche Suche nach einer musikalischen
Gestalt auskomponiert und dabei dargestellt, wie diese Suche nach
Bedeutung auch scheitern kann. Komik, Witz, Ironie – und somit
das Lachen – entstehen durch Weglassen und durch Scheitern
– hier deckt sich Killmayers Auffassung mit Sigmund Freuds
Theorie des Humors („Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“).
Moritz Eggert, der sich mit seiner Eröffnungsmusik für
die WM in München durchaus mit Erfolg auf dem Gebiet des Leichten
tummelt und seinem Auftrag, das Pathos der WM-Eröffnung zu
relativieren, gerecht wird, überzeugte als Interpret des hochvirtuosen
„Klavierstücks VIII“ von Killmayer. Wer hier Lachen
in der Neuen Musik erwartet hatte, sah sich in seinen Erwartungen
enttäuscht, aber mehr als entschädigt durch den „heiligen
Zorn“ des Stücks.
Vor der Gesprächsrunde mit Meret Forster hielt Moritz von
Gagern einen Vortrag über das Gestische in Karl Valentins Schaffen.
Er untersuchte, warum Valentin im Gegensatz zu den Fluxus-Leuten
mit seiner Klavierzertrümmerung (1942) nicht berühmt geworden
ist: „Er zertrümmerte es als Komiker und nicht als Künstler.“
Moritz von Gagern machte Valentin zu einem der Väter der Moderne.
Sein „Witz der Leere“ könne als Vorläufer
von John Cages „4’33’’“ dienen. Ähnlich
wie Erik Satie und Nachfolger arbeite auch Karl Valentin mit gestischen
Mitteln in der Musik. „Was aber tatsächlich Schule bildend
wirkte,“ so von Gagern, „war die Inszenierung der Leere,
genauer gesagt, die Inszenierung der Nicht-Erfüllung und des
Nicht-Verstehens. Mit Valentin ging die ‚Sinnlosigkeit‘
in die Kunst ein.“
Das Komische überlebt, das Pathetische vergeht, wurde oben
schon gesagt. Dass auch das Lachen vergänglich sein kann, zeigte
sich an Paul Hindemiths „Minimax – Repertorium für
Militärmusik“, aufgeführt durch das Amira-Quartett.
Darüber kann man heute – in einem Europa, das das Militär
und den Krieg in ferne Regionen und ferne Kulturen verdrängt
hat – nicht mehr lachen. Der Kontext ist ein anderer, der
Zeitgeist passé – Hindemiths Minimax bleibt ein Musikerwitz.
Sämtliche Raffinessen gestischer Musik setzt dagegen Moritz
Eggert in seinen „Hämmerklavier“-Stücken ein.
Auf dem Pfingstsymposium führte er „Hämmerklavier
XVII, Advanced Kabuki“ (2004) auf, eine serielle Komposition,
die als Material typische Gesten und Verhaltensweisen von Pianisten
benutzt – Lachen im Publikum, trotz strengster Anwendung der
Reihentechnik. Im Anschluss „Hämmerklavier XI What if
1 composer from 1 country wrote 60 pieces under a second for solo
piano?“ (1998). Das Stück, eine Parodie auf die Gepflogenheiten
moderner Kompositionswettbewerbe, konnte in Witz und Originalität
nahtlos anschließen. Hier finden sich alle Mittel –
Parodie, Zitat und Groteske – um falsches Pathos und vorgebliche
Tiefe zu decouvrieren.
Dass dem Cellisten des Ensembles TrioLog die Saite riss und Eggerts
Stück „CROATOAN II“ wieder von vorne begonnen wurde,
war nicht humoristisch gemeint, auch wenn dieses „Scheitern“
ein Schmunzeln im Publikum erregte.
Tom Johnsons „Formulas“ von 1994 wurden zum Exempel
für die von Moritz von Gagern in seinem Vortrag erwähnte
„prätentiöse Stereotypie“. Johnsons acht Sätze
für Streichquartett folgen strikt jeweils einer mathematischen
Formel. Nach wie vor unersetzbar die ausübenden Musiker, in
diesem Fall das Streichquartett TrioLog, das den Formeln Leben einhauchte.
Workshops mit „Lach-Yoga“, Vorträge über das
Lachen aus psychologischer Sicht, den „Dilettantismus als
fröhliche Kunst“ oder „Das Lachen in den Religionen
von Orient und Okzident“ boten drei Tage lang neue Zugänge
zum Thema. Schön, dass das Lachen hier ernst genommen wurde.