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nmz-archiv
nmz 2006/07 | Seite 15
55. Jahrgang | Jul./Aug.
Kulturpolitik
Unfair
Eine Föderalismusreform, die den Namen verdient hätte,
hätte die Idee des föderalen Wettbewerbes als eine der
entscheidenden Triebfedern für Fortschritt in Deutschland ernst
nehmen müssen. Doch die Sieger des immer wieder beschworenen
Wettstreites unter den Bundesländern stehen doch längst
fest: Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen
gehen mit einem solch großen Vorsprung an den Start, dass
Länder wie Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Schleswig-Holstein,
Mecklenburg-Vorpommern oder gar die Länder Bremen, Berlin und
das Saarland sich eigentlich gar nicht erst zum Start aufstellen
müssten. Zu groß ist der Unterschied zwischen den kleinen
und den großen, den finanzstarken und den finanzschwachen
Ländern. Nur eine grundlegende Neugliederung der Länder
hätte es vermocht, einigermaßen vergleichbare Startbedingungen
für einen wirklich fairen Wettbewerb zu schaffen.
Schon in der ersten Sitzung der Föderalismuskommission im
Oktober 2003 sagte der damalige Bürgermeister von Bremen, Hennig
Scherf, dass man hier über alles reden könne, aber nicht
über eine Neugliederung der Länder. Und dabei ist es leider
weitgehend auch geblieben. Eine sehr anerkennenswerte Ausnahme machen
seit einiger Zeit nur Schleswig-Holstein und Hamburg mit ihrer Diskussion
um einen „Nordstaat“. Manche träumen gar vom „Küstenstaat
Norddeutschland“ von Cuxhaven über Lüneburg bis
Flensburg mit der Hauptstadt Hamburg. Natürlich sind solche
Veränderungen nicht einfach zu erreichen. Der gescheiterte
Zusammenschluss von Berlin und Brandenburg wiegt immer noch schwer
und muss bald, im Interesse der beiden Länder, korrigiert werden.
Gerade die Ergebnisse der Föderalismusreform werden den Abstand
zwischen den Ländern noch einmal vergrößern. Die
starken Länder werden den Wettbewerb im Bildungs-, Wissenschafts-
und Kulturbereich, bei den Kindergärten und Schulen in der
Zukunft noch klarer für sich entscheiden. Die Länder haben
nämlich bei der ersten Lesung Föderalismusreform im März
im Bundesrat, nur mit Enthaltung des Ministerpräsidenten von
Mecklenburg-Vorpommern, einstimmig dafür votiert, den Bund
durch eine Änderung des §104b des Grundgesetzes so weit
wie irgend möglich aus der Mitfinanzierung herauszuhalten.
Das man nun, vernünftigerweise, bei den Hochschulen ein Auge
zudrücken will, liegt einfach daran, dass selbst die starken
Länder den Ansturm von Studierenden in den nächsten Jahren
ohne Bundeshilfe nicht werden schultern können und ändert
nichts Grundsätzliches am angestrebten Kooperationsverbot zwischen
Bund und Ländern.
Dass Bayern, Baden-Württemberg und zum Beispiel auch Nordrhein-Westfalen
den Bund zurückdrängen wollen, um damit ihren Vorsprung
vor den finanzschwachen Ländern auszubauen, ist zwar nicht
besonders fair, leuchtet aber ein. Aber was um Himmels Willen versprechen
sich denn die Habenichtse unter den Ländern von einer solchen
Beschneidung des Bundes?
Die Föderalismusreform ist gescheitert! Sie ist gescheitert,
weil eine wirkliche Reform mit einer bundesweiten Neugliederung
der Länder nicht gewollt wurde und weil der nun angestrebte
kleinste gemeinsame Nenner auch noch schädlich, gerade auch
für den Schul- und Kulturbereich, ist. Das Mehr an Freiheit,
das der Bund bei der Gesetzgebung gegenüber den Ländern
durch die Föderalismusreform gewinnen wird, werden die Bewohner
der finanzschwachen Bundesländer teuer bezahlen müssen.
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen
Kulturrates