[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2006/07 | Seite 14
55. Jahrgang | Jul./Aug.
Kulturpolitik
„Dieses Festival hat etwas Unwiderstehliches“
Interview mit Gabriele Minz vom Festival young.euro.classic
„Wenn einer Geld gibt, muss er etwas davon haben.“
Das internationale Jugendorchester-Festival young.euro.classic,
das seit dem Jahr 2000 den Berliner August kulturell aufwertet,
findet nun schon zum siebten Mal genügend Institutionen und
Unternehmen, die offenbar viel „davon haben“. Über
die nicht immer einfache Situation und das inhaltliche wie finanzielle
Erfolgskonzept des Festivals sprach Barbara Haack mit der Initiatorin
Ga-briele Minz, die die inhaltlichen und wirtschaftlichen Geschicke
von young.euro.classic wesentlich prägt.
nmz: Ihr Festival geht jetzt ins siebte Jahr. Die
öffentliche Förderung scheint sich jedoch zu verabschieden.
Wie ist die augenblickliche Situation?
Die
Initiatorin: Gabriele Minz. Foto: y.e.c.
Gabriele Minz: Wir mussten uns in diesem Jahr
ganz auf die privaten Partner konzentrieren, weil die öffentliche
Hand beziehungsweise die Stiftungen auf ihr Regelförderungsverbot
hingewiesen haben. young.euro.classic ist von ihnen über die
Maßen gut betreut worden. Der Hauptstadtkulturfonds hat uns
vier Mal gefördert, die Bundeskulturstiftung war mit einem
sehr hohen Betrag dabei, wir hatten drei Jahre die EU im Boot. Jetzt
gab es die ganz klare Aussage, dass alle Möglichkeiten erschöpft
sind. Das heißt aber natürlich nicht, dass wir aufgeben.
Oft komme ich mir vor wie ein Vertreter, der seinen Fuß in
die Tür stellt. Aber wenn ich nicht so impertinent wäre,
wären meine Gesprächspartner einfach erleichtert. Es gibt
genügend andere Impertinente. Wir hatten ganz zum Schluss noch
eine Finanzierungslücke, über die wir mit dem neuen Kulturstaatsminister
Bernd Neumann gesprochen haben. Letztendlich hat die Stadt Berlin
erstmals in diesem Jahr einen Betrag von 50.000 Euro zugesagt. Dann
werden über den Staatsminister noch einmal 40.000 Euro an öffentlichen
Geldern dazukommen. 90.000 Euro sind für das Festival viel
Geld, aber im Vergleich zu den Vorjahren sehr viel weniger an öffentlicher
Förderung.
nmz: Ihre privaten Sponsoren können Sie offenbar
ganz gut bei der Stange halten.
Minz: Wir haben es geschafft, dass aus der Gruppe
unserer privaten Sponsoren ein partnerschaftlicher Kreis geworden
ist. Das ist sicherlich auch das Geheimnis von Festivals, die länger
als ein oder zwei Jahre bestehen. Unsere Hauptpartnerschaften haben
wir wieder ausbauen können. Die BMW Group hat sich noch einmal
auf drei Jahre festgelegt, also für 2007, 2008, 2009. Wir sind
guter Hoffnung, dass wir das mit der KfW Bankengruppe, die ja auch
von Anfang an dabei ist, und mit dem Unternehmen Würth ebenfalls
hinbekommen. Darüber hinaus haben wir in diesem Jahr die Förderer
EnBW, Roland Berger und die RAG neu hinzugewonnen.
nmz: Was ist es aus Ihrer Sicht, das Ihre beeindruckende
Schar von Sponsoren an dem Festival reizt? Wie überzeugen Sie
sie?
Fremde
Kulturen haben young.euro.classic erreicht. Im vergangenen
Jahr waren zwei Orchester aus China in Berlin (hier das
Hochschulorchester aus Shanghai). In diesem Jahr kommen
außerdem Orchester aus Syrien, Israel und der Türkei.
Foto: young.euro.classic/Kai Bienert
Minz: Wir versuchen herauszufinden, wo wir ihr
Interesse identifizieren können. Wir gewinnen unsere Partner
in der Regel über sehr inhaltliche Argumente, die sich auf
ganz unterschiedlichen Ebenen befinden. Die RAG hat zum Beispiel
gerade ein größeres Geschäft mit China abgeschlossen
und war dann von uns darauf ansprechbar, dieses Geschäft
mit einem Engagement für das chinesische Orchester zu krönen.
So zeigt das Unternehmen seinen Partnern und Mitarbeitern an einem
Abend, wofür es gesellschaftlich und kulturell steht. Und das
ist auch ein Zugang: Wenn jemand Geld für young.euro.classic
gibt, muss er etwas davon haben.
Bei anderen Partnern gibt es andere Gründe. BMW hielt unsere
Idee, junge Musiker, die sich mit zeitgenössischer europäischer
Musik auseinander setzen, nach Berlin zu holen, für ein Konzept,
das sehr gut zu seiner – wie sich BMW selbst versteht –
jungen Marke passt. Roland Berger zum Beispiel ist überzeugt
worden durch unser Engagement für Europa. Denn Roland Berger
sieht sich als das einzige große internationale Beratungsunternehmen,
das sich von Europa her definiert. Das sind dann solche Momente,
die Sie entweder in der Vorrecherche identifizieren oder im Gespräch
erfassen müssen.
nmz: Wie kommen Sie zu Ihrem Gegenüber?
Minz: In unserem Fall ist das Verdienst, weitere
neue Partner zu finden, auch das unserer Partner selbst. Ich führe
teilweise Sponsorengespräche, in denen ein Partner, der sich
für uns engagiert – in dem Fall die KfW Bankengruppe
– neben mir sitzt und sagt: „Ich mache da schon im siebten
Jahr mit. Das Projekt ist auf so vielen Ebenen für uns großartig,
dass wir uns dafür engagieren wollen, damit es nicht stirbt.“
Dann lehne ich mich zurück und „lasse werben“.
Besser geht es gar nicht.
nmz: Denken Sie nicht, dass es eine Möglichkeit
oder sogar eine Verpflichtung geben muss, öffentliche Gelder
unbegrenzt und regelmäßig für bestimmte Projekte
zur Verfügung zu stellen? Immerhin bringt das Festival der
Stadt Berlin ein ungeheures zusätzliches Renommee.
Minz: Meine Funktion kann doch nur die sein, dass
ich niemanden aus der Situation herauslasse, zu mir „Nein“
zu sagen. Ich bin natürlich der Auffassung, dass dieses Projekt
auch aus inhaltlichen Gründen auf öffentliche Gelder nicht
verzichten kann. Aus der Sicht unserer privaten Partner wäre
es ebenfalls schlecht, wenn die öffentliche Hand sich ganz
und gar verabschiedet. Notwendig wäre eine Neuregelung bei
der Verteilung öffentlicher Gelder, die auch Projekte wie young.euro.classic
berücksichtigt. Wir wünschen uns eine Basisförderung,
die uns eine gesicherte mittelfristige Planung ermöglicht. Es
sind ja Projekte wie unser Festival, die kulturelle Impulse
in diesem Land geben. Und unser Unternehmen arbeitet mit
Kulturinstitutionen bestens zusammen – wie in diesem Fall
das Konzerthaus Berlin, dessen Sommerpause wir füllen.
nmz: Welches ist für Sie der Unterschied
zwischen öffentlichen und privaten Geldgebern? In der Betreuung,
in der Vertragslage? Welches sind Vor- und Nachteile?
Minz: Wir haben bei unseren privaten Partnern
bisher zu keinem Zeitpunkt eine inhaltliche Einmischung erlebt.
Sie haben sich auf das von uns angebotene Konzept eingelassen. Ich
kann auch nicht sagen, dass uns die öffentliche Hand etwas
vorschreiben würde. Gleichwohl wundert es mich, dass ich gelegentlich
aus dem öffentlichen Bereich, zumal bei einigen Leuten, von
denen ich weiß, dass sie noch nie in unseren Konzerten waren,
inhaltliche Urteile zu den Konzerten höre, die mich dann überraschen.
Dass die Orchester nicht den Standard der Berliner Philharmoniker
haben und haben können, ist nachvollziehbar. Dass auch bei
den besten Jugendorchestern immer noch Unterschiede zu erkennen
sind, liegt ebenfalls auf der Hand; denn nicht alle können
auf die gleiche finanzielle und organisatorische Ausstattung zurückgreifen.
Daraus dann abzuleiten, dass wir nicht zu den Glanzlichtern oder
Highlights der Republik gehören, halte ich für problematisch.
Ich habe vielleicht einen höheren Anspruch an die öffentliche
Hand, einen höheren Anspruch an Verallgemeinerbarkeit, an das
Vermögen, ein kulturelles Projekt im Kontext zu sehen, und
erwarte von einem privaten Förderer weniger, dass er diesen
kulturellen Kontext erkennt. Das ist auch nicht seine originäre
Aufgabe. Kulturpolitik ist wirklich die Aufgabe des Staates. Der
private Partner sagt: Ich unterstütze das, weil ich Kultur
für einen ganz lebendigen Faktor dieser Gesellschaft halte.
Aber von der öffentlichen Hand erwarte ich eine größere
Offenheit, eine größere Weitsicht.
nmz: Es war zumindest bis vor einigen Jahren
zu beobachten, dass Medien private Sponsoren gerne links liegen
lassen und mit einigem Misstrauen beobachtet haben. Stellen Sie
hier eine Veränderung fest?
Minz: Ich stelle fest, dass sich behutsam etwas
ändert. Am Anfang war insbesondere in den Reihen des Feuilletons
eine starke Abneigung zu spüren. Ich weiß noch, wie wir
intensiv darüber diskutiert haben: Darf man auf der Pressekonferenz
einen privaten Partner überhaupt reden lassen? In welchem Umfang
darf man ihn erwähnen und „Danke“ sagen? Darf man
das dem Feuilleton zumuten? Bringt man das Feuilleton nicht gegen
sich auf, so dass es dann gar nicht mehr über das Festival
schreibt? Inzwischen ist es so, dass wir selbstverständlich
unsere Förderer in die PK miteinbeziehen und man durchaus schon
mal Nennungen von Privaten in den Medien findet.
nmz: Was ist Ihre persönliche Motivation,
sich jetzt schon seit Jahren sehr viel Zeit und Kraft für das
Projekt young.euro.classic zu engagieren?
Minz: Dieses Festival hat etwas Unwiderstehliches.
Es ist in gewisser Weise ein Gesamtkunstwerk auf sehr vielen Ebenen.
Ich verrate sicher kein Geheimnis, wenn ich sage, dass die Organisation
und das Geldeinsammeln nicht nur Spaß machen. Aber das Festival
dann selber zu erleben und vor allem seine Wirkung auf andere Leute
zu erleben: Dafür lohnt es sich für mich. Alle, die mit
diesem Festival zu tun haben – und das scheint auch eines
der Geheimnisse zu sein – wollen etwas dafür tun, dass
es erhalten bleibt. Das Konzept stimmt, wenn man so will, der Geist
des Festivals vermittelt sich.
nmz: Worauf freuen Sie sich am meisten in diesem
Jahr?
Minz: Ich finde die Konstellation sehr u u spannend,
dass wir Orchester aus Syrien, Israel und der Türkei eingeladen
haben, zumal wir es nur dem Engagement des syrischen Botschafters
verdanken, dass die Syrer teilnehmen. Das sollten sie nicht, weil auch
die Israelis kommen. Dass es da einzelne Menschen gibt, die durch
ihr persönliches Engagement so etwas hinbekommen, das freut
mich.