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nmz-archiv
nmz 2006/07 | Seite 8
55. Jahrgang | Jul./Aug.
Magazin
Zurück zum unverkrampften Spiel
Die Kammeroper München – ein Erfolgsrezept
Bei der Oper hört nicht selten der Spaß auf. Es scheint,
als würden die großen Opernhäuser ihren 400-jährigen
Ballast in jeder Neuinszenierung abladen. Das Spiel, die gewitzte
Aktion geht Baden und wird der voluminösen Ausbreitung der
Stimmen und Stars geopfert. Die Verzahnung von Szene und Musik bleibt
auf der Strecke. Langeweile gehört zum Gepäck (zugegeben:
Das ist etwas pauschal, aber wie häufig erlebt man Musiktheaterregie,
die nicht mit der Musik arbeitet, sondern sich allein deutend, psychologisierend
oder einfach im Konventionellen verharrend danebenstellt).
Die
Kammeroper München mit Joseph Haydns Heldenkomödie
„Orlando Paladino“. Foto: Don Gisberto
Das muss nicht so sein, meint seit einigen Jahren die Kammeroper
München. Ihr Konzept ist ebenso einfach wie schlagend. Man
fährt die Oper zurück auf ihre Ausgangsbedingungen und
entwickelt von hier aus neue, griffige, punktgenaue und vor allem
stets vergnügliche Konstellationen. Reduzierung auf die wesentlichen
Punkte ist das Prinzip (man hat im Münchner Kulturzentrum Pasinger
Fabik begonnen; die Bezeichnung als „Münchens kleinstes
Opernhaus“ wird mit Stolz vorgewiesen). Das fängt beim
Orchester an, das solistisch besetzt ist und in der Regel mit einem
Streichquintett und circa vier Bläsern (plus eventuell ein
Cembalo) auskommt. Die Sänger sind jung, unverbraucht, kommen
von der Hochschule, dem Konservatorium oder der Bayerischen Theaterakademie.
Das macht Liebes- und Eifersuchtsszenen auf ganz natürliche
Weise verständlich. Wenn man sieht, mit welch jungen Sängerinnen
und Sängern Mozart zusammenarbeitete, dann versteht man (ein
50-jähriger Tamino, eine nur wenig jüngere Papagena, da
kann sich die Regie noch so biegen, es bleibt ein Rest von Lächerlichkeit).
Und jetzt kann man wirklich zu spielen beginnen. Die Statik, die
oft auf großen Bühnen herrscht, ist im Grunde eine Beleidigung
der Musik. Denn jeder Komponist, am intensivsten wohl Mozart, hat
jede Geste, jede Bewegung, jede Stimmungsverschiebung musikalisch
mitgedacht.
Das genaue Timing, auch wenn es den Begriff damals nicht gab, spielt
eine fundamentale Rolle. Die Oper als flexibles Gerüst zwischen
Geste, Wort und Musik rückt in alte Rechte. Freilich muss hier
auch die eigene Kreativität einsetzen und Dominik Wilgenbus,
der in vielen Produktionen der Kammeroper München für
Textfassung (intelligent und treffsicher) und Regie verantwortlich
zeichnete, versteht es immer wieder, ein Feuerwerk an Ideen, die
eng mit den Aktionen der Musiker korrelieren, zu zünden. Auf
einmal erscheint Oper entkrampft, schnell und quicklebendig und
wird in ihren Basisbedingungen neu verstanden. Inzwischen hat sich
eine große Fangemeinde entwickelt, bei der ein anderes, wohl
genaueres Opernbewusstsein existiert, als dies in den Stätten
der gehobenen Begegnung der Fall ist. Das tut gut, denn die Oper
stellt sich offensiv der Frage nach ihrer Berechtigung und gibt
triftige Antworten. Denn das „unmögliche Kunstwerk“
muss immer wieder durch aktive Tat auf allen, eng aufeinander abgestimmten
Ebenen seine Möglichkeit neu erringen. Nicht über Gags,
die sich blöde über die Sache erheben, sondern über
eine neue Form von liebender und achtender Hinwendung.
Die in der Regel begeisterten Kritiken liefern den Beweis. Man
erlebt nicht Oper auf einem ironischen Abstellgleis, sondern wird
unversehens ins Zentrum des Geschehens gerückt: genussvoll,
heiter, tief. Und die Qualität von musikalischer Darbietung,
Regie und vor allem gesanglicher Präsenz unterstreichen dies.
Gewiss: Eine zu ihren Wurzeln zurückkehrende Oper ist kein
Modell ihrer Rettung. Aber es ist das heute notwenige Regulativ
vor ihrer Erstarrung. Werke von Haydn, Mozart, Rossini, Donizetti,
Strauß, Smetana und anderen wurden bisher aufgeführt.
Jetzt gibt es im August (21., 22., 23., 27.) im Schloss Nymphenburg
Domenico Cimarosas „Die heimliche Ehe“. Wieder zeichnet
Dominik Wilgenbus für Text und Regie verantwortlich, Martin
Hannus ist der musikalische Leiter, das musikalische Arrangement
liegt in den bewährten Händen von Alexander Krampe. Mit
Vergnügens- und Erhellungsgarantie.