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nmz-archiv
nmz 2006/07 | Seite 14
55. Jahrgang | Jul./Aug.
Musikwirtschaft
Marketing und klassische Musik
Ein Roundtable von Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen und
Deutschem Musikrat
Marketing und klassische Musik: Was vor nicht allzu langer Zeit
noch verpönt war, ist mittlerweile salonfähig geworden.
Dass Marketing nichts per se Schlechtes (weil kommerziell Orientiertes)
sein muss, ist inzwischen bei den meisten Kulturschaffenden angekommen.
Da lag es nahe, dass sich die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen
in Kooperation mit dem Deutschen Musikrat in einem Round Table einen
Tag lang dieses Themas annahm, um sich am Folgetag mit der „Klassischen
Musik im Kinderfernsehen“ zu beschäftigen. Zwei Fragestellungen,
die (noch) mehr miteinander zu tun haben, als es auf den ersten
Blick aussehen mag.
Jüngstes Beispiel für ein erfolgreiches Klassik-Marketing:
Die Salzburger „Traviata“-Inszenierung sowie ihre anschließende
Vermarktung durch Fernsehen, DVD- und CD-Produktion. Jan Mojito,
Eigner der Firma Unitel, stellte das Erfolgsmodell vor, sprach aber
auch von den „unkalkulierbaren Risiken des Produzenten“.
Musiker sollten endlich einsehen, so Mojito, dass solche Produktionen
in erster Linie Marketing-Funktion hätten. Sprich: Sie sollen
auf ihre Rechte an den Produktionen in der bisherigen Form verzichten.
Im Falle des wirtschaftlichen Erfolgs könnten sie an den Erlösen
beteiligt werden. Ein Gedanke, der in Verwerter-Kreisen um sich
greift: Die Investition trägt nicht mehr der Produzent, der
Verlag, das Label – der einzelne Musiker geht ins Risiko.
Eine DVD-Produktion aller Salzburger Mozart-Opern im Sommer 2006?
Nicht finanzierbar, sagt Jan Mojito. Und auch der Produzent Bernhard
Fleischer, der dieses Projekt in Angriff nehmen will, sucht noch
nach einem Finanzier, der ihm die fehlenden 2,5 Millionen zur Verfügung
stellt.
Ob dies nicht sinnvolles Objekt öffentlicher Fördermittel
zum Zwecke der Anwendung im schulischen Musikunterricht sei, fragte
Moderator Bernt von zur Mühlen in die Runde. Nein, beschied
Rolf Bolwin, Geschäftsführer des deutschen Bühnenvereins.
Als Unterlage für den Musikunterricht ohne pädagogisches
Begleitmaterial komme die Produktion einer Opernaufführung
sicher nicht in Frage. Überhaupt hielt Bolwin die Fahne der
Kultur und der Kulturschaffenden hoch in einer Diskussion, die stark
von Fragen des wirtschaftlichen Erfolgs geprägt war.
Immerhin lautete das Thema „Klassische Musik und Marketing-Strategien“.
Da darf es auch um Geld und Gewinne gehen. Schade aber, dass der
Begriff des Marketings sich tatsächlich im Wesentlichen auf
das Ziel konzentrierte, klassische Musik im Sinne des kommerziellen
Erfolgs gewinnbringend zu verkaufen. Ist aber nicht, wenn wir von
Marketing in Zusammenhang mit klassischer Musik sprechen, auch die
Frage angebracht, wie wir durch erfolgreiches Marketing klassische
Musik (wieder) einem größeren und jüngeren Publikum
nahe bringen? Deutlich wurde der Unterschied in der Diskussion über
das Klassik-Radio. Einem rein kommerziell agierenden Unternehmen,
so das mehrheitsfähige Fazit, könne man nicht unbedingt
vorwerfen, dass es genau die Musik spiele, die die Hörer sich
wünschen. Quote bringt Werbeeinahmen – so die einfache
Formel. Bleibt die Frage, ob man wirklich „Klassik“
drauf schreiben soll, wo Klassik nicht drin ist. Bei der Präsentation
des Programmschemas durch Wolfgang Maennel vom Klassik Radio, erwies
sich manche Etikettierung zumindest als zweifelhaft.
Themen- und Szenenwechsel beim Vortrag von Martin Hufner, der über
„Klassische Musik im Internet“ sprach und den Tagungsteilnehmern
zunächst vor Augen führte, dass Webseiten von Musikverbänden
(die ja zum „Marketing“ im nicht-wirtschaftlichen Sinne
einiges beitragen könnten) durchaus noch Verbesserungspotenzial
in sich tragen. Bei der direkten Präsentation von Musik im
Netz, so Hufner, stelle die Rechte- und Lizenzierungsfrage nach
wie vor eine hohe Hemmschwelle dar. Vieles wird nicht realisiert,
weil es zuviel kostet.
Marketing und Strategie
Marketing als strategische Management-Aufgabe sei in vielen Orchester-
und Theaterbetrieben noch unterentwickelt – so Gerald Mertens,
Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung. Das
Potenzial der Neuen Medien sei noch lange nicht ausgeschöpft.
Eher werde von Einzelnen „Bauch-Marketing“ betrieben.
Louwrens Langevoort, Intendant der Kölner Philharmonie, ist
da anderer Meinung. Zuallererst gehe es doch ums Produkt, sprich
die künstlerische Qualität, und nicht um die Produkt-Werbung.
Im Grunde aber sind dies zwei Seiten der gleichen Medaille: Der
Begriff des Marketing umfasst durchaus nicht nur Werbung und Promotion,
sondern auch Fragen der Produktauswahl und -qualität.
Mit der klassischen Musik im Kinderfernsehen ist immerhin (fast)
alles in Ordnung – meinten jedenfalls Gottfried Langenstein
(ZDF), Lothar Mattner (WDR) sowie Peter Will, Erfolgsproduzent der
Kinderserie „Little Amadeus“. Und tatsächlich gibt
es – bei allen Wünschen, die noch offen sind –
gute Ansätze. Neben dem „Little Amadeus“, der inzwischen
die beachtliche Quote von 25 Prozent erreicht, ist das zum Beispiel
auch die „Opernmaus“ des WDR. Oder der „Ritter
Rost“, der – so Ralf Möllers, Geschäftsführer
des Terzio Verlags – allerdings auch noch einen Investors
sucht, damit er sich wie geplant regelmäßig im Fernsehen
präsentieren kann. Kinder, so Möllers, können noch
gar nicht zwischen „E“ und „U“ unterscheiden,
mehr noch: Es ist ihnen gleichgültig. Dies war auch Ergebnis
der Schlussdiskussion. Daneben stand die Erkenntnis: Fernsehen kann
zwar wichtiges Medium sein, um klassische Musik an das Kind zu bringen.
Ohne Live-Erlebnis aber, das Musik unmittelbar vermittelt, darf
man eine nachhaltige Wirkung nicht erwarten.
Wichtiges Ergebnis der Tagung war – neben der Information
– vor allem der Austausch. Wenn Medienmacher, Produzenten
und Verbandsvertreter an einem Tisch über Wünsche und
Ideen sprechen, sind die ersten Schritte schon getan.
Dies auch ist das große Verdienst der Landesmedienanstalt,
die eine Fortsetzung für das kommende Jahr versprach.