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nmz-archiv
nmz 2006/07 | Seite 42
55. Jahrgang | Jul./Aug.
Rezensionen-CD
Klangpoesie pur
Pierre Favre & Yang Jing: Two in One.
Yang Jing: Pipa, Pierre Favre: Drums Percussion, Intakt CD 114/2006.
Pierre Favre ist als Solokünstler bekannt, als Poet unter
den Schlagzeugern. Zur Steigerung des Solo-Konzeptes suchte Favre
schon in der Vergangenheit den Dialog mit anderen Musikern, wie
beispielsweise mit der Jazzpianistin Irène Schweizer oder
Michel Godard. Im Jahre 1999 lernte Favre Yang Jing auf einem Festival
in Peking kennen. Sie ist die eminenteste Virtuosin auf der Pipa,
einem chinesischen Saiteninstrument. Ihre Musik wurzelt in den chromatischen
Harmonien der Tang-Dynastie vor über tausend Jahren. Seit zwölf
Jahren ist Jing Solistin im chinesischen Nationalorchester, als
Instrumentalistin und Komponistin ist sie heute weltweit bekannt.
Die beiden Musiker, die sich immer wieder für Konzertreihen
treffen, haben nun gemeinsam ihre zweite CD mit dem Titel „Two
in One“ eingespielt. Erstaunlich ist die Wirkung, die das
Zusammenspiel von Schlagwerk und Pipa hier erzeugt, eine anhaltende
Spannung, die unerschöpflich scheint und die die volle Aufmerksamkeit
des Hörers fordert. Die Vielfältigkeit der Instrumente
zeigt sich in den unterschiedlichen Stimmungen, die sie erzeugen,
von meditativer Ruhe bis hin zur exstatischen Explosion, vom prasselnden
Regen, der in Raining Day zu hören ist, bis hin zu abstrakten
Klanggebilden. Die Künstler scheinen Wert auf klare Definitionen
zu legen, auch im Dialog kommt es nie zu einer Vermischung der Klänge.
Selbst im Pianissimo sind die Konturen scharf zu erkennen. Die Freiräume,
die sich Favre und Jing gegenseitig einräumen, um der beeindruckenden,
aber nie unangemessen zur Schau getragenen Virtuosität Platz
zu schaffen, scheinen großen Anteil an dem Gelingen dieses
Projektes gehabt zu haben.
Die Vertrautheit, die diese Musik trotz ihrer Ungewöhnlichkeit
suggeriert, lässt sich durch Anklänge an den authentischen
Blues erklären, ebenso durch die Art, in der Jing die Pipa
behandelt und ihr so den Gesang einer Flamenco-Gitarre zu entlocken
scheint. Zuweilen glaubt man, in den glasklaren Klängen ein
Glockenspiel zu erkennen. Favres Spiel zeichnet sich durch großes
Einfühlungsvermögen aus. Er nimmt die feinen Nuancen des
Pipa-Spiels auf und erkennt das Potential, welches im Dialog der
Instrumente liegt. Die Klanggewaltigkeit des Schlagzeugs tritt in
den Hintergrund, Favre zeigt, dass der Klang von Becken und Trommeln
auch melodische und harmonische Elemente in sich trägt.