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nmz-archiv
nmz 2006/07 | Seite 42
55. Jahrgang | Jul./Aug.
Rezensionen-CD
„Out To Lunch“
Otomo Yoshihide’s New Jazz Orchestra
doubt music dmf-108
Der Japaner Otomo Yoshihide ist hierzulande bekannt als Produzent
leiser Töne. Sein Instrument ist der Plattenspieler, dem er
Klänge entlockt, ohne jedoch Schallplatten aufzulegen. Otomo
Yoshihides musikalische Heimat liegt jedoch unter anderem im Free
Jazz und Rock, wie die Titel „Something Sweet, Something Tender“
und „Gazelloni“ von Eric Dolphy beweisen, dem Otomo
Yoshihide diese CD widmet. Deutlich zu erkennen ist in der Version
des Japaners der Anfang von „Sweet Something“. Aus dem
Thema entwickelt er einen Bläsersatz, indem die einzelnen Töne
durch Glissandi zu einem Klangstrom verfließen. Immer wieder
werden einzelne Töne mikrotonal verschoben intoniert, durch
Mikroglissandi auf einem Ton variiert, durch Ansatzrauschen getrübt.
Hinzu gesellen sich elektronische Klänge, die ein- und ausgeblendet
werden. Yoshihide interpretiert Dolphys Ballade als einen mäandernden
und sich in Biegungen windenden Klangstrom, der gemächlich
dahinfließt und dennoch nicht frei ist von kleinen Wirbeln
und Strudeln. Ganz anders hört sich der Titel „Gazzeloni“
an: „Gazelloni“, das sind freie Variationen über
ein 13-taktiges Flötenthema. Eric Dolphy hat es Severino Gazelloni
gewidmet, einem Virtuosen des klassischen und zeitgenössischen
Flötenspiels, den er überaus schätzte. Otomo Yoshihide
kleidet das Thema in ein Punk-Gewand – und stellt damit das
Image der braven Flöte ein wenig auf den Kopf. In seiner Hommage
an Eric Dolphy greift Otomo Yoshihide nicht nur dessen Themen auf.
Er spielt in seinen Bearbeitungen gekonnt mit Spielgesten, transformiert
Dolphys Originale und lässt sie gleichzeitig in aller Präsenz
durchscheinen.
Japanische Filmmusik
Otomo Yoshihide‘s New Jazz Orchestra: „Onjo“
doubt-music dmf-102
Auf seiner zweiten CD stellt er das Spiel mit japanischer Filmmusik
in den Mittelpunkt. Tuttischläge, gefolgt von stehenden Sinustönen,
dazu gesprochener Text, französisch. Ein lyrisches Saxophon
tritt hinzu, ein Bläsersatz deutet sich an. Es ist Jazz, aber
doch ein Jazz, den Musiker spielen, die auch in ganz anderen Sphären
zu Hause sind: Sie sind versiert im Spiel mit kleinstrukturierten
Kompositionen, in der Arbeit mit Klang und Geräusch. Auf seiner
CD „ONJO“ versucht Otomo Yoshihide mit seinem New Jazz
Orchestra seine Erfahrungen und ästhetischen Entwicklungen
des reduzierten, geräuschbetonten Spiels in den Jazz hineinzutragen.
So finden sich unter den 18 Musikerinnen und Musikern seines Orchesters
sowohl ausgewiesene Free Jazz Protagonisten als auch Protagonisten
der leisen Töne und elektronischen Klangbastler. Energetischer
Free Jazz paart sich mit rockigen Gitarrensounds, um mit leisen
Geräuschen oder aber versucht laszivem Chansongesang kontrastiert
zu werden. Es ist eine CD, die die spielerische Seite Otomo Yoshihides
zeigt. Keine umwerfende Klangkunst, sondern Musik, die mit einer
Portion Ironie die Erinnerung des Gitarristen an zahlreiche bekannte
Filme seiner Jugend widerspiegelt.