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nmz-archiv
nmz 2006/07 | Seite 45
55. Jahrgang | Jul./Aug.
Noten
Vom Schicksal der Kurtisane Thais und des Mönchs Athanaël
Roger Nichols arrangiert Jules Massenets „Meditation“
für Klavier
Jules Massenet: Méditation from Thaïs, arranged for
Piano Solo by Roger Nichols. Edition Peters, EP 7821.
Jules Massenet (1842–1912) gilt als bedeutendster französischer
Opernkomponist seiner Zeit. Seine zehnte vollendete Oper, „Thaïs“,
wurde am 16. März 1894 mit der amerikanischen Sopranistin Sibyl
Sanderson in der Rolle der Titelfigur in Paris uraufgeführt.
Das Libretto von Louis Gallet beruht auf dem gleichnamigen Roman
von Anatole France, 1889 zunächst als Fortsetzungsroman in
der „Revue des deux mondes“ erschienen und im folgenden
Jahr als Buch herausgegeben. Inhaltlich geht es um die Bekehrung
der Kurtisane Thaïs zum Christentum.Der Mönch Athanaël,
der sich Thaïs’ annimmt, durchlebt gleichzeitig eine
gegenteilige Wandlung: Er kann sich der körperlichen Schönheit
der Kurtisane nicht entziehen und sein Leben wird fortan von Begierde
und Lust bestimmt.
Die Méditation im zweiten Akt der Oper beschreibt den Anfang
der Bekehrung Thaïs, sie ist ursprünglich für Violine
und Orchester geschrieben worden. Im Gegensatz zum Gesamtwerk, das
zunächst keine positive Resonanz fand, wurde die Méditation
bei Violinisten sofort bekannt und beliebt.
Aufgrund des religiösen Bezuges wurde das Stück auch
von Organisten im Rahmen der Messe gespielt, entgegen des Verbots
durch Pius X., der Musik aus dem Opernhaus als für die Kirche
unangebracht empfand.
In der Edition Peters ist diese Méditation nun für
Klavier solo erschienen, arrangiert von Roger Nichols. Die in gleichmäßigen
Achteln notierte Begleitung unterstreicht einfühlsam die Melodie
der rechten Hand, in der die Violine stets hörbar bleibt. Dadurch,
dass die Spielanweisungen des Originals Beachtung finden, wird der
religiös-meditative Charakter des Stückes erhalten.
Das Streben zum leidenschaftlichen Höhepunkt, in dem sich
der innere Konflikt, den die Bekehrung Thaïs’ zum Christentum
und die gleichzeitige Wandlung des Mönches mit sich bringen,
spiegelt, sowie das anschließende Verhallen der Zweifel im
zunehmend ruhiger werdenden Ausklang verleihen der Méditation
Geschlossenheit und einen friedlichen Gestus.
Roger Nichols notiert im Anhang die Veränderungen betreffend
Pedalgebrauch, Dynamik und Tempo, so dass dem Spieler die Bezüge
zum Original erhalten bleiben. Mittlerer Schwierigkeitsgrad.