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VdM
nmz-archiv
nmz 2006/07 | Seite 26
55. Jahrgang | Jul./Aug.
Verband deutscher Musikschulen
Outsourcing an Musikschulen
Zur Umwandlung angestellter Lehrkräfte in freie Mitarbeiter
durch betriebsbedingte Kündigung
Aus Gründen der Kostenersparnis und zur Flexibilisierung
des Lehrkräfteeinsatzes nach der jeweiligen Schülerzahlentwicklung
ist seit Jahren die Führung einer Musikschule ausschließlich
oder doch mit einem zunehmenden Anteil von freien Mitarbeitern in
der Diskussion. Die Umsetzung dieses Konzeptes in jüngster
Zeit durch die Musikschule Trossingen und die daraus folgenden Arbeitsgerichtsverfahren
geben Anlass, die arbeitsrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen
dieses so genannten Outsourcing aufzuzeigen.
Zum Sachverhalt: Der Trägerverein der Musikschule Trossingen
hat im Frühjahr 2005 alle Arbeitsverhältnisse der Lehrkräfte,
auch soweit sie teilweise nach BAT unkündbar waren, gekündigt
und für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist eine
Weiterbeschäftigung als freie Mitarbeiter befristet auf sechs
Monate mit Vergütungen nach einem Baukastensystem auf der Grundlage
des erteilten Unterrichts und der sonstigen Leistungen angeboten,
nach dem inzwischen so genannten „Trossinger Modell“.
Soweit die betroffenen Lehrkräfte Kündigungsschutzklage
erhoben haben, wurde in den Arbeitsgerichtsverfahren vor dem Arbeitsgericht
Freiburg, Kammern Villingen-Schwenningen und dem Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg die Rechtmäßigkeit der Kündigung
und damit die Möglichkeit einer solchen Umwandlung des Rechtsstatus
der Lehrkräfte durch arbeitgeberseitige Kündigung geprüft
mit folgendem Ergebnis:
Das Arbeitsgericht hat in der I. Instanz die Kündigung durch
klageabweisendes Urteil bestätigt, gestützt auf eine Entscheidung
des Bundesarbeitsgerichts vom 09.05.1996 zum Outsourcing der Vertriebsorganisation
der „Weight Watchers“ und auf eine Entscheidung des
Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 22.11.1999 zum
einschlägigen Fall des „Outsourcing“ an einer Musikschule
betreffend einen nach BAT unkündbaren Musikschullehrer. Diese
Urteile beruhen auf dem Grundsatz der freien Unternehmerentscheidung
insbesondere zur Organisation „des Betriebes“.
In der II. Instanz der Trossinger Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg, die durch Vergleiche beendet wurden, haben
sich demgegenüber aber entsprechend dem Sachvortrag der Klage
und Berufungsbegründung erhebliche und deutliche Fragezeichen
zum „Outsourcing“ an Musikschulen ergeben unter folgenden
rechtlichen Gesichtspunkten:
Im Fall des nach BAT unkündbaren Klägers wurde unter Berufung
auf eine Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.6.2002,
wonach eine betriebsbedingte Kündigung nur in Ausnahmefällen
und nur dann zulässig ist, wenn absolut keine Beschäftigung
möglich ist und das Arbeitsverhältnis deshalb sinnentleert
wird, die streitbefangene Kündigung als äußerst
zweifelhaft angesehen, weil die Musikschule ja nicht geschlossen
wird und der Arbeitsplatz weiter bestehen bleibt.
Als weiteres Argument gegen die Wirksamkeit der Kündigung
auch unabhängig von der Frage der Unkündbarkeit wurde
geprüft, ob die „Weight Watcher“-Entscheidung
des Bundesarbeitsgerichts von 1996 noch ohne weiteres die Umwandlung
von Arbeitsverhältnissen freier Mitarbeiter durch betriebsbedingte
Kündigung rechtfertigen könne, nachdem das Bundesarbeitsgericht
in einer Grundsatzentscheidung vom 26.9.2002 entschieden hat, dass
aus der Berufsfreiheit des Art. 12 GG nicht nur die unternehmerische
Freiheit folge, sondern auch ein Mindestbestandsschutz für
den Arbeitnehmer, der auf das Kündigungsschutzrecht ausstrahlt.
In dem zitierten Urteil ist das Bundesarbeitsgericht zu dem Ergebnis
gekommen, dass die Verlagerung von Arbeitsplätzen auf eine
eingegliederte Tochtergesellschaft nicht die betriebsbedingte Kündigung
der Belegschaft rechtfertigt im Sinne von § 1 KSchG. Es erscheint
deshalb fraglich, ob die bloße Statusänderung der Lehrkräfte
an Musikschulen, die im Übrigen mit den bisherigen Arbeitsplätzen,
das heißt Beschäftigungsmöglichkeiten weitergeführt
werden soll, eine betriebsbedingte Kündigung im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes
begründen kann.
Ein weiterer Einwand gegen die betriebsbedingte Kündigung
zum Zwecke der Statusänderung war unter dem Gesichtspunkt der
Scheinselbständigkeit zu prüfen, der sich im Einzelfall
daraus ergeben kann, dass zwar formal freie Mitarbeiterverträge
abgeschlossen werden, aber tatsächlich – und darauf kommt
es grundsätzlich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
entscheidend an – doch bei der Durchführung der Tätigkeit
die Kriterien für Arbeitsverhältnisse, insbesondere Weisungsgebundenheit
und Eingliederung in die Organisation der Musikschule weiter gegeben
sind. Für diesen Fall würde in Wahrheit Scheinselbständigkeit
entstehen und die betriebsbedingte Kündigung unzulässig
und unbegründet sein.
Zusammenfassend lässt sich deshalb als Ergebnis der arbeitsrechtlichen
Überprüfung des „Outsourcing“ an der Trossinger
Musikschule feststellen, dass der Statuswechsel von der angestellten
Lehrkraft zum freien Mitarbeiter keineswegs arbeitsrechtlich unbedenklich
und ohne weiteres möglich ist, im Gegenteil zu erheblichen
Risiken im Arbeitsgerichtsprozess führen kann und zu hohen
Abfindungen als Grundlage für eine vergleichsweise Beendigung
der Kündigungsschutzverfahren.
Wolf Steinweg
Der Autor ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in
Bonn und Syndikus des Verbandes deutscher Musikschulen.