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nmz-archiv
nmz 2006/09 | Seite 35
55. Jahrgang | September
Bayerischer Kulturrat
Museum Moderner Kunst Passau
Das Museum Moderner Kunst in Passau präsentiert zurzeit zwei
Ausstellungen, in deren Mittelpunkt Yves Klein („Der Sprung
ins Leere. Pretiosen des Nouveau Réalisme“; bis 24.
September 2006) und Jürgen Klauke („Desaströses
Ich“; bis 15. Oktober 2006) stehen.
Yves Klein (1928–1962) erglühte wie ein Meteor am Kunsthimmel
des zwanzigsten Jahrhunderts: kurz und heftig. Er gehört zu
den wahrhaft großen Anregern in der Kunst der Moderne. Im
Jahre 1947, im Alter von 19 Jahren, signierte er den Himmel über
Nizza, seiner Geburtsstadt. Die symbolische Geste war ein Appropriationsakt,
der alles hinter sich ließ, was es an Aneignungen in der Kunst
seit Duchamp gegeben hatte.
Mit der Signatur des Himmels lud Klein zu einer Ideenreise ein
und wurde zum wichtigsten Wegbereiter der Konzeptkünstler der
60er- und 70er-Jahre. Am 27. November 1960 unternahm Yves Klein
seinen berühmten Sprung in die Leere. Da er die Aktion durch
die nur für diesen Tag von ihm herausgegebene Zeitung „Dimanche“
dokumentieren ließ, wurde er so auch zur Gründerfigur
späterer Mail- und Press-Art-Initiativen. Und natürlich
steht Kleins legendärer Sprung als wohl spektakulärste
Tat in einer Reihe anderer Handlungen, bei denen er seine Leinwände
mit Feuer attackierte oder lebende Modelle als Malpinsel benutzte
und dabei einmal sogar ein Orchester dirigierte, das eine von ihm
komponierte Partitur spielte.
Auch mit solchen Aktionen wurde er zum Anreger. Klein, der als
Judomeister wie ein Künstler kämpfte, kämpfte in
der Kunst wie ein Champion. Restany war ihm dabei als theoretischer
Kopf stets ein treuer Gefährte. Von ihm stammt auch der Begriff
der „nouveaux réalistes“, unter dem sich Klein
und seine Freunde zur Künstlergruppe sammelten. Die meisten
der in der Ausstellung präsentierten Künstler gehören
zu ihren Gründungsmitgliedern, allen voran Arman, ein enger
Freund aus Nizza, der einst die legendäre Ausstellung Kleins
„Le Vide“ bei Iris Clert mit der Schau „Le Plein“
konterte. Wo Klein die Pariser Galerie restlos ausgeräumt und
in ein immaterielles, meditatives Weiß getaucht hatte, räumte
Arman sie bis unter die Decke voll mit dem bric-à-brac unseres
Alltags und verwandelte sie so in ein beängstigendes, konsumistisches
Menetekel. Mit ähnlichen Materialien hat er auch ein –
ebenfalls in der Ausstellung zu besichtigendes – Porträt
des Düsseldorfer Galeristen Alfred Schmela geschaffen, bei
dem Yves Klein einst seine erste Ausstellung in Deutschland hatte.
Speziell für das Museum Moderner Kunst Passau – Stiftung
Wörlen wurde eine Einzelausstellung des Fotokünstlers
und Performers Jürgen Klauke (geb. 1943) konzipiert. Jürgen
Klaukes großer künstlerischer Verdienst ist die Thematisierung
der Repräsentationskrise, die er bereits in den frühen
70er-Jahren – noch vor dem internationalen Höhepunkt
der Geschlechterdebatte – in den Bereich des Körpers
überführte. Klauke analysiert in seinen Fotografien, Videoarbeiten
und Performances die sozialen Konstruktionen und Konventionen von
Geschlechterrollen und dekonstruiert durch theatralische Inszenierungen
deren sexuelle Typologien mit ihren Auswirkungen (z.B. Umschreibungen)
auf Identität und Subjekt.
Er propagiert in seiner Arbeit das Modell der multiplen Subjekte
und variablen, zweideutigen Identitäten und kritisiert die
eindimensionale Darstellung von Ich-Positionen. Gerade in Zeiten
massenmedialer Bilderfluten ist diese künstlerische Haltung
mit all ihren psychoanalytischen und kulturkritischen Implikationen
aktueller denn je und kann als wichtiger Beitrag der Selbst- und
Fremdwahrnehmung am Beginn des 21. Jahrhunderts verstanden werden.