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nmz-archiv
nmz 2006/09 | Seite 32
55. Jahrgang | September
BDMV
Fakten zur Ganztagsschule
Qualitätsstandards der musikalischen Bildung einhalten
Das Thema Ganztagsschulen wirft auch hinsichtlich der musikalischen
Bildung viele Fragen auf. In der Ausgabe 2/2006 der Verbandszeitschrift
BDMVinfo hat Wolfgang Rößler diesbezüglich Fakten,
Stellungnahmen und Aktivitäten zusammengestellt (siehe auch
www.bdmv-online.de), die wir hier in Auszügen präsentieren.
Einen Teil der Ganztagsbetreuung bilden die Ganztagsschulen. Die
gesellschaftlichen Veränderungen der Arbeitswelt mit der deutlich
zunehmenden Erwerbstätigkeit von Frauen, die Familie und Beruf,
Erwerbstätigkeit und Kindererziehung miteinander verbinden
wollen, hat in diesem Jahrzehnt zu einer neuen Bewertung der über
den Unterricht hinausgehenden Angebote durch die Schule oder durch
öffentliche und freie Träger der Jugendhilfe geführt.
In den einzelnen Ländern sind unterschiedliche Modelle in der
Diskussion beziehungsweise zum Teil schon verwirklicht. Es sind
dies im Primarbereich Angebote der „vollen Halbtagsschule“
mit festen Schulöffnungs- und Betreuungszeiten, im Sekundarbereich
I vor allem Ganztagsschulen oder erweiterte Halbtagsschulen.
Ländervergleich und Bundesmittel
Die Bildungspolitik in Deutschland liegt in der Hoheit und Verantwortung
der 16 Bundesländer. Die Bundesregierung kann dazu Anregungen
geben, Anreize schaffen sowie Impulse setzen. Dies hat sie mit dem
Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“
(IZBB) getan: Insgesamt vier Milliarden Euro fließen bis 2007
für den Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen in die Länder.
Damit hat sie eine bundesweite Bildungsreform in Gang gesetzt, die
nachhaltig strukturelle Veränderungen in die Schullandschaft
gebracht hat und bringen wird. Bis Ende 2005 wurden bundesweit rund
4.900 Ganztagsschulen durch das IZBB gefördert beziehungsweise
zur Förderung vorgesehen. Jedes Bundesland setzt das Investitionsprogramm
auf der Grundlage eigener Richtlinien und Konzepte um. Der Ländervergleich
zeigt, wie unterschiedlich sich der Ganztagsschulausbau in den einzelnen
Ländern gestaltet. Im Hinblick auf die Ganztagsschulform ist
keine einheitliche Präferenz der Länder zu erkennen. Bundesweit
stellt die offene Ganztagsschule derzeitig jedoch die dominante
Organisationsform dar.
Bleibt die Talentförderung auf der Strecke?
Die Bundesfachgruppe Musikpädagogik e.V. (BFG) hat sich vom
4. bis 6. November 2005 in Soest auf einer Tagung „Musikpädagogik
und Ganztagsschule“ den damit verbundenen Fragen gewidmet.
Dazu ein Auszug aus Wolfhagen Sobireys Fachvortrag: „Durch
die Entwicklung zur Ganztagsschule gibt es immer mehr Nachmittagsunterricht.
Auch die Verkürzung des Gymnasiums (G8) von neun auf acht Jahre
führt dazu, dass sich die Schüler in den verbleibenden
acht Jahren jetzt wöchentlich länger in der Schule aufhalten
müssen als früher. Da bleibt deutlich weniger Zeit für
außerschulische Aktivitäten, auch weniger Zeit für
den Instrumentalunterricht.“
Auch die Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände e.V. (BDMV),
der Dachverband von 18.000 Orchestern mit 1,3 Millionen Mitgliedern,
hat am 6. Oktober 2004 den Kultusministern der Länder geschrieben,
dass der BDMV dringenden Handlungsbedarf in Sachen Ganztagsschulen
sehe. Bei einer flächendeckenden Einführung der Ganztagsschule
sei besonders die Nachwuchsarbeit in den Orchestern gefährdet.
In der neuen Ganztagsschule könnte es durch die erweiterten
Zeiträume mehr Musik, also mehr musikalische Breitenbildung
geben als in der bisherigen Schule. Das ist sehr positiv. Die Ganztagsschule
hat Zeitfenster für zusätzliche Aktivitäten. Die
Ganztagsschule stellt sich die Mitwirkung der Musikschule und der
Privatlehrer aber in der Regel als Gruppenunterricht vor, mit Gruppen
zu 12 bis 15 oder mehr Schülern. Doch braucht die individuelle
Ausbildung den Einzelunterricht und Einzelförderung. Diese
muss während des Schulalltags und räumlich im Gebäude
der allgemein bildenden Schule stattfinden beziehungsweise die entsprechenden
Schülerinnen und Schüler müssen das Schulgebäude
vor 16 Uhr verlassen können, um einen anderen Ort aufzusuchen,
weil dort die Musikschule beziehungsweise ein Privatlehrer unterrichtet,
und dieser Unterricht wird ihnen als Ganztagsbesuch angerechnet.
Ganztagsschulen: Zeit für mehr musikalische Bildung?
Die Hoffnung, dass Ganztagsschulen die Chance auf einen besseren
Zugang zu musikalischer Bildung für alle eröffnen, kann
nur erfüllt werden, wenn die schulischen Rahmenbedingungen
stimmen (das betrifft auch die Finanzierung) und Musikpädagogen
im Studium und in Fortbildungsveranstaltungen auf die veränderten
Anforderungen musikalischer Praxis in Ganztagsschulen vorbereitet
werden. Dass musikalische Bildung in der Ganztagsschule zu einem
veränderten Verständnis von Schulmusik führt, wurde
bei der bereits oben erwähnten BFG-Tagung „Musikpädagogik
und Ganztagsschule“ in der Arbeitsgruppe von Hans Jünger
(Universität Hamburg) deutlich, die sich Formen des verstärkten
Musikunterrichts widmete. In den Diskussionen herrschte Einigkeit,
dass Ganztagsschule nicht die bloß zeitliche Ausdehnung schlechten
Unterrichts bedeuten darf. Außerdem muss darauf geachtet werden,
dass durch Ganztagsschulen nicht bislang bestehende Lernmöglichkeiten
unnötig reduziert werden, indem beispielsweise der nachmittägliche
Instrumentalunterricht (auch Einzelunterricht) an Musikschulen behindert
wird. Stattdessen sollte nach Wegen gesucht werden, Vor- und Nachmittagsangebote
zu verknüpfen, selbständige Arbeitsformen wie Musik-Projekte
zu initiieren und die Musikschularbeit einzubinden. Eine echte Chance
besteht in der Stärkung musikpraktischer Anteile, die in Schulen
bislang immer noch zu kurz kommen und nur einen Teil der Schülerinnen
und Schüler erreichen. Barbara Stiller, die an der Hochschule
für Künste Bremen unter anderem für Elementare Musikpädagogik
(EMP) zuständig ist, machte in spannenden Projektberichten
deutlich, wie die Kooperation mit Vertretern des Musiklebens gestaltet
werden kann. Die sorgfältig vorbereitete und methodisch durchdachte
Projektwoche, in der Mitglieder eines Orchesters an einer Grundschule
„gastierten“ und die Schüler anschließend
die Musiker bei ihrer Arbeit besuchten, zeigte, wie beide Seiten
von den Erfahrungen profitieren. Ausführliche Berichte und
Materialien zur Tagung unter: www.bfg-musikpaedagogik.de
(Quelle: alla breve, Nr. 1 2006, Magazin der Hochschule für
Musik Saar)
Serviceagenturen
Gemeinsam mit fast allen Bundesländern hat die Deutsche Kinder-
und Jugendstiftung regionale Serviceagenturen eingerichtet, die
Ansprechpartner für Schulen und Schnittstellen zum Programmangebot
sind. Aktiv tragen sie an Schulen Vernetzungs-, Informations- und
Qualifizierungsangebote heran. Mehr Informationen unter: http://www.ganztaegig-lernen.org/www/web307.aspx