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Ausgabe 2006/09
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nmz 2006/09 | Seite 15-16
55. Jahrgang | September
Forum Musikpädagogik

Aktives Musizieren, handelndes Kennenlernen

Klassenmusizieren mit Gitarren als Kooperationsmodell für Schule und Musikschule

Verstärkt werden in der letzten Zeit im Zusammenhang mit der Ganztagsschule und der verlässlichen allgemein bildenden Schule Kooperationsmöglichkeiten mit Musikschulen gesucht. Der Wandel der Bildungsstrukturen sowie die Konsequenzen der finanziellen Krise der Kommunen für die Musikschulen machen eine Kooperation beider Partner notwendiger denn je. In einem der vielen Diskussionsstränge fiel der Blick auf den Klassenunterricht, wie er in vielen Ländern seit vielen Jahrzehnten umgesetzt wird. Konzepte für das Klassenmusizieren mit Streichern, Bläsern, Percussion und Chören gibt es schon länger, jedoch nicht für die Gitarre, obwohl sie als eines der beliebtesten Instrumente von Kindern und Jugendlichen gilt.

Kooperation mit Grundschulen

Im Zuge des Ausbaus von verlässlichen Grundschulen im Einzugsgebiet der Musikschule Mosbach gab es im Jahre 2003 erste Nachfragen zum Unterrichtsangebot im Fach Gitarre. Dies umfasste sowohl freiwillige AG-Angebote aus einer Klasse, als auch klassenübergreifende AGs für die ganze Schule. An der Grundschule in Binau (Einzugsgebiet der Musikschule) nutzen aktuell 13 begeisterte Kinder zwischen der 2. und 4. Klasse dieses Angebot, die in dieser Breite normalerweise keinen Kontakt zur Gitarre gefunden hätten.

Kooperation mit dem Gymnasium

Eine parallele Entwicklung fand an einem der beiden Gymnasien statt. Hier wurde im Zuge des offenen Ganztagsbetriebs erfolgreich eine AG Akkordbegleitung mit Hits der aktuellen Charts für Schüler der Klassen 5 bis 7 angeboten.

Klassenunterricht am Berufskolleg Sozialpädagogik

Seit 2003 müssen alle angehenden Erzieherinnen per Bildungsplan das Fach Gitarre erlernen. Konkret werden das Akkordspiel und leichtes Melodiespiel in den Mittelpunkt des Unterrichts des Berufskollegs Augusta Bender Schule in Mosbach gestellt.

Zentrum für Fortbildungvor Ort

Erleichtert werden diese Kooperationen durch eine regelmäßige Kontaktpflege. Je mehr eine Musikschule im örtlichen Kulturleben vernetzt ist, desto besser kann sie ihre Aufgaben erfüllen und ihre Existenz sichern in der Zusammenarbeit mit ihren Partnern in Schulen, Kindergärten und Vereinen. Dabei kommt Erzieherinnen und Lehrern als „Meinungsmachern“ – pro oder contra Musikschule – eine zentrale Rolle zu. Alle Schulen und Kindergärten werden zweimal jährlich zu Projekten der Musikschule eingeladen mit dem Hinweis, dass die Musikschule ihren musikalischen Bildungsauftrag nicht in einem isolierten Musikunterricht, sondern in der Zusammenarbeit mit anderen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen erfolgreicher erfüllen kann. Dies sind unter anderem Fortbildungen zur Akkordbegleitung mit der Gitarre in Großgruppen oder Klassen mit neuem Liedmaterial insbesondere für den Fremdsprachenunterricht, Kurzkurse zu Themen wie Feste Feiern und Einladungen zu Kinderkonzerten. Die Angebote sind durch den Projektcharakter niedrigschwellig und werden von der Zielgruppe entsprechend gut angenommen. Beide Seiten profitieren von diesen Projekten: Erzieherinnen und Lehrer für ihre persönliche Arbeit und die Musikschule für ihre Stellung im örtlichen Kulturleben. Nicht zuletzt gewinnt die Musikschule an Profil, da andere Institutionen von der fachlichen Potenz und Aktualität der Musikschule profitieren. Dies ist von privaten Anbietern nicht zu leisten.

Klassenmusizieren

Klassenmusizieren ist das instrumentale Musizieren im Klassenverband, gleichzeitig handelnde Auseinandersetzung mit dem Lernstoff Musik. Der von der Lernpsychologie als notwendig erkannte Zusammenhang zwischen Handeln, Erleben und Denken wird durch gemeinsames Musizieren hergestellt. Das Klassenmusizieren kann im Rahmen des entsprechenden Lernfeldes (Schulfach) oder in den Unterricht ergänzenden Veranstaltungen (altershomogene oder jahrgangsübergreifende Arbeitsgemeinschaften) oder im Rahmen der Instrumentalausbildung außerschulischer Träger stattfinden.

Klassenmusizieren steht als praxisnahe Methode musikalischen Lernens auf der Prioritätenliste von Kindern und Jugendlichen obenan: Musik nicht nur zu hören und zu analysieren, ihre Entstehung und ihre Struktur nicht nur zu reflektieren, sondern sie klingend zu begreifen und zu formen, wie umgekehrt von ihr ergriffen und geformt zu werden.

„Klasse(n) Musik mit Gitarren“ für die Grundschule

Bei den Überlegungen und während der praktischen Erprobung wurde immer deutlicher, dass der Blickwinkel auf das Unterrichtsgeschehen im Klassenverband sich ändern muss, um das Projekt erfolgreich umsetzen zu können. Im Klassenverband müssen instrumentalspezifische Feinheiten zurücktreten. Dafür müssen mehr Stärken des Klassenunterrichts in den Fokus genommen werden. Gleichzeitig muss deutlich gemacht werden, dass der Klassenunterrichtsansatz keine Alternative zum Instrumentalunterricht ist, sondern ein zeitlich begrenztes, den Unterricht vorbereitendes Angebot zum Kennenlernen der Gitarre darstellt, in dem aktiv musiziert wird.

Auf der Suche nach der richtigen Methode rückte sehr schnell das Fach Elementare Musikpädagogik in den Fokus. Hier findet sich die Methodenvielfalt, wie Lernen in der Klasse oder Großgruppe stattfindet. Daneben ist es wichtig, die Auswahl der instrumentalspezifischen Lernziele zu beschränken und sie so umzusetzen, dass die klassische Gitarrenmethodik nicht gestört wird.

Somit wurden für die „Klasse(n) Musik“ Spielideen und Methoden der Elementaren Musikpädagogik (EMP) auf die Gitarre für Kinder im Grundschulalter ohne Vorkenntnisse übertragen. Freude an der Musik und gemeinsames Erleben stehen im Vordergrund dieses auf ein Jahr ausgelegten Lehrgangs, der dabei grundlegende Spieltechniken der Gitarre ebenso wie eine musiktheoretische Basis vermittelt.

Zur Elementaren Musikpädagogik (EMP) zählen die traditionell im Strukturplan des VDM als „Grundfächer“ bezeichneten Unterrichtsangebote Musikalische Früherziehung (MFE) und Musikalische Grundausbildung (MAG). EMP wendet sich nach Juliane Ribke an Menschen aller Alterstufen und definiert sich – ebenso wie die Rhythmik oder alle instrumentalen und vokalen Schwerpunkte – als eigenständiges Fach mit einem wissenschaftlichen Hintergrund, eigenen künstlerischen Darstellungsweisen sowie methodisch-didaktischer Konzeption. EMP wird somit als ein Prinzip verstanden, dass es jedem Menschen, unabhängig von Alters- und Könnensstufen, ermöglichen soll, sich musikalisch zu äußern, sein musikalisches Potenzial wachzurufen, zu entwickeln und auszuformen.

So bestehen die ersten Schritte der „Klasse(n) Musik“ darin, experimentierend, improvisierend und gestaltend mit Grundphänomenen der Musik (z.B. Klängen, Klangverläufen, Parametern, Motiven, Rhythmen und Spielregeln) umzugehen. Das instrumentale Musizieren wird durch Einbeziehung von Gesang, Bewegung und Bodypercussion erweitert, die Äußerungsebenen (Körper, Stimme, Instrument, Materialien) sind vielfältig, durchlässig und auf einer nach oben offenen Skala differenzierbar. Dabei ist das musizierende Kind stets mit der Gesamtheit seiner psychomotorischen, sozialen, emotionalen und intellektuellen Kräfte gefordert.

Prinzipien der Elementaren Musikpädagogik durchweben die „Klasse(n) Musik“ auf mindestens drei Ebenen:

  • auf der Ebene der Musik, indem Klang eine Struktur erhält, das Erspielen zu einer Gestaltung führt (wechselnde Spielleiter – Dirigenten erspielen mit Gruppen der Klasse mit Hilfe von Symbolkärtchen Klänge der Gitarre)
    auf der Ebene der Darstellungsmittel, die entweder in der Einheit von Körperbewegung, Stimme und Instrumentalspiel bestehen oder einen der Bereiche in seiner Vielfalt musikalisch ausloten (Bodypercussion, Rhythmussprache, Gesang und Gitarrenbegleitung)
  • auf der Ebene des musizierenden Menschen, der grundlegende Verhaltensweisen psychosozialer, motorischer, emotionaler und kognitiver Art zur Steuerung klangästhetischer Prozesse einsetzt

Somit wird für die Gitarrenklasse (8 bis 15 Teilnehmer/-innen) das Ensemblemusizieren keine Ergänzung zum instrumentalen Einzel- oder Kleingruppenunterricht, sondern ist dem Unterricht unmittelbar und von Anfang an inhärent. Alle musikalischen Darstellungsmittel werden immer in der Gruppe erprobt und erlernt. Jeder Spieler nimmt eine bestimmt Rolle in der Struktur des musikalischen Miteinanders ein. Die häufig selbst gewählte musikalische Rolle kann im Spielverlauf wechseln, die selbständige Ausfüllung ist erwünscht.

Die Rolle der Lehrkraft wechselt zwischen dem Anleiter, dem Koordinator und dem aktiven Mitspieler. Es muss eine anregende Unterrichtssituation entstehen, in der ideenreich, kommunikativ und angstfrei gehandelt werden darf. Die interaktiven Prozesse in der Gruppe beinhalten: Führen – Sich führen lassen, Hervortreten – Sich eingliedern, Abwarten – Sich einreihen. Dabei werden immer wieder alle Erfahrungsebenen wie Sensibilisierung (Hinhören, Fühlen, Sorgsam umgehen), Exploration (Klangmöglichkeiten experimentell entdecken), Improvisation, Gestaltung und Reproduktion berührt.

Nach dem Entdecken der Klangmöglichkeiten und vielfältigen Spielvarianten mit ihnen werden zunächst pfiffige Kinderlieder (zeitgemäß arrangiert und auf der CD modern produziert) mit leeren Saiten begleitet, anschließend abwechslungsreiche Ensemblestücke (auch mit ersten gegriffenen Akkorden) entwickelt. Ergänzt mit zahlreichen Spielideen zu Improvisation, Gitarrenpercussion, Powerchords und Arrangementvorschlägen bietet das Konzept eine Fundgrube für das Musizieren von Kindern ohne musikalische Vorbildung. Dabei führt das Musikerleben in der Gemeinschaft zu einer Stärkung des Selbstwertgefühls und schafft gleichzeitig die Grundlage zum weiteren Erlernen des Gitarrenspiels oder eines anderen Instrumentes. Mit der verwendeten CD ergeben sich zahlreiche Übevarianten und Hausaufgabenvorschläge. „Klasse(n) Musik“ ist ein Projekt aus der Praxis für die Praxis. Wer am Ende des Jahres merkt, dass die Gitarre doch nicht sein Instrument ist, und ein anderes spielen möchte, der hat musikalische Grundkenntnisse von Noten, Metrum und Rhythmus und Zusammenspiel erworben, die er überall gebrauchen kann.

Auch wenn die Motivation für das Instrument der Gitarrenklassenschüler nicht so eindeutig ausgeprägt ist wie die der Instrumentalschüler, sind die Binauer Kinder mit sehr viel Engagement und Freude dabei.

Die Ideen der Methode

  • Alle allgemein musikalischen und instrumentalspezifischen Lernschritte werden zunächst ganzkörperlich eingeführt.
  • Komplexe, feinmotorische Bewegungen werden durch die Differenzierung und Reduktion der Lern schritte so gestaltet, dass sich die Kinder immer nur auf eine Aktion konzentrieren, die jeweils mit einer musikalischen Aktion verbunden wird.
  • Der Fokus der Konzentration wird auf den Bewegungsprozess einer Hand gerichtet.
  • Ein sich eventuell anschließender Instrumentalunterricht darf nicht erschwert werden, er wird nur vorbereitet. Alle Inhalte sind so zu wählen, dass es später nicht zu „leidigen Umlernprozessen“ kommt.
  • Zentral sind gruppendynamische Lernprozesse, Spiele und Improvisationen um die Kraft der Klasse zu nutzen. Bewusst werden Methoden wie das Imitationslernen, in Amerikas Worksong-Tradition mit „Vor- und Nachsänger“ oder den Lerntraditionen der Urvölker, genutzt.
  • Inhalte der Allgemeinen Musiklehre: Klangmöglichkeiten der Gitarre, eine Gitarre entsteht durch Handarbeit, Klänge im gleichen Grundschlag, Klänge zum Gehen, Laufen und Schreiten, Klänge mit Rhythmen, Gitarrenpercussion, Schlagzeug mit Gitarren, Tonlängen und Notenwerte, Taktarten, Tonhöhen
  • Gitarrenspezifische Inhalte beschränken sich auf: Umgang mit leeren Saiten, Daumenanschlag, Melodien, Begleitungen und Improvisation, Umgang mit aufgesetzten Tönen, Akkordanschlag der rechten Hand, Powerchords, Akkorde Em7, Em, E, E7, Am9, Am, A und Flageoletts zu gesungenen Liedern, Playback und Arrangements.
  • Regelmäßige und abwechslungsreiche Hausaufgabenvorschläge ermöglichen dem Schüler gezieltes Wiederholen.
  • Inhaltlich wird Bezug genommen auf die Bildungspläne der allgemein bildenden Schulen.

Ausblick auf das 2. Jahr

Fortsetzung des Akkordspiels, erstes Melodiespiel mit aufgesetzten Tönen und leichten Motiven, individueller Instrumentalunterricht als Gruppen und Einzelunterricht für Interessierte.

Michael Diedrich

 

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