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nmz-archiv
nmz 2006/09 | Seite 5
55. Jahrgang | September
Magazin
Für eine halbe Hand voll Dollar
Heather Greene überzeugt New York und letztendlich sich
selbst
Heather Greene weilt gerade in Schottland und dreht zunächst
den Spieß um. Wie geht es dir? Warst du schon in Schottland?
Findest du es besser als in England? Für wen und was schreibst
du? Wo bist du gerade? Viele Antworten, die vor den ersten Fragen
geklärt werden. Aber Heather Greene hat eben Interesse. An
allem und vielen. Sie ist eine wissbegierige und spannende Gesprächspartnerin.
Schweift ab. Kennt die Realität und weiß aber auch noch
Träume zu haben. Besser: Haben zu dürfen.
Denkt
schon ans zweite Album: Heather Greene. Foto: BHM Productions
Dieser Schwellenwert scheint ihr das Debutalbum „Five Dollar
Dress“ ermöglicht zu haben. Songwritermusik. Aus New
York. Dort hat sie sich durchgesetzt. Nicht aber mit der bloßen
Klampfe und Stimme. Ihre Songs schwelgen. Sind in Streicher getaucht.
Setzen auch mal untypisch an, verfolgen Melodien, ohne sie zu erreichen.
Es sind Songs, die oft unbegründet bleiben. Moderner Pop, ohne
Jazz zu sein. Eben immer geerdet, doch gewillt zu fliegen. Dafür
hat Heather Greene einiges durchgemacht. 2004 steckte sie in den
Aufnahmen zum Album. Plötzlich begann alles wegzubrechen. Erst
verlor Heather Greene ihre Stimme, dann ging das Geld aus. Die Hoffnung,
ein Album fertigzumachen verschwand rapide. Einbahnstraße
also. Unglaublich, dass zwischen diesem Moment und dem gefeierten
Debutalbum kaum zwei Jahre liegen. „Als ich damals in Seattle
die Stimme verlor, habe ich zum ersten Mal festgestellt, wie zerbrechlich
Musik sein kann“ sinniert Heather Greene rückblickend.
„Emotional war ich am Boden zerstört. Ich musste eine
Entscheidung treffen und ging zurück nach New York. Dort wollte
ich meine Stimme verbessern und versuchte, mit Hilfe verschiedener
Musiker mein Album zu beenden.“
Der Rückzug nach New York erwies sich als Meilenstein. Heather
Greene fühlt sich eben wohl dort. Ihre Wegbegleiter halfen
ihr auf dem Weg zum Album. Letztendlich kann Heather Greene in New
York ihre Stimmaufnahmen beenden und ihre Zweifel am Album, an den
Songs, eventuell an sich selbst beseitigen. Sie hatte doch Zweifel?
„Absolut“, bestätigt sie. „Zunächst
einmal dauert ein Album immer länger als geplant. Da kommen
schon erste Bedenken auf. Dann möchte man dauernd die Songs
verbessern. Da was hinzufügen, dort was wegnehmen oder eine
bessere Idee als den ursprünglichen Song umsetzen. Es ist eine
unendliche Geschichte, die Unruhe auslöst. Aber normal ist
für einen Musiker.“ Und obwohl sich nun alles so komprimiert
und geordnet zeigt, sorgte letzten Endes die Begegnung mit Produzent
Tucker Martine für den letzten Schub. „Ich spielte in
einem Club in Seattle, als ich Tucker Martine traf. Alles, was ich
hatte, war eine EP. Tucker Martine gefiel das, was er hörte
und meinte, lass uns doch ein komplettes Album aufnehmen. Er brachte
den ganzen Stein ins Rollen und weckte in mir das letzte Quäntchen
Motivation.“ Wahrscheinlich müssen diese Geschichten
so laufen. „Five Dollar Dress“ klingt förmlich
nach all den Umständen, die das Album ermöglichten. Eine
Platte, die das Prädikat „bittersüß“
verdient, weil es zum ersten Mal hörbar ist. Und dabei mit
Kommerz nichts zu tun hat. Heather Greene ging den kompletten Weg.
Packte Streicher neben Orgeln. Ließ ihre Stimme im Hintergrund,
um dem Song Platz zu geben. „Five Dollar Dress“ hat
den New-York-Stempel. Darauf ist Heather Greene ein wenig stolz.
„Natürlich freue ich mich über die positiven Kritiken
über die Platte. Denn in New York erwähnt zu werden oder
Beachtung zu finden ist ein wichtiger Schritt.“ Dazu muss
man verstehen, welche Magie von New York ausgeht. Welcher Zauber
immer noch für jeden Musiker hinter der Stadt der unbegrenzten
Möglichkeiten steckt. Heather Greene erklärt: „New
York hat für einen Künstler große Bedeutung. Die
musikalische Qualität, die diese Stadt bietet, ist unübertroffen.
Du kannst an jedem Tag der Woche in irgendeinen Club oder in eine
beliebige Kneipe gehen und wirst perfekte musikalische Unterhaltung
finden. Musiker, die am obersten Limit spielen. Die wirklich etwas
drauf haben. Die aber keine Eigenbrötler oder Egoisten sind
und sich mit ihrem Können zurückziehen. Ganz im Gegenteil.
Die Musiker in New York bilden eine große Gemeinschaft. Helfen
sich gegenseitig, ziehen an einem Strang. Eben weil die Qualität
so hoch ist und jeder mit den gleichen Voraussetzungen zu kämpfen
hat. Kein Geld, viele Zweifel und dem Wunsch, ein Album zu vollenden.“
Heather Greene hat es geschafft. Sie arbeitet bereits am zweiten
Album, wird dieses Jahr noch nach Deutschland kommen und scheint
der Beweis zu sein, dass unkonventionelle Wege immer noch Gehör
finden. Selbst wenn die Bühnenklamotten gerade noch fünf
Dollar wert sind. Aber eben schön.