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nmz-archiv
nmz 2006/09 | Seite 12
55. Jahrgang | September
Nachschlag
Der heilige Zeitgeist ist über uns gekommen ...
Llujah, sog i – und ein herzliches Grüß Gott.
Willkommen in der Papst-Stadt Regensburg. Sehr viel Gscheites, jede
Menge klasse Philosophie steht in diesem unserem Blattl: theo-sophisches,
theo-kratisches und theo-retisches. Da darf ein praktischer Seitenblick
von schräg unten nicht fehlen. Und von wo aus könnte der
authentischer sein, als aus dem Verlags-Haus der nmz. Es liegt gewissermaßen
in der Einflugschneise des Heiligen Vaters zur Papst-Wiese, im demnächst
sicherlich seligen Herrgottswinkel Pentling – Graß –
Oberisling, wo gerade die Immobilenpreise explodieren.
Tja, wir bereiten uns schon auf zwei Extra-Feiertage vor. Denn
so lange wird unser Büro laut Auskunft des gut hundertköpfigen
regionalen Event-Organisations-Komitees in Erwartung einer Viertelmillion
Pilgerinnen und Pilger unerreichbar sein. Der kleine kulturelle
Schaffensdrang eines Verlegers hat sich dem allgemeinen Seelenheil
pfleglichst unterzuordnen. Schüchterne unternehmerische Versuche,
durch die Beherbergung von einigen hundert christlich-sozialen Kultur-Journalisten
in unseren Räumlichkeiten (immerhin über neunzig Quadratmeter,
Stockbetten und Dixi-Duschen waren schon bestellt) eine gewisse
materielle Kompensation zu erwirtschaften, wurde uns fürsorglich
aus der Hand genommen. Um Unterbringung und Verpflegung kümmern
sich generell Bundesgrenzschutz, Innenministerium und die Marianische
Kongregation (wegen der Hygiene). Als Schutzmaßnahme vor Überbuchungen
hat die regionale Hotellerie ohnedies ihre Zimmerpreise schon mal
verzehnfacht.
Dafür, dass alles – man ist schon fast versucht zu
sagen: göttliche – Ordnung hat, sorgt das Bistum Regensburg.
Es hat den Vertrieb von offiziellen Arti-keln zum Papst-Besuch an
die Regensburger Agentur Six Sigma Merchandising GbR vergeben, zu
deren Gesellschaftern laut völlig unbestätigten Gerüchten
neben dem Bischof höchstselbst auch der Oberbürgermeister,
Fürstin Gloria und der regionale Monopol-Zeitungsverleger gehören
sollen – eine wahrlich ehrenwerte Gesellschaft wäre das
also. Sie will dafür sorgen, dass sich alle Papst-Fans künftig
mit T-Shirts, Ansteckern und Maßkrügen samt Papst-Foto
ausstaffieren können. Nicht umsonst heißt eine der ertragreicheren
Regensburger Brauereien „Bischofshof“.
Zudem hofft das Bistum, durch den Vertrieb der Produkte einen Teil
der Ausgaben refinanzieren zu können, die Benedikts Visite
nun mal verursacht. Und zudem „durch weitere Verbreitung von
Logo und Motto Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit zu stärken“
(sic!).
Als offenes Zeichen solcher Verbundenheit empfiehlt sich der Erwerb
der offiziellen Papst-Medaille, einer in Kooperation mit der Württembergischen
Münzprägeanstalt Dr. Ising gestalteten Gedenk-Prägung,
versehen mit dem Motto des Papst-Besuches: „Wer glaubt, ist
nie allein“. (Der ursprünglich geplante Claim: „Wers
glaubt, wird selig“ wurde wegen des zu hohen Bekanntheitsgrades
dieser Aussage in letzter Minute verworfen). Weitere Informationen
zu dieser hübschen Devotionalie unter: www.ligabank.de (Selbstdarstellung:
Die in Regensburg ansässige Genossenschaftsbank ist als Dienstleister
für die katholische Kirche mit Schwerpunkt in Bayern und der
Pfalz tätig. Mit dem Ziel, ihrem speziellen Kundenkreis maßgeschneiderte
Produkte anzubieten und um der besonderen Geschäftsphilosophie
auch weiterhin verstärkt konkrete Gestalt zu verleihen, bietet
die LIGA Bank innovative Bankprodukte an, die den Grundsätzen
der Nachhaltigkeit entsprechend christliche, ethische, soziale,
ökologische und ökonomische Werte betonen …).
Doch auch die immaterielle – man möchte anmerken: menschliche
– Komponente erfährt im Rahmen der benediktischen Präsenz
einen Innovationsschub: So sollen sich bei den Regensburger Krankenhäusern
schon hunderte von Frauen in froher Erwartung angemeldet haben,
die ihr Kind auf der Papst-Wiese bei angemessener ärztlicher
Versorgung zur Welt bringen wollen. Der amerikanische Pharma-Konzern
Pfizer meldet dramatisch verstärkten Absatz geburtseinleitender
Medikamente im süddeutschen Raum. Angeblich will die ukrainische
und die polnische Sektion von Opus Dei auch noch ein kompaktes Zeltdorf
für den Vollzug einer befleckten Empfängnis in Sichtweite
zum Papst-Wiesen-Kreuz aufstellen und personell ausstatten. Dagegen
wirkt der Plan eines ortsansässigen Konditors fast schon anrührend
bescheiden: Er hat sich einen Wachs-Abdruck des heiligen Präputiums
aus den Archiven des Vatikans beschafft und möchte mit einer
Spritzgebäck-Nachbildung dieser Reliquie aus Plunderteig ins
Geschäft kommen.
Tja: Vernünftigerweise muss die Bibel wohl umgeschrieben
werden: danach hätte Jesus seinerzeit die Wechsler aus dem
Tempel vertrieben. Vielleicht wird’s aber auch Zeit, dass
er mal wieder vorbeischaut. Die kaum zu vermeidende Erleuchtung
der nmz-Redaktion jedenfalls durch die päpstliche Nähe
möge Ihnen helfen, auch geraume Exspektations-Zyklen intelligent
zu überbrücken. Sollten Sie unsere Zeitschrift deshalb
abonnieren wollen, dann können wir den ersten hunderttausend
Neukunden eine wunderbare Abo-Prämie zusichern: Drei Original-Grashalme
von der Papst-Wiese, ökologisch getrocknet und in Polyester
eingegossen …