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nmz-archiv
nmz 2006/09 | Seite 42
55. Jahrgang | September
Bücher
Von der Antike bis zur Gegenwart
Forschungen zur Synästhesie in Zürich
Jörg Jewanski/Natalia Sidler (Hg.): Farbe –
Licht – Musik. Synästhesie und Farblichtmusik (Züricher
Musikstudien. Forschung und Entwicklung an der HMT Zürich,
Band 5), Peter Lang Verlag, Berlin und andere 2006, 528 S., €
76,60, ISBN 3-03910-636-8
Musik hören und fiktive Farben dazu sehen, Zahlen lesen und
nicht existente Musik dazu hören – dieses Phänomen
heißt Synästhesie und ist tatsächlich weitaus vielschichtiger.
Derzeit ein aktuelles Thema auch bei Esoterik-Freunden, kann sich
der interessierte Leser aus einer Flut von Veröffentlichungen
zur Synästhesie nun eine neue, wirklich gelungene heraussuchen:
ein dickes Buch, randvoll mit Essays, Literaturhinweisen und Abbildungen.
Das Herausgebergespann hat die Synästhesie von der Antike bis
zur Gegenwart berücksichtigt. Der Terminus Synästhesie
wird diskutiert, definiert und von unwissenschaftlicher Patina gereinigt,
der Esoterik steht dieses Buch jedoch fern. Auch die Farblichtmusik
mit Schwerpunkt auf den Arbeiten Alexander Lászlós
ist hier umfangreich vertreten. Die eigenen Beiträge des Herausgebers
Jörg Jewanski – wissenschaftlich profund und sprachlich
gelungen – sind als Einstieg für Neulinge in beide Themen
hervorragend geeignet, versorgen den Fachmann mit Fakten und machen
einfach Spaß beim Lesen.
Die Mischung macht’s: Musiker, Komponisten, Musikwissenschaftler,
Bildende Künstler, Lichtdesigner, Kunsthistoriker und Akustiker
äußern sich, deshalb werden viele Aspekte des die Disziplinen
sprengenden Themas angerissen, durchleuchtet und diskutiert. Selbstverständlich
kommen auch Synästhetiker zu Wort und beschreiben ihre Form(en)
der Synästhesie. Derer gibt es viele, denn theoretisch ist
die Kombination jedes Sinnes mit jedem Sinne möglich.
Eine Menge Abbildungen synästhetischer Farbenspiele, Strukturen
et cetera (nicht als autonome Kunstwerke, lediglich als Versuche
zu verstehen, das Unsichtbare sichtbar zu machen) ermöglichen
es den Nicht-Synästhetikern, sehr direkte und authentische
Einblicke in diese Prozesse zu erhalten.
Weitere Abbildungen illustrieren einige apokryphe Instrumente der
Pioniere auf dem Felde der Kombination von Musik und Farbe beziehungsweise
Licht und verhindern dadurch ebenfalls eine allzu textlastige Trockenheit.
Das Buch ufert trotz des ehrgeizigen Ansatzes und des großen
Umfanges nicht aus, ist klar strukturiert und gestattet dem Leser,
innerhalb der Kapitel und Essays zu springen.
Ein sehr interessanter, leider nicht ganz preiswerter Band, der
das Zeug hat, zum Standardwerk all derer zu werden, die sich gern
wissenschaftlich fundiert und umfassend, aber trotzdem unterhaltsam
mit ungewöhnlichen Randgebieten beschäftigen.