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nmz-archiv
nmz 2006/09 | Seite 42
55. Jahrgang | September
Bücher
Würdiges Denkmal gesetzt
Leben und Werk der Musiktherapiepionierin Gertrud Katja Loos
Musiktherapie mit Leib und Seele. Gertrud Katja Loos.
Leben – Werk – Erinnerungen (Reihe zeitpunkt
musik), hg. v. Marie L. Zimmer/Brigitte Loos-Frank/Volker Bernius,
Reichert Verlag, Wiesbaden 2006, 340 S., € 39,90, Abb., CD,
ISBN 3-89500-466-9
In diesem Jahr hätte die vor sechs Jahren verstorbene Musiktherapie-Pionierin
Gertrud Katja Loos ihren 90. Geburtstag gefeiert. „Musiktherapie
mit Leib und Seele“, so nannte sie ihre Seminare und so haben
die drei Herausgeber auch das umfangreiche Buch genannt, welches
die Vorträge, Schriften und Pellwormer Geschichten zusammenfasst,
die Zeugnis geben vom Leben und Wirken einer großen Musiktherapeutin,
die zu einer Wegbereiterin der Musiktherapie wurde und deren Name
untrennbar mit der Entwicklung der Musiktherapie im deutschsprachigen
Raum verbunden ist.
Das Buch führt uns an die Grundlagen von Musiktherapie, ist
im Vorwort zu lesen, es zeigt „ihre Entwicklung seit den 70er-Jahren
des letzten Jahrhunderts und setzt sich mit der ethischen Grundhaltung
von Therapeuten auseinander.“ Weggefährten von Gertrud
Katja Loos zeichnen ein Bild der Kollegin und würdigen ihre
Pionierarbeit. Dem Buch ist eine Audio-CD mit Vorträgen von
G.K. Loos beigefügt, ein Hörbuch, in dem „die große
Vermittlungskunst der Musiktherapeutin erfahren werden kann.“
Nach Kirchenmusik- und Tonmeisterstudium in Hamburg war G.K. Loos
20 Jahre lang Betreuerin von Schallplattenproduktionen der Deutschen
Grammophon und seit 1970 führte sie als eine der Ersten in
(West-) Deutschland Musiktherapie- und Improvisationsstudien durch,
befasste sich neben der therapeutischen Klinikarbeit mit Langzeitpsychosen,
mit jugendlichen Strafgefangenen, mit Rehabilitation, Frauen-Selbstwert-Problemen
und Magersucht. Sie war Mitbegründerin und langjähriges
Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Musiktherapie,
erhielt 1978 den Ruf nach Stuttgart an die Psychotherapeutische
Klinik Sonnenberg als Leiterin der Abteilung Musiktherapie und wurde
Mitbegründerin der ersten Ausbildung Musiktherapie in Heidelberg.
Aus dieser Zeit stammen die meisten ihrer Vorträge und Aufsätze
dieses lesenswerten Buches, die hier jetzt gebündelt, zum Teil
erstveröffentlicht vorliegen. In seiner Standortbeschreibung,
die diesen Vorträgen vorangestellt ist, hat der jüngere
Kollege Tonius Timmermann drei Momente hervorgehoben, die wesentliche
Charakteristika ihrer musiktherapeutischen Behandlungsform darstellen:
Zum einen die Tiefenwirkung der Musik und ihrer Elemente, indem
sie die Körpertherapie in die Tiefenpsychologie mit einbezieht;
zum anderen das Spiel – die Improvisation als leistungsfreies,
zweckfreies Handeln, als „Spiel-Räume“, in denen
sich der Mensch wertfrei ausprobieren und neu erfahren kann; „Spiel-Räume“
nannte Frau Loos auch ihr Buch zur Magersucht und Musiktherapie,
das 1986 erschien. Zum dritten verweist Timmermann auf die achtsame
und heilsame körperliche Berührung, die Gertrud Katja
Loos in der Therapie anwendet: „Sie stellt die klassische
psychotherapeutische Abstinenzregel nicht nur in Frage, sondern
interpretiert sie auch neu.“ Bis zu ihrem Tod am 30. August
2000 war Frau Loos auch immer in eigener Praxis tätig. In seiner
Standortbeschreibung äußert sich Tonius Timmermann schließlich
wie folgt: „... als sie im Alter zurückkehrte in ihren
Geburtsort Hamburg, sagte sie zu mir: Jetzt kehrt das Schiff heim
in den Hafen. Das bezog sich auf die äußere Welt, wo
ein Kreis sich schloß. Gleichwohl wusste sie, dass es zu dem
Zeitpunkt auch auf ein inneres Heimkommen hinauslief, auf das ganz
große Loslassen. ,Loslassen heißt das Zauberwort‘,
dieser Satz, dieses Motto, so könnte man sagen, soll am Ende
dieser Standortbeschreibung stehen. Sich behaglich fühlen,
nichts mehr wollen, mit sich im Einklang sein, so in sich sein,
dass das Sein selbst genügt und befriedigt. Die-se Art von
Nachhausekommen fühlt sich an nach einem Heimkommen zu sich
selbst, nach dem tief innersten ureigensten Selbst.“ (S. 160)
Mit dieser umfasssenden Schrift haben die Herausgeber/-innen Marie-Luise
Zimmer, Brigitte Loos-Frank und Volker Bernius der unvergessenen
Gertrud Katja Loos ein würdiges Denkmal gesetzt.