„Was Kritische Theorie sei, liegt mit historischem Abstand,
der editorischen Zugänglichkeit ihres Textkorpus und der ideengeschichtlichen
Kontextualisierung im Sinne eines hermeneutischen Horizonts genauso
offen, wie eine solche Vielfalt nicht zuletzt angesichts veränderter
gesellschaftlicher Verhältnisse ein konsensuales Verständnis
gerade auszuschließen scheint. [...] Denn Kritischer Theorie
geht es in erster Linie nicht um Theorie, sondern um Gesellschaftsveränderung.“
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft
am 29. Juni 2006 (Ausschnitte)
Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz:
Wie Sie wissen, wird im Moment eine Urheberabgabe auf die Geräte
gezahlt. Die Industrie hat natürlich ein Interesse daran,
dass diese Abgabe auf ihre Geräte so niedrig wie möglich
ist, weil sie die Preiskonkurrenz fürchtet. Die Notwendigkeit,
einen fairen Kompromiss zwischen all den Interessen der verschiedenen
Beteiligten zu schaffen, ist heute größer denn je.
Wir meinen, dass das geistige Eigentum der Kreativen aber gerade
in der modernen Informationsgesellschaft gewährleistet bleiben
muss. Ohne einen solchen Schutz kann es nämlich keine Kreativität
geben – auf die Deutschland als Land der Ideen natürlich
ganz besonders angewiesen ist.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Wir
sagen aber ganz unmissverständlich: Auf die pauschale Geräteabgabe
kann bis auf weiteres nicht verzichtet werden. Dort, wo die Geräteabgabe
das Mittel der Wahl für die Vergütung bleibt, muss dem
Umfang der urheberrechtlichen Nutzung angemessen Rechnung getragen
werden. Darüber kann durch die Herstellerpreise eines Vervielfältigungsgerätes
gerade nicht Aufschluss gegeben werden. Wenn es bei dieser Regelung
bliebe, würde es zu einem wirklich deutlichen Vergütungsrückgang
bei den Urhebern kommen. Deshalb ist der Ansatz, der jetzt gewählt
ist, nämlich die Koppelung der pauschalen Geräteabgabe
an die Preise und die Begrenzung auf einen Gesamtpreis hinsichtlich
des Anteils der Vervielfältigungen, nicht richtig.
Günter Krings (CDU/CSU): So sieht der
Entwurf vor, an die Vergütungspflicht die Bedingung zu knüpfen,
dass das betroffene Gerät beziehungsweise Speichermedium
in nennenswertem Umfang für Vervielfältigungen eingesetzt
wird. Die Gesetzesbegründung nennt ausdrücklich eine
Mindestnutzung von zehn Prozent. Unter dieser Grenze soll keine
Vergütung anfallen. Dadurch scheinen mir neue Gerichtsverfahren
vorprogrammiert zu sein. Ziel des Gesetzes muss es aber sein,
eine Regelung zu finden, welche die Voraussetzung für eine
Vergütungspflicht klar festlegt. Wir brauchen keine zusätzliche
Vergütung für Rechtsanwälte, sondern eine kalkulierbare
Vergütung für die Urheber. Noch schwieriger wird es
bei der Vergütungshöhe. Nach dem Regierungsentwurf soll
die Vergütung bei fünf Prozent des Gerätepreises
gedeckelt werden. Die Verwertungsgesellschaften rechnen mit Einbußen
von bis zu 40 Prozent durch diese Kappungsgrenze. Allerdings unterschlagen
sie bei ihren Berechnungen, dass auch neue Geräte in die
Vergütungspflicht einbezogen werden. Umgekehrt weist BITKOM
darauf hin, dass sich ohne die Kappung bei fünf Prozent und
die Einführung der Voraussetzung des nennenswerten Umfangs
das Vergütungsaufkommen von ZPÜ und GEMA mehr als vervierfachen
würde.
Dirk Manzewski (SPD): Dieses bewährte System,
das den Kreativen eine Kompensation für ihre Einnahmeausfälle
gewährleistet, soll im Grunde genommen zwar beibehalten werden;
aber anders als bisher soll nun den Verwertungsgesellschaften
und den Herstellern die Bemessung der Vergütungssätze
selbst übertragen werden. Ich frage mich, Frau Ministerin,
wie das praktisch funktionieren soll, da wir hier nicht zwei Parteien
auf gleicher Augenhöhe haben. Nicht zuletzt das Urhebervertragsgesetz
hat doch gezeigt, dass man aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage
nicht zwingend auf die Einsichtsfähigkeit der Beteiligten
vertrauen darf. Ich möchte aber nicht, dass den Urhebern
letztendlich zugemutet wird, hinter ihren Ansprüchen herzulaufen.
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, noch
nie ist über ein hochpolitisches, hochwichtiges rechtspolitisches
Thema so früh am Tag in diesem Hause diskutiert worden. Das
ist einerseits gut so; aber das hängt nur damit zusammen,
dass es in diesem Hause üblich geworden ist, rechtspolitische
Themen an das Ende der Tagesordnung zu setzen. Ich finde, das
geht auf Dauer so nicht. (Beifall im ganzen Hause – Dr.
Uwe Küster [SPD]: „Das war Kritik am Ältestenrat!“)
Die Umstellung der Pauschalvergütung von dem alten System
„Abgabe auf Geräte, die zum Abspielen bestimmt sind“
auf das neue System „Abgabe auf Geräte, mit denen tatsächlich
abgespielt wird“ ist im Grundsatz richtig. Aber mit den
Vorschlägen haben Sie, Frau Ministerin, neue Probleme auf
den Tisch gelegt. Was ist eine nennenswerte Nutzung? Die Streitigkeiten
darüber sind vorprogrammiert. Eine Begrenzung der Pauschalabgabe
auf höchstens fünf Prozent des Geräteverkaufspreises
und die Nichteinbeziehung des Zubehörs sind gegenüber
den Kreativen nicht gerecht. Das muss geändert werden.