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nmz-archiv
nmz 2007/03 | Seite 39
56. Jahrgang | März
Oper & Konzert
Nachtmusiken, viel Licht und sakrale Momente
Das Münchener Kammerorchester unter Alexander Liebreich – ein
Konzertbesuch in der Pinakothek der Moderne
„
Licht“ ist das Thema von Alexander Liebreichs erster Spielzeit
als musikalischer Leiter des Münchener Kammerorchesters. Ein
visuelles Phänomen also, das in seiner Wirkung auch akustisch
arbeitende Künstler zu inspirieren vermag. Das Licht am Ende
des Tunnels vielleicht auch als Symbol für viele, die sich
ein spannendes Münchener Kammerorchester ohne Christoph Poppen
gar nicht vorstellen wollten.
Es geht weiter und die erste Hälfte der neuen Spielzeit deutet
darauf hin, dass auch die Zeit der gro-ßen Erfolge des Münchener
Kammerorchesters weitergeht. Die Schuhe von Christoph Poppen sind
Liebreich nicht zu groß. Er hat sie angezogen und sie haben
sich als Sieben-Meilen-Stiefel entpuppt. Vom Münchner Publikum
bei seinem Einstand im vergangenen Oktober frenetisch bejubelt,
hat ihn die Presse aus dem Stand zum „spannendsten Dirigenten
Münchens“ gekürt. Sehr viel Licht für den
Anfang.
Alexander
Liebreich und das Münchener Kammerorchester bei einer
Probe für die Nachtmusik. Foto: Florian Ganslmeier/MKO
Begonnen hatte alles entgegen der sonstigen Praxis der Branche
mit dem einhelligen Votum des Orchesters selbst, ihn als neuen
musikalischen Leiter zu holen. Ein Novum, nicht nur für das
Münchener Kammerorchester. Kein Wunder also, dass es der Dirigent
auf Bestellung sehr leicht damit hat, sein Orchester zu motivieren
und zu führen. Auch Poppens wichtigste Neuerung, der Spagat
zwischen Klassik und Moderne, der das Orchester aus der finanziellen
Krise herausgeführt hat, wird von ihm weiter getragen.
Liebreich betont die Wichtigkeit, die für ihn das Schaffen
eines Bewusstseins für die Neue Musik bei der Programmbildung
hat. Ein besonderer Ansporn dürfte ihm das auch bei der Auswahl
neuer Werke für Uraufführungen geben, von denen das MKO
in dieser Spielzeit mit den Auftragskompositionen von Nikolaus
Brass und Mark Anton Moebius zwei im Programm hat. Im Gegensatz
zum neu eingeführten „concert sauvage“, einem
außergewöhnlicher Konzertabend, bei dem vorab weder
Programm noch Solisten bekannt gegeben werden, hat sich die „Nachtmusik
der Moderne“ bereits etabliert. In der Rotunde der der Pinakothek
der Moderne widmet sich das Orchester an drei Abenden jeweils einem
zeitgenössischen Komponisten. Der Ort ist trotz halliger Akustik
gut gewählt, wie der neue Dirigent findet. Für ihn sind
Museen so etwas wie moderne Kirchen und die nahezu „sakrale
Stimmung“ in der Rotunde der Pinakothek sei doch sehr dazu
geeignet, Neue Musik in würdigem Rahmen zu präsentieren.
Die erste Nacht dieser Saison gehörte am 13. Januar dem Koreaner
Isang Yun. Doch zunächst eröffnete Miriam Cantoreggi,
die junge Konzertmeisterin des Ensembles, die Bühne und spielte
das „Königliche Thema“, ein Violinsolo auf die
Melodie von Bachs „Musikalischem Opfer“. Ein schweres
Stück, dessen dynamische Breite Cantoreggi bemerkenswert herausarbeiten
konnte. Dynamik war an diesem Abend der Schlüssel zum Verständnis
dieses exotischen Komponisten. Yun ist wahrlich kein Melodiker,
keiner der motivisch arbeitet. Was für ihn zählt, ist
der Klangfluss, das An- und Abschwellen der Töne, ein Klangraum,
der sich ständig aus sich selbst heraus erneuert. Der zweite
Solist des Abends war der Klarinettist Eduard Brunner. Er durfte
mit dem „Quintett 2“ sogar ein Stück spielen,
das sein Freund Isang Yun 1995 speziell für ihn geschrieben
hatte. Das heißt allerdings nicht, dass er sich nicht anzustrengen
brauchte. Bei der teils recht aufgewühlten Musik hatte Brunner
manchmal Mühe, gegen das Orchester bestehen zu können
und man merkte, dass das Stück ursprünglich nur für
Quartettbegleitung vorgesehen war.
Beim Klarinettensolo „Piri“ – wieder von Eduard
Brunner gespielt – ist es wieder die frappierende Dynamik
Yuns, die fesselt. Lange gehaltene Töne steigen in gedehnten
crescendi zu hohen Lagen auf, bis sie schrill und unangenehm ins
Ohr dringen, um plötzlich zu ersterben. Aus der Stille tastet
sich dann erneut ein Ton hervor zu dem dann langsam ein zweiter, überblasener
Oberton tritt. Nicht ganz wirklich, zerbrechlich.
Zum Abschluss dirigierte Alexander Liebreich Yuns „Kammersinfonie
I“ mit der ihm eigenen ausladenden Gestik und wirkte bei
seinen schwankenden Bewegungen ein wenig wie der Zauberlehrling,
dem die Kontrolle über die Magie entglitten ist und der nun
von unwiderstehlichen Kräften hin und hergeschleudert wird.
Die Kontrolle aber hat er freilich zu keiner Zeit verloren. Sehr
präzise und genau führte er sein Orchester zu einem intensiven
Finale nach dessen Ende sich die aufgebaute Spannung nur langsam
löste.
Als Alexander Liebreich das Ensemble dann beim Applaus noch ein
letztes Mal in dieser Nacht dirigierte, war klar: Sowohl das Kammerorchester
als auch die Münchner sind mit diesem neuen musikalischen
Leiter sehr gut bedient und das wissen sie auch.