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nmz-archiv
nmz 2007/03 | Seite 16
56. Jahrgang | März
Kulturpolitik
Startschuss für „Jedem Kind ein Instrument“
Eine
erste Einschätzung der Initiative der Landesregierung
Nordrhein-Westfalen und der Bundeskulturstiftung
In den nächsten Jahren sollen möglichst alle Grundschulkinder
im Ruhrgebiet ein Instrument lernen können. Diese ehrgeizige
Initiative stellten Ministerpräsident Rüttgers und Schulministerin
Sommer gemeinsam mit den Repräsentanten der Bundeskulturstiftung,
Kulturstaatsminister Neumann und die Künstlerische Direktorin
Völckers, auf einer Pressekonferenz in der Bochumer Jahrhunderthalle
vor.
Bochum hat an dieser Stelle erstmals gezeigt, dass sich im und
für das Ruhrgebiet der Kulturhauptstadt 2010 auch weitere
Städte neben dem bisherigen Bewerbungsführer Essen engagieren
und kann hier bereits einiges vorweisen.
Die Initiative, die jetzt Land und Bund nach der Föderalismusreform
doch in einem wichtigen bildungspolitischen Thema zur engen Kooperation
zusammenführt, baut auf Erfahrungswerten auf, die an Bochumer
Grundschulen gemeinsam mit der Bochumer Musikschule nunmehr im
dritten Jahr gemacht werden. Der unaufgeregt und um so effizienter
wirkende Kulturdezernent Küppers, den die Stadt tief im Westen
nun an München abgibt, und sein Musikschulleiter Grunenberg
hatten das richtige Gespür, als die Zukunftsstiftung Bildung
der Bochumer GLS-Bank mit ihnen gemeinsam dieses Projekt angestoßen
hat, das allgemeine Musikerziehung im Grundschulalter und die Begegnung
mit dem Instrument zueinander finden lässt. Dies will die
Landesregierung in den nächsten Jahren als Angebot für
212.000 Grundschulkinder modellhaft auf das Ruhrgebiet ausweiten
und bei einem Erfolg im Ballungsraum im Anschluss auf ganz Nordrhein-Westfalen
ausdehnen.
Zu fragen wäre, ob durchgängige Unterrichtskonzepte vom
ersten bis zum vierten Schuljahr vorhanden sind oder ob die speziellen
Rahmenbedingungen in der Grundschule ein solches Angebot in breiter
Form angemessen ermöglichen. Da hierfür bezahlt werden
u u muss, wenn auch in überschaubarem Maße und teils
durch Sozialstipendien befreit, kann es keine schulische Verpflichtung
sein Daher ist sicher zu stellen, dass die Unterrichtsstrukturen
im Ganzen an diese Initiative angepasst werden, für Nutzer
des Angebots wie für diejenigen, die es nicht wahrnehmen.
Auch ist sicher noch zu klären, woher die übrigen Mittel
des 50-Millionen-Budgets kommen, die noch nicht durch Bundeskulturstiftung,
Land Nordrhein-Westfalen und erwarteten Elternbeiträgen gesichert
sind oder wer die Fortbildung kompetent organisiert. Aber die Initiative
ist zunächst als ein großer Wurf in dreifacher Hinsicht
zu loben: die Zusammenarbeit von Schule und kommunaler Musikschule
als Einrichtung der Kulturellen Jugendbildung, das Zusammenspiel
von Land und Bund (unter Einbeziehung der Ruhrgebietskommunen)
und die Finanzierung aus öffentlicher und privater Hand – dies
sind zunächst Ausgangspunkte, die auf ein Gelingen dieser
Initiative hoffen lassen.
So mögen in diesem ersten wunderbaren Schwung auch politische
Träume erlaubt sein, etwa die, dass sich die faszinierenden
Ergebnisse aus Venezuela nach Deutschland übertragen lassen,
was erkennbar nicht der Fall sein kann, wenn man sich nur ein wenig
mit der Materie und den Gelingensbedingungen befasst hat. Den Traum
eines „Kinderorchesters Ruhr“ sollte man auf jeden
Fall Wirklichkeit werden lassen; gute Ansätze fanden sich
schon dazu bei der Orchesterformation, die anlässlich der
Pressekonferenz einige kleine Werke mit Engagement präsentierte.
Wenn ein erfahrener Dirigent gefunden wird, der künstlerisch
wie pädagogisch mit Kindern zu arbeiten versteht, wird sicher
in naher Zukunft ein begeisterndes Orchester entstehen können.
Die Kinder, die in der Jahrhunderthalle musiziert haben, zogen
zunächst einmal den Zuhörer mit ihrer frischen Art in
ihren Bann. Also: man darf gespannt sein auf diese Initiative „Jedem
Kind ein Instrument“. Schulministerin Sommer machte in ihren
Worten bei der Pressekonferenz übrigens deutlich, dass diese
Initiative nicht den Musikunterricht in der Schule ersetzen kann
und das Land daher weiter Anstrengungen unternehmen will, diesen
stärker als bisher in der Schule – vor allem in der
Grundschule - stattfinden zu lassen. Wie das erfolgen soll, ist
an diesem Tag noch offen geblieben.