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nmz-archiv
nmz 2007/03 | Seite 9
56. Jahrgang | März
Magazin
Geldgeber, Gesellschafter und Geschäftsführer
Zur Personaldebatte um den künstlerischen Geschäftsführer
beim Deutschen Musikrat
Nach dem Abschied Torsten Mosgrabers als künstlerischem Geschäftsführer
des Deutschen Musikrates schälte sich ein anerkannter Theater-
und Veranstaltungsfachmann als Top-Favorit für dessen Nachfolge
heraus. Offensichtlich hatte man allerdings vergessen, das Gehalt
präzise abzusprechen. Der Aspirant sollte ein knapp 20.000
Euro höheres Jahresgehalt bekommen als seine Geschäftsführer-Kollegen.
Präsident Krüger machte sich für eine personalisierte
Ausnahmeregelung stark und brachte diesen Vorschlag sogar noch
durch den Aufsichtsrat. Gekippt wurde diese „Ausnahmeregelung“ in
einer Gesellschafterversammlung des Musikrates. Die Vorgänge
veranlassten die nmz nochmals nachzufragen. Andreas Kolb, Chefredakteur
der neuen musikzeitung, traf sich mit
Martin Maria Krüger, Präsident des Deutschen Musikrates
e.V. und Aufsichtsratsvorsitzender der Deutscher Musikrat gGmbH.
Martin
Maria Krüger. Foto: Silbernagl
neue musikzeitung: Warum braucht es einen künstlerischen Geschäftsführer? Martin Maria Krüger: Die Insolvenz hat
dazu geführt,
dass die öffentliche Hand forderte, die Projekte in einer
gemeinnützigen Gesellschaft zusammenzufassen, und man hat
dann die Form der gemeinnützigen GmbH gewählt. Eine weitere
Vorgabe war das so genannte Vier-Augen-Prinzip, also eine Doppelspitze
aus zwei Geschäftsführern, die gemeinsam über deren
Budget verfügen. Es bot sich an, einen künstlerischen,
also für die Inhalte zuständigen, und einen vorrangig
kaufmännischen, betriebswirtschaftlich tätigen Geschäftsführer
vorzusehen. Inzwischen kennen alle im Metier unseren kaufmännischen
Leiter, Norbert Pietrangeli, der hoch erfolgreich arbeitet. Auch
der erste künstlerische Geschäftsführer, Torsten
Mosgraber, hat eine höchst engagierte und schwierige Aufbauarbeit
geleistet, bevor er uns vor kurzem auf eigenen Wunsch verlassen
hat. Natürlich musste der Deutsche Musikrat einiges lernen.
Früher war der General Manager für die Projekte der Generalsekretär.
Der neue Musikrat aber hat es sich zum Ziel gemacht, verstärkt
gesellschaftspolitisch tätig zu sein. Das hat dazu geführt,
dass man einen politisch wirkenden Generalsekretär hat, der
auch dort sitzt, wo in Deutschland inzwischen das politische Herz
schlägt, nämlich in Berlin.
Für einen künstlerischen Geschäftsführer konnte
es nun nicht darum gehen, die ohnehin gut geleiteten und noch dazu
von hoch kompetenten Beiräten betreuten Projekte zu managen.
Dafür würde tatsächlich ein kaufmännischer
Geschäftsführer weitgehend ausreichen. Ein künstlerischer
Geschäftsführer müsste Entwicklungen in Gang setzen,
zunehmend auch temporäre Projekte, sei es in Form von Pilotprojekten,
entsprechender Kongresse, Begegnungen oder Events. Dafür brauchen
Sie eine Kernstelle, die sich eng verlinkt mit dem e.V. und dem
politischen Geschehen.
nmz: Am Beispiel des gescheiterten Bewerbungsverfahrens für
einen künstlerischen Geschäftsführer: Welche Qualifikation
wurde denn da gesucht? Krüger: Im Ausschreibungstext war die Rede von jemandem mit
langjähriger Führungserfahrung in der Leitung einer bedeutenden
Kulturinstitution. Damit war ein Kreis angesprochen, der zum Beispiel
auch Intendanten und Generalmusikdirektoren umfasst. Es war auch
die Rede von einer angemessenen Bezahlung. Es stellte sich dann
einfach die Frage, wie wir das mit unserer derzeitigen Struktur
in Einklang bringen könnten.
nmz: Nun hat sich die Gesellschafterversammlung
und inzwischen auch das Präsidium gegen den Kandidaten des Aufsichtsrats
entschieden. Krüger: Der Aufsichtsrat, der mehrheitlich
mit Mitgliedern des Präsidiums besetzt ist, hatte ein ganz eindeutiges Votum
getroffen, in Übereinstimmung mit den öffentlichen Händen.
Dem hat die nachfolgende Gesellschafterversammlung, in welcher
weitere Präsidiumsmitglieder mitwirkten, nicht zugestimmt.
Inzwischen hat das Präsidium, im Übrigen nach eindeutiger
Stellungnahme der unmittelbar davor tagenden Konferenz der Landesmusikräte,
ausdrücklich den Beschluss der Gesellschafterversammlung bestätigt.
nmz: Standen Sie nach wie vor
zur Personalentscheidung des Aufsichtsrates? Und wie geht es
weiter? Krüger: Den einstimmigen Beschluss des Aufsichtsrates
habe ich so lange wie möglich vertreten. Als Aufsichtsratsvorsitzender
habe ich die von mir mit Überzeugung wahrgenommene Verpflichtung,
in den Kernfragen Übereinstimmung zwischen den öffentlichen
Geldgebern und dem Deutschen Musikrat zu suchen. Hierzu werde ich,
werden wir nun einen neuen Anlauf nehmen müssen. Schon im
Vorfeld, als die Möglichkeit einer endgültigen Ablehnung
des Aufsichtsratsbeschlusses im Präsidium erkennbar wurde,
habe ich damit begonnen, auch in dieser zugegebenermaßen
schwierigen Situation darauf hinzuarbeiten, dass die enge Zusammenarbeit
und das gewachsene Vertrauen nicht verloren gehen.
nmz: Sehen Sie keinen Reformbedarf?
Kann nicht der Generalsekretär
Aufgaben der künstlerischen Geschäftsführung übernehmen? Krüger: Der Idealfall ist sicher gegeben,
wenn wir einen Generalsekretär
haben, der auch stark projektbezogen denkt – und dieses Glück
haben wir mit Christian Höppner. Ob er deswegen unmittelbare
Zuständigkeiten für die Projekte haben kann, ist damit
nicht unbedingt gesagt. Unter dem Gesichtspunkt der engstmöglichen
Verbindung von Dachverband und Projektgesellschaft wäre dies
allerdings der Idealzustand. Das Präsidium hat intensiv darüber
diskutiert, welche Lehren aus den Erfahrungen von zwei Ausschreibungsverfahren
und zwei Jahren Tätigkeit eines künstlerischen Geschäftsführers
gezogen werden können beziehungsweise müssen. Darüber
möchten wir vor einer Wiederholung der Ausschreibung, und
das heißt, möglichst vor der nächsten Sitzung des
Aufsichtsrates Ende März, mit dem Bundesbeauftragten für
Kultur und Medien als federführendem Haus für die öffentlichen
Geldgeber sprechen.
nmz: Sie plädieren persönlich für die bisherige
Variante, für den künstlerischen Geschäftsführer? Krüger: Es wäre ein Fehler, im Rückblick pauschal
zu sagen, die letzten zwei Jahre seien ein Misserfolg. Es ist aber
nicht zu leugnen, dass es Optimierungsbedarf gibt, für den
man unterschiedliche Lösungswege sehen kann. Dennoch bin ich
ganz zuversichtlich, dass wir uns bald gemeinsam mit unseren Partnern über
eine gute Lösung freuen werden und zum Reden über Projekte
zurückkehren können.
nmz: Welche Vorhaben sind für Sie in der nächsten Zeit
wichtig? Krüger: Ich sehe mich als denjenigen, der
das zu kanalisieren und zu bündeln hat, was aus diesem immerhin neunzehnköpfigen
Präsidium einerseits, aus der GmbH mit ihrem auch großen
künstlerischen Potenzial andererseits, an Anregnungen kommt.
Die Europäische Ensemble-Akademie, welche wir mit erheblichen
Mitteln der Kulturstiftung des Bundes und in Zusammenarbeit mit
dem Auswärtigen Amt sowie mit vorbereitender Unterstützung
des BKM anlässlich der EU-Ratspräsidentschaft durchführen,
stellt für die GmbH eine große Herausforderung dar.
Das große Dauerthema für den Deutschen Musikrat muss
immer die musikalische Bildung sein und bleiben. Nachdem wir uns
in den letzten Jahren in unseren öffentlichen Verlautbarungen
und Themenstellungen, wie zum Beispiel der Ganztagsschule, vor
allem mit der Allgemeinbildung befasst haben, kommt im März
eine geschlossene Arbeitstagung vorwiegend für eingeladene
Fachleute zur Zukunft der Musikberufe. Auch das hat ja mittelbar
und unmittelbar sehr viel mit musikalischer Bildung zu tun. Dann
folgt schon drei Monate später in Wiesbaden Anfang Juni der
Kongress unter dem Motto „Musik mit 50 +“.
Im Übrigen stehen wir jetzt vor dem Abschluss eines Kooperationsvertrags
mit dem Goethe-Institut, der eine ganz neue Qualität der Zusammenarbeit
im In- und Ausland bringen wird. Nach dem Verlust der Internationalen
Verbindungsstelle zur Zeit der Insolvenz war dies seit meinem Amtsantritt
eines meiner zentralen Anliegen und Ziele. Dieser Vertrag wird
die Wahrnehmung des Deutschen Musikrates im Ausland erheblich verbessern
und auch für das Goethe-Institut Vorteile bringen, denn er
wird nicht nur die Kompetenz von Deutschem Musikrat und den großen
Verbänden des Laienmusizierens in die musikalische Auslandsarbeit
einbringen, sondern wir werden als Deutscher Musikrat auch Partner
des Goethe-Instituts im Inland sein.
nmz: Thema Musikalische Bildung,
dazu gehören auch neue Projekte
gemeinsam mit der Phono-Industrie? Krüger: Mit der Phono-Industrie sprechen
wir im Rahmen der Initiative Musik, die Steffen Kampeter aus dem
Bundestag heraus
angestoßen hat, sowie im Hinblick auf einen möglichen
Tag der Musik mit pädagogischem Schwerpunkt.