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nmz-archiv
nmz 2007/03 | Seite 6
56. Jahrgang | März
Magazin
Zwischen Grübeln und Zufriedensein
Sich selbst neu positionieren mit Musik von Monta
Ein, vielleicht zweimal im Jahr erlebt man den Moment der Magie.
Album einlegen, zehn Sekunden lauschen und grinsen. Das Album hat
einen. Gefangen, festgesetzt und umschlossen. Egal, was da noch
an Abgründen kommen könnte. „The Brilliant Masses“ von
Monta ist so ein Album. Dabei klingt der Band- oder Künstlername
erstmal nach Prärie oder Scheuermilch. Allerdings extrem routinierter
Scheuermilch. Denn Monta, das ist prinzipiell die Ein-Mann-Band
von Tobias Kuhn. Der war mal Sänger der Band Miles. Die wiederum
wurden ganz schön hoch gelobt in den Zeiten, als man in Deutschland
plötzlich Gitarrenmusik mit „independent“-Charme
hochleben lassen musste. Um entweder dazuzugehören. Oder hinterherzulaufen.
Die Band trennte sich oder Tobias Kuhn von ihr. Er ging ins Ausland.
Veröffentlichte in England, Italien, USA, Kanada, Japan und
Australien. Wurde gelobt von der Londoner „Sunday Times“ und
vielen mehr. Davon haben wir zwar nichts gehört und mitbekommen,
aber wer ist schon frei von Ignoranz.
Ein-Mann-Band
beim Waldspaziergang: Tobias Kuhn ist Monta. Foto: Monta
Nun ist es an uns mit „The Brilliant Masses“, offen
zu urteilen. Diesem neuen Monta-Album. Das so brillant loslegt
mit dem alles sagenden Satz „I don’t see any further
reason for running down that hill“. Ein Ende am Anfang. Man
sieht die Kräfte schwinden, sammelt sich aber dennoch, um
den letzten Lauf noch einmal anzugehen. Eine Situation, die man
kennt. Die Tobias Kuhn allerdings lapidarer, nicht ganz so fatalistisch
einschätzt. „Es geht schlicht darum“, erklärt
er, „dass ich festgestellt habe, dass selbst mir einmal die
Energie und Kraft ausgeht. Man möchte dann einfach mal sagen,
komm, lass es gut sein, jetzt reicht’s aber auch“.
Diesen Eindruck noch musikalisch umzusetzen gelingt eben mit dem
Anfangsstück, mit „Capitulate“. Und von da an
versteht man Monta. Man muss sich dem Gefühl beugen und loslassen.
Sonst könnte das Album schwer werden, Manche zu Grübel-Statuen
erstarren lassen. Man würde gar nicht geniessen können,
wie viel Zeit und Freiheit, aber auch Schwermut in einem Song wie „Everything“ steckt,
der quasi als Zwischenziel des Albums fungiert. Aber wieder so
einen Leitsatz enthält: „You are everything when everything
breaks down“. Ein Satz, an den man sich klammern kann. Der
beweist, dass alles eben nicht immer alles bedeutet. Und auch das
kennen wir gut. Aus eigener Erfahrung oder vom Gefühl her.
Monta verlangt sicher einen Knackpunkt, allerdings kann man den
entdecken. Dann ist alles klar. Und so umspülen die weichen,
aber realistischen Indie- und Folkklänge die Geschichten um
unser Leben. Um Leidenschaft, Liebe, Entfremdung, Sicherheit, Heimat,
Aufgabe oder Orientierung. Letzte freilich gibt auch Tobias Kuhn
immer wieder Rätsel auf. „Das sich zurecht finden oder
die Orientierung bekommen, das ist ja ein fast ständiger Kampf.
Mal fühlt man sich geborgen und aufgehoben und eben nicht
deplatziert, dann wiederum möchte man sich nur noch eingraben.“
Tobias Kuhn erzählt das alles so sympathisch und nachvollziehbar.
Man kann nicht anders als ihm jeden Song, jeden Text abzukaufen.
Wenn es um Heim- oder Fernweh geht. „Klar bin ich da hin-
und hergerissen. Zurzeit bin ich in Köln und produziere eine
Band und habe unheimlich Heimweh nach München und meiner Familie.
Dann aber wiederum, wenn ich mit der Band, also Monta, unterwegs
bin, ist das so ein geborgenes Ding, in dem ich mich wohl fühle
und in dem alles eine Einheit darstellt. Da macht es mir nichts
aus, unterwegs zu sein; wenn ich dann wieder alleine bin, finde
es aber doch wieder komisch“.
Und trotz aller Romantik und jeglichen Mitgefühls, Tobias
Kuhn muss ja unterwegs sein. Denn Kritikerlob ist eben bar jeglicher
merkantiler Auswirkung. Soll heissen, Kuhn muss unterwegs Geld
verdienen. Und Fernweh oder Heimweh wird zum Arbeitskollegen. Denn
vom Lob der Leser- und Hörercharts füllt sich der Kühlschrank
eben nicht. „Das macht mir allerdings wenig aus“, beteuert
Tobias Kuhn. „Ich bin zunächst einmal froh, dass ich
Monta ohne Druck machen kann. Ich habe keine Verpflichtung, damit
erstmal in die Charts zu müssen. Ich kann Monta so machen,
wie ich will, und verdiene eben mit anderen Sachen Geld“.
Als Produzent dann. In Köln. Das klingt gut. Und schnell bemerkt
man, dass sich Tobias Kuhn ganz gut positioniert hat. Im Moment.
Für sich und seine Passion. Und dann letztendlich doch seine
Navigation vorerst beendet hat. Aber es geht weiter, denn das nächste
Monta Album soll noch dieses Jahr entstehen. Bis dahin hat man
genügend Zeit, sich auf „The Brilliant Masses“ einzulassen
und sich selbst einmal zu positionieren. Zwischen Grübeln
und Zufriedensein. Mit Indie-Musik von Monta. Mit ätherischen
Pianoklängen, mit verletzlichen Gitarren, wahren Popmelodien
und einem fast rüden Grandseigneur Tobias Kuhn, der nie vergisst,
dass das alles ja nur die Wirklichkeit zu sein scheint.