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nmz-archiv
nmz 2007/03 | Seite 8
56. Jahrgang | März
Magazin
Genre-Barrieren in den Köpfen nicht gefragt
Ein Meisterkurs für Popmusik – Interview mit Udo Dahmen
zum Thema „PopCamp“
PopCamp ist eines der jüngeren Projekte der Deutschen Musikrat
gGmbH und will als ein „Meisterkurs“ für Popmusik-Bands
oder -Einzelmusiker vorbereiten auf einen Berufsweg im Bereich
der populären Musik und des Jazz. nmz-Chefredakteur Andreas
Kolb traf sich mit Udo Dahmen, Präsidiumsmitglied des Deutschen
Musikrats und Ideengeber für PopCamp, zum Gespräch.
neue musikzeitung: Warum heißt der Meisterkurs für Pop „PopCamp“?
Was für eine Idee steht dahinter? Udo Dahmen: Die Idee ist ganz einfach: Pop ist in diesem Zusammenhang
eine Verkürzung des Ausdrucks „populär“,
was bedeutet, dass die ganze Spannbreite von moderner Musik abgedeckt
wird. Das reicht von Jazz zu Hip-Hop, vom Songwriter bis zum Hardcore.
Das Camp wird verstanden als „Lager“ im positivsten
Sinne, wo sich Leute treffen, die ein gemeinsames Interesse haben
und eine gute, produktive Zeit verleben möchten.
nmz: Bedeutet Meisterkurs auch
Elitenförderung so wie in der
klassischen Musikausbildung? Dahmen: Ich sehe heutzutage keine Unterschiede
mehr zwischen der populären Musik, dem Jazz und der klassischen Musik. Auch
in der populären Musik spielen die Protagonisten ihr Instrument
in der Regel schon viele Jahre und haben in den Bands und Ensembles,
in denen sie zusammenarbeiten, versucht, eine eigene Sprache zu
finden. Es werden die Stärken noch besser herausgearbeitet
und die Schwächen ausgeglichen. Das Camp schafft eine Plattform,
auf der sich diese Bands begegnen können, was im normalen
Leben wahrscheinlich nicht stattfinden würde. Auch die Dozenten
kommen aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Das reicht von Frank
Möbus,
der aus dem Jazz kommt und ein sehr offenes künstlerisches
Konzept vertritt, bis zu Michael Koschorrek, dem Gitarristen der
Söhne Mannheims, und vielen anderen, die viele unterschiedliche
Richtungen vertreten und neue Aspekte in die jeweiligen musikalischen
Vorlieben der einzelnen Protagonisten bringen.
Von
links: Henning Rümenapp (künstl. Leiter), Prof.
Udo Dahmen (Ideengeber)
Michael Teilkemeier (Projektleitung). Foto: Jonathan
Gröger/DMR
nmz: PopCamp wäre ja kein Projekt des deutschen Musikrats,
wenn es nur um ästhetische und stilistische Fragen ginge,
sondern es ist eine Fördermaßnahme, um Leute vielleicht
auch in einen entsprechenden Beruf zu führen. Wie sieht so
eine Popkarriere auf dem freien Markt aus? Dahmen: Tatsächlich ist es so, dass die meisten Musiker, Komponisten,
Texter und Producer Patchwork-Karrieren erleben. Das wird sich
in Zukunft nicht ändern. Oft beginnen die einzelnen Spieler
als Sideman oder Sidewoman in einer Band und fangen dann an, für
die eigene Band zu schreiben, zu produzieren und zu arrangieren.
Im nächsten Schritt spielen sie oft nicht mehr in der Band,
sondern stellen das Produzieren und Komponieren in den Mittelpunkt,
gründen auch kleine Studios, Verlage und Plattenfirmen. Bei
manchen kommt noch ein wenig Unterrichtstätigkeit dazu. Diese
Dinge bestehen alle nebeneinander mit bestimmten Schwerpunktlagen
in bestimmten Lebensabschnitten. In der Förderung geht es
darum, alle diese Faktoren bei den Musikern zu entwickeln. Auch
in einer ersten Phase des Bekanntwerdens mit einem eigenen Projekt
oder einer Band spielt das Unternehmertum, das Selbstgestalten
und Vermarkten eines Projekts, eine ganz entscheidende Rolle, weil
niemand da ist, der zum Beispiel die Vermarktung für die Protagonisten übernimmt.
In Zukunft werden für viele Künstler die Regel-Schallplattenfirmen
eher kleine Independent-Labels sein, die eine Produktion veröffentlichen,
aber in aller Regel keine großen Gelder dafür ausschütten
werden. Neue Plattformen wie eine eigene Website, MySpace oder
YouTube müssen auch genutzt werden und leben von der Eigeninitiative
der Musiker. In einer Ausbildung muss neben dem künstlerischen
und dem medialen Aspekt auch die kaufmännische Seite der Vermarktung
und die Kenntnis von wirtschaftlichen, steuerlichen und juristischen
Zusammenhängen eine Rolle spielen.
nmz: Welchen Stellenwert nimmt
das PopCamp beim deutschen Musikrat in den letzten Jahren ein? Dahmen: Mit der Neustrukturierung des Musikrates
vor drei Jahren wurde ich selbst in das Präsidium gewählt. Das geschah
vor dem Hintergrund, dass die populäre Musik innerhalb des
Musikrats einen höheren Stellenwert bekommen sollte. Auf der
einen Seite haben wir SchoolJam zusammen mit einem privaten Initiator,
dem Musik-Media-Verlag, aufgebaut. Hier werden Schülerbands
gefördert. Auf der anderen Seite wurden bei „Jugend
musiziert“ als Pilotprojekt auf der Landesebene die poptypischen
Instrumente wie E-Bass, E-Gitarre, Drumset und Keyboard eingeführt.
Ob auf Bundesebene, darüber entscheidet der Projektbeirat.
Drittens natürlich das PopCamp, jetzt schon im zweiten Jahr
bestehend, gefördert durch den Bundesbeauftragten für
Kultur und Medien. Das ist eine Pyramide: „Jugend musiziert“ als
breitenwirksame Initiative von der Basis bis zur Spitzenleistung,
SchoolJam als Schülerband-Wettbewerb und das PopCamp als Meisterkurs.
Diese drei Säulen haben wir als Entwicklung im populären
Bereich auf den Weg gebracht.
nmz: Aus einem Defizit heraus
ist innerhalb von wenigen Jahren sehr viel entstanden. SchoolJam
ist inzwischen durchaus eine Konkurrenz
zu SchoolTours geworden. Dahmen: Durch die unterschiedlichen Konzepte stehen
sie sich nicht gegenseitig im Weg. SchoolJam ist ein bundesweit
organisierter
Schülerband-Wettbewerb, den der Deutsche Musikrat gemeinsam
mit dem Musik-Media-Verlag organisiert und der nach Semifinals
in allen Bundesländern in einem großen Finale während
der Frankfurter Musikmesse abschließt. SchoolTours ist eine
Initiative der Deutschen Phonoakademie in den Schulen, die jeweils
einwöchig auf der Basis populärer Musik verschiedene
Schulklassen miteinander verbindet und die Schüler zur Eigeninitiative
anregt. Insofern ergänzen sich die beiden Programme wunderbar.
Bei einer der letzten SchoolTours in Berlin in der Rütlischule
konnte durch den Initiator von SchoolJam, Gerald Dellmann, eine
komplette Bandausstattung an die Schule gespendet werden. Beide
Initiativen ergänzen sich insofern sehr gut.
nmz: Pop-Instrumentalisten sind
inzwischen in den anspruchsvollen Wettbewerb „Jugend musiziert“ aufgenommen worden. Dahmen: Ich war persönlich beim Landeswettbewerb Nordrhein-Westfalen
in Köln anwesend und habe dort die Vision als weitestgehen
eingelöst gefunden. Ich weiß, dass es viele Jugendliche
gibt, die die Instrumente der Popmusik hervorragend spielen und
sich in einem solchen Rahmen einem Wettbewerb gerne aussetzen.
Ganz offensichtlich ist dieser Umstand des jungen Virtuosen auch
im Popbereich bis dato von vielen Vertretern der klassischen Musik
noch nicht wahrgenommen worden. Bei den Drummern, und wie mir berichtet
wurde, auch bei den anderen poptypischen Instrumenten wie E-Gitarre
oder auch beim DJing hat sich dies jedoch bereits im ersten Jahr
des Pilotprojektes eingelöst. Ganz spannend war es bei der
E-Gitarre, wo 12- bis 14-jährige Kids Solotranskriptionen
von Virtuosen wie Steven Vai und Joe Satriani spielen. Auf der
einen Seite zeigt dies, auf welch hohem Niveau die Jugendlichen
im Popbereich heutzutage zu spielen in der Lage sind. Auf der anderen
Seite kann damit den jungen Spielern jetzt endlich eine Plattform
geboten werden, auf der sie auch ihre solistischen Fähigkeiten
darstellen können, und kann ihnen, ihren Lehrern und den Musikschulen
die Motivation gegeben werden, sich zu beteiligen.
nmz: Fürchten Sie da Überschneidungen mit PopCamp und „Jugend
musiziert“? Dahmen: Es besteht großes Einvernehmen darüber beim
Musikrat, dass die Einführung der poptypischen Instrumente
bei „Jugend musiziert“ eine hervorragende Ergänzung
des gesam-
ten Wettbewerbsprofils darstellt. Es ist an der Zeit, Qualitäten
in allen unterschiedlichen Stilbereichen zu verbinden und sich
für die Zukunft in einem kreativ-künstlerischen Zusammenhang
auf einem gewissen Niveau zu begegnen. Eine gegenseitige Ausgrenzung
besteht in den Köpfen der Jugendlichen nicht mehr und dem
müssen wir heutzutage entsprechen.