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nmz-archiv
nmz 2007/03 | Seite 16
56. Jahrgang | März
Musikwirtschaft
„Wie wär’s denn mal mit einer Traviata?“
Ein Symposium über Freundeskreise in Berlin
Eines wurde schnell klar beim Symposium „Wie man sich Freunde
schafft …“, zu dem der Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft
im BDI eingeladen hatte: Der Begriff „Freund“ im Zusammenhang
mit Freundeskreisen kultureller Institutionen ist nicht als Floskel,
sondern ernst gemeint.
Eberhard
von Koerber sprach die Keynote. Foto: Kulturkreis d. dt.
Wirtschaft
Tatsächlich sollte eine gute Beziehung die Kooperation zwischen
Freundeskreis und Kulturbetrieb begleiten: eine inhaltliche Beziehung
zwischen dem „Freund“ und den Aktivitäten der
Institution, eine persönliche zwischen den agierenden Menschen.
Sonst kann die Luft sehr schnell dünn werden, wie Peter Raue
in seinem Vortrag über mögliche Spannungen zwischen „Freunden“ und
kulturell Aktiven andeutete: Wenn ein Theater zum Beispiel einen
Intendantenwechsel vornimmt, einhergehend mit der Auswechslung
zumindest eines Teils des künstlerischen Personals, dann kann
sehr schnell die „Freundschaft“ abkühlen. Ein
Freundeskreis aber, der sich als solcher nicht (mehr) fühlt,
sollte über sein weiteres Engagement gut nachdenken. „Friendraising
geht vor Fundraising“ – so drückte das Eberhard
von Koerber vom Stiftungsrat der Berliner Philharmoniker bereits
im Eingangsreferat aus.
Erst muss die persönliche Beziehung, möglichst bereits
ein Netzwerk von persönlichen Beziehungen existieren, dann
kann man über Förderung und über Geld sprechen.
Im Übrigen verstehen sich Freundeskreise nicht in erster Linie
als Geber, eher als Sammler von Geld. Darüber hinaus helfen
sie aber auch durch Bereitstellung von Know-how, zum Beispiel bei
juristischen oder wirtschaftlichen Fragen.
Paradebeispiel für das funktionierende „Networking“ ist
der Freundeskreis europäischer Jugendorchester in Berlin,
der vor acht Jahren das überaus erfolgreiche Festival „Young
Euro Classic“ ins Leben rief. Das ist nicht der übliche
Weg: Normalerweise bildet sich ein Freundeskreis zur Unterstützung
einer Institution, wie zum Beispiel der Verein der Freunde der
Berliner Nationalgalerie oder der Freundeskreis der Berliner Staatsoper.
Der YEC-Freundeskreis nun nutzte die bereits existierenden Netzwerk-Kontakte
für etwas Eigenes; das Netzwerk wird inzwischen ständig
größer, und heute gibt es, wie die Festivalleiterin
Gabriele Minz in einer Diskussionsrunde erläuterte, bereits
ein weiteres Gremium: die „Freunde des Festivals“,
einen Freundeskreis eher im klassischen Sinne.
Die Frage nach Art und Qualität der Freundschaftsbeziehung
ließ Diskutanten und Zuhörer nicht los. „Suchen
Sie sich Ihre Freunde aus?“ lautete eine Frage aus dem Publikum,
und: „Was tun, wenn ein unsympathischer Mensch eine aktive
Rolle im Freundeskreis übernimmt?“ Die Akteure auf den
Podien sparten die Antworten größtenteils aus. Im Kaffeepausengespräch
mit Vertretern beider Seiten blieb das Thema jedoch präsent.
Wer wagt es schon, einen „Freund“ oder gar ganzen Freundeskreis
fallen zu lassen, mit dem man zwar nicht auf einer Wellenlänge
ist, der aber doch das eine oder andere Projekt finanziert? Den
Mut zur Trennung muss man sich erst einmal leisten können.
So lange es Mäzene, Sponsoren, Freundeskreise gibt, steht
die Frage im Raum, ob und inwieweit sich diese in künstlerische
Belange einmischen (dürfen). Einiges wurde hier – manchmal
nur am Rande – ausgesprochen, das zwar nicht salonfähig,
aber realitätsnah ist. „Wie wär’s denn mal
mit einer Traviata?“ – Die durchaus denkbare Frage
eines privaten Geldgebers wurde von Peter Raue beispielhaft in
den Raum gestellt. Freundeskreise seien durchaus nicht an die Vorgabe
gebunden, jedwede Unabhängigkeit zu garantieren, und engagierte
Freunde reden gerne mit. Der Dialog über Inhalte kann in vielen
Fällen sinnvoll sein. Er muss aber Grenzen haben.
Natürlich können Private häufig ganz anders agieren
als öffentliche Geldgeber, deren Entscheidungen in der Regel
lange und schwierige Instanzenwege durchlaufen. Das Erfolgsprojekt „MoMa“ in
Berlin verfügte über zirka eine Million Euro fürs
Marketing – eine Ausgabe, so Raue, die bei öffentlicher
Förderung sofort in den Streichtopf gewandert wäre, die
aber für die Akzeptanz und Begeisterung des Publikums ausschlaggebend
war. Auch hier aber kann es zu Spannungen kommen: Wer trifft denn
eigentlich die Entscheidungen über die Ausgabe von Spenden?
Wer verwaltet das von den „Freunden“ eingeworbene Geld?
Fragen, die mit jenen nach der künstlerischen Unabhängigkeit
eng einhergehen. „Wer zahlt, schafft an“, heißt
es. Der Grad zwischen dem fruchtbaren Dialog und der Verletzung
der künstlerischen Freiheit ist gar nicht so breit.
Dies sind heikle Fragen, so dass sie kaum auf offener Bühne
vor viel Publikum intensiv diskutiert werden können. Verdienstvoll
ist es allemal, dass der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft solche
Themen publik macht. Im Übrigen ist eine solche Veranstaltung
ein ideales Forum, um Fragen zum Beispiel juristischer oder finanzpolitischer
Art zu stellen und zu beantworten. Ganz abgesehen davon, dass diverse
Pausen bereits Gelegenheit zu neuem „Networking“ geben.
Immerhin bildeten durchaus nicht nur Vertreter kultureller Institutionen
das Publikum. Offenbar sind auch die „Freunde“ daran
interessiert, sich weiterzubilden und zu diskutieren. Sie kamen
in großer Zahl.
Ein kurzer Blick auf das Abschlusspanel der Veranstaltung: Mit
seiner Äußerung „Die Öffentlichkeit fördert
Kultur, weil es nicht genug private Förderung gibt“,
zeigte Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin Flagge. Der in der
Regel herrschende Konsens darüber, dass private Förderer
die Öffentlichkeit keinesfalls aus ihrer kulturellen Verantwortung
befreien dürfen, wurde hier ins Gegenteil verkehrt. Die wahren
Freunde der Kultur sollten sich davon nicht abschrecken lassen.