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nmz-archiv
nmz 2007/03 | Seite 18
56. Jahrgang | März
Hochschule
Musik hat ihren Wert für alle
Nachruf auf den Hochschullehrer Werner Probst (19. Juni 1925
bis 28. Januar 2007)
Werner Probst ist am 28. Januar 2007 im Alter von 81 Jahren gestorben.
Generationen von Studierenden nannten ihn in bestem Ruhrgebietsdeutsch „Vatta“ – auch
wenn sie aus Bayern, Baden-Württemberg und Berlin zum Studium
der Sonderpädagogik nach Dortmund gekommen waren. Von 1969
bis 1977 war der promovierte Musikpsychologe Werner Probst Dozent
und von 1977 bis 1990 ordentlicher Professor an der früheren
Pädagogischen Hochschule Ruhr und jetzigen Universität
Dortmund. Die Bezeichnung seines Lehrgebiets wechselt mit dem Vokabular
der politischen Correctness: Sein Lehrgebiet und sein Lebensinteresse
ist es jedenfalls, Kinder und Jugendliche mit Behinderung mit Musik
in Berührung zu bringen, ihnen die aktive Teilhabe am Musikleben
zu ermöglichen, sie zu Produzenten und überlegten Konsumenten
von Musik zu machen – und der Welt der Nichtbehinderten etwas
von der Bedeutung zu zeigen, die Musik und Instrumentalspiel im
Leben eines Menschen haben kann.
Das erste Arbeitsfeld von Werner Probst ist die Musikschule. Schon
während des eigenen Musikstudiums und des Studiums der Psychologie
in Köln ist er Lehrer und stellvertretender Direktor der Musikschule
der Stadt Leverkusen, dann Gründer und Leiter der Musikschule
Bochum.
Zwischen 1966 und 1969 stellt das Leben besondere Weichen – Gleis
1: Die Leiterin einer Tagesstätte für geistig Behinderte
in Bochum tritt an Werner Probst mit der Bitte heran, Musik in
ihre Einrichtung zu bringen. Er nimmt die Aufgabe an und erschließt
sich experimentierend und forschend die musikalische Arbeit mit
diesen besonderen Kindern. Gleis 2: Zeitlich parallel verfolgt
Anton Reinartz, Professor an der Pädagogischen Hochschule
Ruhr in Dortmund das Ziel, das Fach Musik in der Ausbildung für
das Lehramt der Sonderpädagogik zu etablieren. Gleis 3: Werner
Probsts Frau Elisabeth führt gelegentlich Gespräche mit
ihrem verehrten akademischen Lehrer Michael Alt. Alt ist Professor
für Musikdidaktik an der PH Ruhr und erfährt so – eher
zufällig – von den musikpsychologischen Arbeiten und
Interessen Werner Probsts. Als Reinartz dann Alt nach einem fachkompetenten
Kollegen für das neu einzurichtende Lehrgebiet „Musik
mit Behinderten“ fragt, kommt Werner Probst ins Spiel. Gleis
4: 1969 ist Werner Probst Dozent für Musikerziehung bei Behinderten
an der Pädagogischen Hochschule
Ruhr – und bei seinem Lebensthema angekommen.
Was Werner Probst zum „Vatta“ macht, ist seine integrierende
Kraft. Nie hat er vergessen, dass seine Wurzeln in einem Handwerkerhaushalt
in Leverkusen liegen, nie hat er seine berufliche Erst-Heimat Musikschule
vergessen. Ersteres macht ihn unprätentiös, pragmatisch
und uneitel, kurz zu einem der angenehmsten Hochschullehrer, den
man sich denken kann. Letzteres führt zur Verbindung der Systeme
Musikschule – Schule – Hochschule. Der Modellversuch „Instrumentalspiel
mit Behinderten und von Behinderung Bedrohten – Kooperation
von Musikschule und Schule“, durchgeführt von 1979 bis
1983, führt den Nachweis, dass Kinder und Jugendliche mit
Behinderung natürlich erfolgreich Schülerinnen und Schüler
der Musikschulen sein können – wenn nach angemessener
Motivationsphase angemessene Situationen geschaffen und Musikschullehrer
entsprechend ausgebildet werden. Der Grundansatz: Jeder Mensch
ist in der Lage, Musik zu erleben und insofern musikalisch. 1979
gibt es bundesweit nur etwa 500 Schüler mit Behinderung an
deutschen Musikschulen – heute, im Jahr 2007, sind es 6.700,
unterrichtet von fast 500 Lehrkräften, die durch den Lehrgang „BLIMBAM“ an
der Akademie Remscheid ausgebildet wurden.
Werner Probsts Überzeugungen, sein Blick auf die Menschen
mit Behinderung, seine intensive Arbeit an der Öffnung der
Musikschulen für diese Gruppe der Bevölkerung hat die
Biographien von tausenden von Menschen verändert. Tausende
von Menschen mit Behinderung, denen dies nicht in die Wiege gelegt
schien, sind heute Produzenten von Musik, sie nehmen mit Freude
und Interesse als aktiv Musizierende am musikalischen Leben der
Gesellschaft teil. Der Alltag von tausenden von Menschen ist erfüllt
von musikbezogenen Aktivitäten, gewinnt an Freude und an Sinn – weil
Werner Probst sich von Skeptikern nie beeinflussen ließ.
Mit den 90er-Jahren, kurz vor dem Übergang in den so genannten
Ruhestand, beginnt die Zeit der Ehrungen und Auszeichnungen. 1989
wird Werner Probst der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen
verliehen, 1990 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. 1999 erfolgt
die Verleihung des Ehrenringes der Stadt Bochum, 2001 die Carl-Orff-Medaille
des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen. Der Un-Ruhestand
bringt eine aktive Zeit, erfüllt von zahlreichen Kursen und
Vorträgen im In- und Ausland.
Alle, die bei ihm studierten und mit ihm gearbeitet haben, trauern
heute in Anteilnahme mit der Familie um Werner Probst. Schließlich
bleiben aber die Freude und der Dank darüber, ihn gekannt
zu haben.