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nmz-archiv
nmz 2007/03 | Seite 28
56. Jahrgang | März
Hochschule
Leise Kraft und starke Seele
Zum Tod von Werner Probst
Seine sanfte Stimme klang fast zerbrechlich, war aber in dieser
ruhigen Art von solcher Überzeugungskraft, dass Widerspruch
jedem schwer fiel, obwohl fachlicher Disput durchaus willkommen
gewesen wäre. Sein Humor und seine lachenden Augen haben immer
zu einem kommunikativen Spiel eingeladen, das Ernsthaftigkeit und
Tiefe besaß, wie man sie nicht oft findet – eine fröhliche
Wissenschaft eigener Art.
Sich selbst nicht zu wichtig nehmen war immer ein Leitgedanke,
die Relativierung der eigenen Person Markenzeichen der rheinischen
Geisteshaltung oder auch Erfahrung des Angehörigen der Kriegsgeneration.
Und doch legte er in Professur und staatliche Auszeichnung so viel
Gewicht für die vertretene Sache – die musikalische
Arbeit mit behinderten Menschen, dass sie von außen mit der
verdienten Ernsthaftigkeit wahrgenommen wurde und wird. Überhaupt,
die Achtung vor dem Gegenüber: Jeder, der mit ihm sprach,
hatte das Gefühl, für diesen Moment im Mittelpunkt seiner
Betrachtung und Aufmerksamkeit zu sein, merkte aber auch, wie in
ihm zugleich viele Gedanken arbeiteten, die über das Gespräch
hinausragten.
Die Musikschule Bochum, die er nach seinen Musikschuljahren in
seiner Geburtsstadt Leverkusen aufbaute, war immer eine Drehscheibe
der Musikschulpolitik und Impulsgeber in der Musikschullandschaft.
Namen wie Read, Starzinger, von Gutzeit und Grunenberg sind alle,
wenn man so will, Freunde und „Kinder“ von Werner Probst. Übrigens
zum Ausspruch „Kinder“: Wenn Werner Probst dieses Wort
in den Mund nahm, wurde man sofort konzentriert wieder an den Kern
der Sache herangeführt, den man soeben im Überschwang
der Gedanken zu verlassen gedachte. Die Sache, die ihn bewegte,
war, nach und neben vielen anderen Aktivitäten, das Musizieren
mit behinderten Menschen. Dieses umfangreiche Arbeitsfeld forderte
seinen ganzen Einsatz: die Erarbeitung von Bildungs- und Unterrichtskonzepten,
die Erforschung von Praxismodellen und, ausgehend vom Modell-Lehrgang,
die Entwicklung von Fortbildungen, die Veröffentlichung von
Standardwerken und vor allem die Ausbildung von Generationen von
Studierenden als Professor an der Universität Dortmund. So
viele von seinen Schülerinnen und Schülern wirken heute
an Musikschulen und anderen Instituten in seinem Geist fort, in
der musikalischen Arbeit mit Behinderten, in integrativen Gruppen,
aber auch wieder in der Lehre, allen voran Irmgard Merkt als Nachfolgerin
auf seinem Lehrstuhl in Dortmund.
Doch nicht dieses Markenzeichen allein steht für die weit
gespannte Wirkung, die Werner Probst in seinem Arbeitsleben entfaltet
hat. Der Aufbau der deutschen Musikschullandschaft (u.a. als Fachberater
der Landesregierung NRW für das Musikschulwesen) stand über
lange Jahre vor der Berufung an die Universität im Mittelpunkt
seines Handelns. Dabei legte er viel Wert auf die Begegnung mit
Musik im frühen Lebensalter und auf Zugangsoffenheit der Musikschule.
Die Entwicklung und Erarbeitung des Lehrplans „Musikalische
Grundausbildung“ im Verband deutscher Musikschulen ist das
Werk von Werner Probst. Die Mitwirkung in zahlreichen weiteren
VdM-Konzepten wie etwa dem Strukturplan und der Musikalischen Früherziehung,
die unzähligen Aufsätze und Vorträge, die Mitarbeit
bei den Musikschul-Kongressen und Tagungen, die vielen Beratungen
von Musikschulen – all dies zu beschreiben, erfordert eigentlich
die Herausgabe einer eigenen Biographie. Die Arbeit und die Bedeutung
von Werner Probst in den Jahrzehnten seiner ehrenamtlichen Tätigkeit
im Verband deutscher Musikschulen, davon lange Jahre im Bundesvorstand
und als stellvertretender Bundesvorsitzender des VdM, können
hier gar nicht ausreichend beschrieben und genug gewürdigt
werden. Einiges ist im Rückblick und der Chronik zum 50-jährigen
Bestehen des VdM nachzulesen, was aber ebenso wenig die Vielfalt
und die Tragweite seiner Aktivitäten widerspiegeln kann. Auch
die zahlreichen Ehrungen lassen nur wenig erkennen, wie tief Werner
Probst in die Musikschulszene hinein gewirkt hat und heute noch
wirksam ist. Es ist so vieles an Strukturen und Arbeitsweisen in
Musikschulen der Persönlichkeit von Werner Probst zu verdanken,
was meist dadurch ausgelöst und realisiert wurde, dass er
seine Gesprächspartner immer für die wichtigen Dinge
aufgeschlossen machte und sie davon überzeugte, sei es den
Einzelnen im vertraulichen Gespräch, sei es die Gruppe in
der Sitzung eines Gremiums. Jeder hat durch die Kraft von Werner
Probst gewonnen, am meisten die Sache, die er jeweils vertrat.
Uns beiden als dem ehemaligen und dem amtierenden Bundesgeschäftsführer
des VdM, die er wie den gesamten Verband immer unterstützt
hat, wird Werner Probst in seiner warmherzigen und weisen, freundschaftlichen
und Rat gebenden Art sehr fehlen. Wir sind traurig, dass er von
uns gegangen ist, und dankbar, dass wir ein Stück gemeinsamen
Weges haben durften.