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nmz-archiv
nmz 2007/03 | Seite 47
56. Jahrgang | März
Rezensionen-CD
Spektrum an Gefühlen, Ehrlichkeit und Freude
Neuerscheinungen aus dem Musiksektor Pop · Von Sven Ferchow
Peter von Poehl ist Songwriter und Sänger deutsch-schwedischer
Herkunft. Seinen Songs haftet ein wenig das Image des „Hans
guck in die Luft“ an. Verträumt, naiv, fast trottelig.
Aber unglaublich schön, warm und erweichend eben. So, dass
man ihn zum guten Freund haben möchte. Gern bei ihm sein würde.
Seine Welt in der eigenen haben möchte. Ja, so kann Songwriting
zwischen Pop, Folk und Tradition klingen. Sehr aufwühlend.
Vermutlich auch deswegen, weil PvP den Mumm hat, auch mal elektronisch
zu werden und dazu zu stehen. Andere verstecken sich da oft (www.petervonpoehl.com).
Roberto Fonseca, geboren 1975 in Havanna (Kuba), scheint ein
neuer Label-Star bei Enja zu werden. Der Pianist und Sideman und
Hip-Hop-Produzent
und Filmkomponist und das Mode-Mannequin wird international bereits
als der kommende Klimpermann gefeiert. Was dann auf „Zamazu“ zu
hören ist, bestätigt die internationale Presse sehr gekonnt.
Als Grundlage gibt es kubanisches Flair. Dazu Jazz und Soul. Schwesterlich
vereint mit Melancholie und Lebensfreude. Die Rhythmen treiben
an oder lassen innehalten. Die Gesänge sind der Anker, Fonsecas
Klavier die Hauptschlagader. Bravourös, welches Spektrum an
Eindrücken und Gefühlen er in jeden Song packen kann.
Gekonnt und souverän zugleich. Ja, es könnte klappen
mit dem Star (www.enjarecords.com).
Bereits das letzte Album von Schorsch&
de Bagasch „sekänd händ blues“ überzeugte
mit Ehrlichkeit, Authentizität und Geradlinigkeit. Dazu bayerischer
Blues, vom Schorsch selbst verfasst, eng an den Wurzeln dieser
so uramerikanischen Musikrichtung. Aber: Schorsch & de Bagasch
finden da ganz prima ihren eigenen Weg. Auch auf dem neuen Album „Mit
offene Knia“ brilliert die bayerische Seele, dominiert ein
ausgefuchster Blues und lässt die Ohren spitz werden, wenn
der Schorsch die Geschichten und Probleme des Alltags erzählt.
Oft mit klarer Tendenz zum eigenen Leben, stets mit entwaffnender
Ehrlichkeit, die alle Gehirnzellen in Wallung bringt. Blues aus
Bayern war nie schwärzer (www.debagasch.de).
Ein Album, das dringend zu empfehlen ist. Weil: Es zeichnet die
Entwicklung einer Band nach, die weiß Gott alles mitgemacht
hat. Erfolg, Tränen, Majordeal, gute Songs, beschissene Alben
und wunderbare Tourneen. Gemeint ist das englische Trio Belasco,
das mittlerweile aber fundierte deutsche Wurzeln in puncto Marktmechanismen
geschlagen hat. Mit dem neuen Album gehen die Engländer alle
diese Erfolge und Niederlagen mutig an, fordern sie auf, der Band
ins Gesicht zu schlagen und zeigen dem Teufel der Phonoindustrie
grimmig ihre eigene Fratze. Deshalb funktioniert dieses Album britischer
Rock-/Popmusik so vorzüglich. Es ist echter als echt und um
Meilen, wenn nicht Kilometer, besser als jedes aufgesetzte Coldplay-
Album dieser Welt. Verdient Unterstützung (www.belasco.de).
Prinzipiell müsste man in ein Album, das von Lyambiko kommt,
gar nicht reinhören. Das kann man blind kaufen, insbesondere
wenn man heute noch ob der großartigen Alben 1 und 2 („Lyambiko“ und „Love … And
Then“) vor Aufgeregtheit flennt und Tränchen wischt.
Wie sollte es also mit „Inner Sense“ anders sein? Eben.
Madame Lyambiko samt ihren Musikpartnern Marque Lowenthal (Klavier),
dann Robin Draganic (Bass) und am Schlagzeug Heinrich Köbberling
bereitet uns 13 Songs der Freude auf. Ob das die unglaublich dynamischen
wie kribbeligen Eigenkompositionen sind oder der Aufguss solcher
Jazzklassiker wie „Stompin’ At The Savoy“ (Benny
Goodman) oder „Somebody To Love“ von Freddie Mercury – es
passt, tönt und klingt jederzeit heroisch. Man wechselt vom
Kellerbar-Tempo ins Theater-Swing-Tempo, man forciert Gefühle
oder arbeitet mit kultivierter Distanz. Man ist großartig.
Beziehungsweise Lyambiko (www.lyambiko.com).
Diskographie
Peter von Poehl – Going to where the tea
trees are, Herzog Records, März 2007
Roberto Fonseca – Zamazu, Enja/Soulfood, Februar 2007
Schorsch & de Bagasch – Mit offene Knia,
Mundart Ageh, Februar 2007
Belasco – 61, Supermusic, Februar 2007
Lyambiko – Inner Sense, SonyBMG, Februar 2007