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nmz-archiv
nmz 2007/03 | Seite 47
56. Jahrgang | März
Rezensionen
Kurz vorgestellt
CDs
Eduard Erdmann: Sinfonie Nr. 4; Monogramme; Ständchen. Brandenburgisches
Staatsorchester Frankfurt, Israel Yinon. cpo 777 175-2
Der große Pianist (umwerfend Schubert oder Beethoven!) Eduard
Erdmann (1906–1958) hat auch ein schmales kompositorisches
Werk hinterlassen. Seine 1951 vollendete 4. Sinfonie erweist sich
dabei als formal komplex gedachtes, kühnes und schroffes Spätwerk,
das in seiner Diktion und wegen der konzisen thematischen Arbeit
manchmal von Ferne an Schönberg erinnert, gleichwohl aber
eine unverwechselbare Sprache besitzt. Wenn man die Sinfonie hört,
versteht man, warum Erdmann so berückend analytisch und
zugleich sinnstiftend Klavier zu spielen wusste.
Ulrich Stranz: nicht mehr – noch nicht; Contrasubjekte;
Musik für Klavier und Orchester Nr. 2; Anabasis; Aus dem Zusammenhang.
Diverse Interpreten. Wergo 6688 2
Der im Jahr 2004 noch nicht 60-jährig gestorbene Ulrich Stranz
war zu Lebzeiten immer etwas an den Rand der Ereignisse gerückt
worden. Sein einfacher, stiller und reduzierter, mit tonalen Fragmenten
arbeitender Stil passte nur schwer in die Zeit und war im Grunde
auch nicht dem oft lackiert wirkenden Äußeren der Postmoderne
anzudienen. Ein kleiner Kreis von Freunden hielt ihm die Stange.
Langsam wird man gewahr, wie Recht sie hatten. Denn es tun sich
rätselhafte Wunderwelten aus stiller Einkehr und Sehnsucht
nach Weite auf, wie sie kein anderer so zu formulieren wusste.
George Crumb: Songs, Drones,
and Refrains of Death; Quest. Ensemble
New Art, Fuat Kent. Naxos 8.559290
Beschwörende Riten, Exorzismen, Evokationen, finstere Gesichte,
gleißende Helligkeiten – all dies prägt die Musik
von George Crumb, der sich mit vertrautem Vokabular (einiges findet
sich auch in Partituren zu Horrorfilmen) in durchaus unvertraute
und obskure Regionen begibt. Das macht das Spannende seiner Musik
aus. Sie führt in Zonen des Unbewussten und zeigt uns Bilder,
die wir, wie im Traum, schon einmal gesehen zu haben meinen. In
den zwischen 1962 und 1968 entstandenen Lorca-Liedern sind diese
Mittel sehr direkt und plastisch eingesetzt, in „Quest“ von
1994 bewegen sie sich hintergründig auf der Ebene von
Andeutungen.
Dieter Schnebel:
Orchestra, Symphonische Musik für mobile
Musiker. Studierende und Lehrende der Universität der Künste
Berlin, der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“.
Dirigenten: Jobst Liebrecht, Harry Lyth, Dimitri Kofeinikow.
Wergo 6674 2
Ein Stück, das Orchestra heißt, ist nicht nur für
Orchester geschrieben, sondern denkt auch über dessen Zustand
nach. So machte es jedenfalls Dieter Schnebel in seinem 1974 bis
1977 entstandenem Projekt für mobile Musiker (der Bewegungsapparat
ist gemeint, mehr noch die geistige Disposition). An Brisanz hat
das Stück bis heute nichts verloren. Zitate und Avantgardismen
im Wachtaumel.
Die Aufnahmen entstanden im Jahr 2004 beim Verbier Festival.
Und wieder einmal gelingt es Kissin auf berückende Art, ohne jegliche
Spur von Nachdruck oder von künstlicher Pointierung die Musik
in ihrer ganzen natürlichen Schönheit wachsen zu lassen.
Der Stolz der Polonaisen ist ja kein vordergründiger, es ist
einer der Distanz haltenden Eleganz und inneren Sicherheit. Bei
fast jedem anderen Pianisten würde Kissins Rücknahme
zum Langweiligen tendieren. Hier aber atmet die Musik herrlich
still, setzt leise Zeichen und gibt Ausdruck über den inneren
Reichtum, indem sie mit nichts protzt. Wunderbares Klavierspiel!