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nmz-archiv
nmz 2007/03 | Seite 48
56. Jahrgang | März
Noten
Neues und Altbewährtes für Klavierspieler
Improvisationen und Tänze für Klavier zwei- und vierhändig
Thomas Hamori: 36 Improvisations-Modelle für Klavier zu 2
und zu 4 Händen,
HBS Nepomuk, MN 12036.
Der Autor widmet sich mit diesem Band einem Thema, das im instrumentalen
Unterricht bewusster und stärker einbezogen zu werden
verdiente. Improvisieren gehörte in früheren Jahrhunderten
zum selbstverständlichen Handwerk eines jeden Instrumentalisten,
nicht nur des Organisten. Man denke zum Beispiel an die Selbstverständlichkeit,
mit der der Solist im Konzertsatz vor der Orchester-Coda eine kürzere
oder auch längere Kadenz improvisierend realisierte. Seit
dem 20. Jahrhundert gesellen sich Musiker aus dem Bereich der U-Musik
inzwischen zum Kreis von oft großen Könnern des Improvisierens.
Mit dem Notenband von Thomas Hamori liegt quasi ein kleiner
Lehrgang zum Thema in einer gut aufgebauten Folge von unterschiedlichen
Improvisationsmodellen vor, orientiert an dafür geeigneten
Vorlagen differenziertester Art aus der musikalischen Formenwelt.
Jedes dieser Modelle bleibt in der Behandlung konzentriert auf
eine Doppelseite beschränkt. Hamori nimmt sich im Vorspann
bescheiden zurück: „Es ist leichter, Improvisation zu
unterrichten, als darüber zu schreiben.“ Es darf ergänzt
werden: Man muss schon wissen, welche Register man in der Unterrichtspraxis
zu ziehen hat. Dann kann man sie beschreiben. Hamori versteht
wohl beides. Von Anfang an, bereits bei einfachen Grundübungen,
bezieht Hamori auch das Improvisieren zu zweit, also vierhändig
an einem Klavier, mit ein. Unausgesprochen bleibt, dass es auch
an zwei Instrumenten stattfinden könnte.
Johannes Brahms: Ungarische Tänze für Klavier zu vier
Händen,
Wiener Urtext Edition, UT 50 181
Den Notenausgaben, die zu diesem Werk bereits in großer
Zahl vorliegen und meistens auch weiterhin im Musikhandel zugänglich
sind, gesellte sich vor wenigen Jahren noch die Wiener Urtext Edition
hinzu. Ernst Herttrich besorgte die wissenschaftlich-textkritische
Begleitung der Ausgabe, Peter Roggenkamp die spieltechnische mit
Fingersätzen und fundierten Hinweisen zur Interpretation.
Zum Notentext selbst waren weniger noch neue Erkenntnisse zu erwarten.
Mit dem Notenbild in Partiturform, das heißt dem Notentext
für beide Spieler untereinander, unterscheidet sich diese
Ausgabe jedoch in einem wesentlichen Punkt von der über
Generationen im allgemeinen üblich gewordenen Präsentation
des Druckes für Primo und Secondo getrennt auf gegenüberliegenden
Seiten. Spieler, die das weniger gewohnt sind, sollten nicht vor
dieser Leseweise zurückschrecken. Peter Roggenkamps Bemerkungen
dazu, wie auch zu so manchen spieltechnischen Fragen, sind
sehr hilfreich. Man spürt den Praktiker mit großer
Erfahrung. Nicht nachzuvollziehen ist die Einordnung der Ungarischen
Tänze für Klavier zu 4 Händen durch den Wissenschaftler
als „Arrangement“ (So liest man in Herttrichs Vorwort).
Die Ungarischen Tänze in der vierhändigen Form sind
die Originalfassung, unabhängig davon, dass die zweihändige
Klavier- oder Orchesterfassung dicht aufeinanderfolgend entstand.
Bei den Walzern op. 39 von Brahms ist es bekanntlich ähnlich
gewesen.
Stefan Heucke: Der selbstsüchtige Riese, Märchen nach
Oscar Wilde für Sprecherin oder Sprecher und Klavier zu vier
Händen, Schott, ED 9895
Die Märchenwelt wird in der Musik gerne vier Händen
am Klavier anvertraut, und sie verbindet sich dann natürlich
eher mit leichten Stücken für den Klavierunterricht.
Hier ist ein Werk vorzustellen, bei dem der Komponist einen anderen
Weg gegangen ist. Für die als aktive Beteiligte
zu Interessierenden kommen nur sehr weit fortgeschrittene Klavierschüler,
Studierende, beziehungsweise professionelle Spieler in Betracht.
Die Anforderungen in der Lauftechnik mit komplexem Figurenwerk
und Akkordpassagen sind sehr hoch, darunter Terzentonleitern in
recht schnellem Tempo. Höchste Disziplin ist im Miteinander
der Spielpartner gefordert. Die Musik ist spürbar an tonmalerischen
Impulsen orientiert. Die Dreiklangswelt ist facettenreich präsent,
ohne sich dem Regelwerk der Klassik unterzuordnen. Bitonale Klangschichtungen,
Cluster und andere Verfremdungen sind einbezogen. Die Geschichte „Der
selbstsüchtige Riese“ von Oscar Wilde ist melodramatisch
als Sprechpartie in die Musik von Heucke eingearbeitet und entsprechend
zu realisieren. Das Angebot für den nur rezipierenden Interessentenkreis
hält das Werk als Bilderbuch bereit mit dem Text in deutscher Übersetzung
und hübschen kindgerechten Zeichnungen sowie einer CD, die
in hervorragender Wiedergabe des Klavierduos Andreas Grau und Götz
Schumacher mit Bettina Böttinger als Sprecherin das Werk akustisch
vermittelt: ED 9686. Diejenigen, die nach der Komposition Henckes
mit dem vollen Notentext Ausschau halten, werden nochmals auf die
bereits oben genannte Verlagsnummer hingewiesen. Die Notenausgabe
enthält auch den originalen Text in englischer Sprache.