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nmz-archiv
nmz 2007/03 | Seite 34
56. Jahrgang | März
DTKV Bayern
Junge Pianisten im Abschlusskonzert
Meisterkurs Klavier mit Prof. Kämmerling in der Bayerische
MusikAkademie Alteglofsheim
Seit 2004 bietet der Landesverband Bayerischer Tonkünstler
jährlich einen Meisterkurs für Klavier des renom-mierten
Pianisten Karl-Heinz Kämmerling an. An diesem Kurs nahmen
25 aufstrebende Pianistinnen und Pianisten teil, von denen sich
neun im Alter von 13 bis 21 Jahren im Schlusskonzert vorstellten.
Bereits bei früheren Konzerten wurde die zunehmende Tendenz
zu technischer Perfektion bei gleichzeitiger Vernachlässigung
der musikalischen Gehalte konstatiert. Das galt auch für Teile
des jüngsten Abends.
Der 13-jährige Amadeus M. Wiesensee stellte sich bei Claude
Debussys Prélude „La Cathédrale engloutie“ (Die
versunkene Kathedrale) weniger der technischen Bewältigung
als vielmehr der Verinnerlichung der impressionistisch eingefärbten
Studie, die ihm mit viel Einfühlungsvermögen überzeugend
gelang. Anders der Kroate Javor Bracic, der die Tanzcharaktere
der vier Sätze von Händels Suite g-Moll mal im akzentlosen
Dauerlegato, mal in perlender Fingerfertigkeit einebnete. Die 21-jährige
Armenierin Lilit Grigoryan begann Felix Mendelssohn Bartholdys
ausgreifende „Variations sérieuses“ d-Moll
op. 54 sensibel mit ausgeprägtem Klangsinn, verfiel aber zunehmend
mit flinken Fingern, donnernde Knalleffekte nicht scheuend, der
derzeitigen Tendenz im Klavierspiel: laut und schnell.
Mia Miljkovic aus Kroatien ließ im Kopfsatz „Durchaus
phantastisch und leidenschaftlich vorzutragen“ aus Robert
Schumanns Fantasie C-Dur op. 17 in ihrer Anfangsnervosität
offen, was ihr wichtiger war: eine schön gesungene melodische
Linie oder die dichte Begleitung. Dann aber löste sich die
rechte Hand von der linken, und sie traf den Charakter des Satzes
bestens.
Die technisch ausgereifte wie von tiefem musikalischen Verständnis
durchdrungene Interpretation von Robert Schumanns „Carnaval” op.
9 der erst 15-jährigen Italienerin Sophie Pacini war eine
veritable Sensation! Schumann zeichnet hier in 21 virtuosen Miniaturen
die Charaktere hinter den Masken des venezianischen Karnevals nach,
bindet seine geistigen Mitstreiter, den sanft strebenden Eusebius
und den wild vorpreschenden Florestan, ein, ebenso seine erste
Geliebte Ernestine von Fricken, deren Geburtsort Asch er mit der
Tonfolge A-Es-C-H zitiert. Dazwischen streut er Walzer und schließt
mit dem Tanz der Davidsbündler, seiner imaginären Künstlervereinigung.
Dieses kleinteilige Bild verstand Sophie Pacini aus sorgfältigst
gearbeiteten einzelnen Facetten zu einem überzeugenden Ganzen
zusammenzufügen. Eine gedankliche Meisterleistung, gepaart
mit technischer Souveränität! Wie die junge Pianistin
Imaginiertes greifbar werden ließ, das gelingt Älteren
nicht immer mit der unbekümmerten Direktheit Pacinis, die
dem Jugendwerk „Carnaval“ gut steht.
Valentina Babor (17), musikalisch reif und ausdrucksstark, formte
die kontrastreichen Gedanken des Kopfsatzes der 3. Klaviersonate
f-Moll op. 5 von Johannes Brahms zu einer Einheit von bezwingender
Ausdrucksdichte, dies pianistisch mit der wohl ausgeprägtesten
Anschlagskultur aller neun Vortragenden. Ihr Forte ist rund, nie
laut, entsteht geradezu zwingend aus klangvollen Piani. Sie präsentiert
mit überlegener Technik die musikalischen Gehalte. Die Tarantella
aus Franz Liszts „Venezia e Napoli“ ist als anspruchsvolles
Virtuosenstück auch musikalisch nicht ohne Reiz; sie wurde
in beiden Belangen eindrucksvoll von der Französin Justine
Verdier gestaltet. Mona Ott verstand „La Campanella“,
eine Paraphrase von Franz Liszt und Ferruccio Busoni über
den Schlusssatz aus Paganinis 2. Violinkonzert, lediglich als Mittel
zur Präsentation ihrer stupenden Technik. Katja Huhn gelang
es, mit Einfühlungsvermögen zwei spröde Sätze
aus der Klaviersonate Nr. 7 B-Dur op. 83 von Sergej Prokofieff
zum Klingen zu bringen, bevor sie den Abend stimmungsvoll mit der
hingehauchten Berceuse Des-Dur op. 57 von Frédéric
Chopin beschloss.