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2007/03 | Seite 35
56. Jahrgang | März
Bayerische Musikschulen
„Das habe ich in der Musikschule gelernt!“
VBSM-Präsident Landrat Hanns Dorfner zum Bildungsauftrag der
Sing- und Musikschulen
Über 131.000 Kinder und Jugendliche werden an den 215 öffentlichen
Sing- und Musikschulen in Bayern an die Musik herangeführt,
professionell am Instrument oder an der Stimme ausgebildet und
nachhaltig dazu befähigt, Musik auszuüben.
Die Musikschulen in den 800 beteiligten Städten, Märkten
und Gemeinden sind die Keimzellen, in denen unter optimalen Rahmenbedingungen
künstlerische Potenziale des musikalischen Nachwuchses erkannt,
gefördert und gefordert werden. In unseren Musikschulen wachsen
junge Menschen heran, die das Singen und Musizieren als einen wertvollen
Bestandteil ihres Lebens begreifen. Unterrichtet werden die Schülerinnen
und Schüler nach einem konsequenten musikpädagogischen
Konzept, das alle Entwicklungsstufen vom Kindergarten- bis zum
Erwachsenenalter beinhaltet. Ein Herzstück der Musikschularbeit
ist das gemeinsame Singen und Musizieren – im Chor, im Orchester
oder in der Band. Anlässe für das gemeinschaftliche Musizieren
gibt es genug, zum Beispiel regelmäßige Schülervorspiele,
Konzerte und Veranstaltungen innerhalb und außerhalb der
Musikschule oder die Teilnahme an Wettbewerben wie „Jugend
musiziert“.
Alois Glück, Präsident des Bayerischen Landtags, hob
anlässlich des Bayerischen Musikschultags 2005 in München
die Bedeutung der musikalischen Bildung für unsere nachfolgende
Generation hervor: „Es wird zu wenig erkannt, dass die Musikerziehung
für die persönliche Entwicklung der Kinder von großer
Bedeutung ist. Musikerziehung ist kein Schönheitspreis, sondern
ein zentraler Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung der jungen
Bevölkerung. Dies müssen wir sowohl in der pädagogischen
Diskussion als auch bei Eltern und Kommunalpolitikern verstärkt
bewusst machen.“ Die Bayerische Staatsregierung hat im Bayerischen
Musikplan von 1989 den öffentlichen Bildungsauftrag der Sing-
und Musikschulen formuliert: „Sing- und Musikschulen sollen
die Bevölkerung, insbesondere die Jugend, zum Singen und Musizieren
führen. Sie stellen ein breit gefächertes Angebot an
Grundfächern, an Vokal- und Instrumentalunterricht sowie an
Ensembleunterricht bereit. Ihr Schwerpunkt liegt auf der musikalischen
Breitenförderung. Darüber hinaus können sie auch
die Voraussetzungen für ein Musikstudium schaffen. Sie ergänzen
so den Musikunterricht an den allgemein bildenden Schulen.“ Infolgedessen
sind die Sing- und Musikschulen Bestandteil des allgemeinen musikalischen
Bildungswesens in Bayern.
Wir sind in der glücklichen Lage, dass
der Freistaat bereits 1984 die Qualitätsmaßstäbe für das
bayerische Musikschulwesen in der Sing- und Musikschulverordnung definiert hat.
Die Rechtsverordnung legt fest, dass die Führung der Bezeichnung „Singschule“ und „Musikschule“ an
die Erfüllung von Mindestanforderungen gebunden ist. Diese betreffen insbesondere
das fachliche Angebot und die Unterrichtsstruktur, die Qualifikation und rechtliche
Stellung der Lehrkräfte, die Ordnung für den inneren Betrieb sowie
soziale Gesichtspunkte bei der Gebührengestaltung. Diese Qualitätsmaßstäbe
sollen den „besonderen Wert dieser Lehrgänge für die musikalische
Erziehung der Jugend“ sichern. Die gesetzliche Grundlage für die Sing-
und Musikschulverordnung ist im Bayerischen Gesetz über das Erziehungs-
und Unterrichtswesen zu finden (BayEUG, Art. 128, Abs. 2). Die staatliche Schulaufsicht über
die Sing- und Musikschulen obliegt den Regierungen.
Gesamtkonzept
Ausgerichtet an den örtlichen Gegebenheiten bieten Sing- und Musikschulen
mit unterschiedlichen Schwerpunkten einen an der Nachfrage orientierten Fachunterricht
an:
Musikalische Früherziehung für Vorschulkinder und Musikalische Grundausbildung
für Kinder im Grundschulalter;
Instrumentalunterricht in Streich-, Zupf-, Blas-, Schlag- und Tasteninstrumenten
im Einzelunterricht und in kleinen Gruppen;
Gemeinschaftliches Singen und Musizieren sowie Musiktheorie (Ensemble-
und Ergänzungsfächer).
Die öffentlichen Musikschulen arbeiten somit nach einem durchgängigen
musikerzieherischen Gesamtkonzept von der Vorschule bis zum Eintritt ins Berufsleben,
leisten musikalische Breitenförderung mit Qualitätsanspruch und fördern
Begabte und Leistungsträger. Musikschulen bieten auch fachspezifischen Unterricht
für Menschen mit Behinderung an, unter anderem in integrativen Gruppen.
Spezielle Angebote für ausländische Mitbürger und der städtepartnerschaftliche
Austausch gehören oftmals dazu.
Rund 5.000 haupt- und nebenberufliche Lehrkräfte mit qualifizierter musikpädagogischer
Ausbildung eröffnen den Schülern in mehr als 63.000 Wochenstunden die
Welt der Melodien, Rhythmen und Akkorde. Die Ergebnisse des Musikschulunterrichts
können sich hören und sehen lassen:
Mehr als die Hälfte aller Preisträger des Wettbewerbs „Jugend
musiziert“ kommt aus öffentlichen Musikschulen;
Fortgeschrittene Musikschüler musizieren in allen überregionalen
Ensembles und Landesjugendorchestern;
Regelmäßig wirken Musikschulen an Tonaufnahmen sowie
an besonderen Projekten in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen
Rundfunk mit.
Ein Schwerpunkt der Musikschularbeit ist die Bereicherung
des kommunalen Kulturlebens, zum Beispiel in musikalischen Umrahmungen öffentlicher Anlässe, bei
Bürgerfesten und öffentlichen Kulturprogrammen oder in Kooperationsprojekten
mit allgemein bildenden Schulen, Kindergärten oder Musikvereinen.
Finanzgrundlagen
Der Besuch einer Musikschule ist für Kinder und Jugendliche freiwillig und
nur gegen Unterrichtsentgelt möglich. Die Musikschulen bieten ein soziales
Gebührensystem für Familien und Einkommensschwache. Als öffentliche
Bildungseinrichtungen sind sie fest im kommunalen Aufgabenbereich verankert – entweder
als unmittelbare kommunale Einrichtungen (135 kommunale Musikschulen im VBSM)
oder in privatrechtlicher Trägerschaft als gemeinnützige eingetragene
Vereine (80 e.V.-Musikschulen im VBSM) mit kommunaler Beteiligung. Die öffentlichen
Musikschulen lösen in mehr als 160 ehrenamtlichen Fördervereinen und
Elternbeiräten ein vielfältiges bürgerschaftliches
Engagement aus. Die e.V.-
Musikschulen unseres Verbandes werden von ehrenamtlichen Vorständen verantwortlich
geführt.
Der staatliche Förderbetrag von derzeit (netto) 9,7 Mio.
Euro, das entspricht
9,6 Prozent der Lehrpersonalausgaben, kommt den Musikschulen
mit den beteiligten Gemeinden direkt zugute – sowohl den Städten als auch den Landkreisen
und Gemeinden im ländlichen Raum. Der Freistaat aktiviert damit ein Vielfaches
an kommunalen Fördermitteln für die Musikschulen, und
zwar 52 Mio. Euro, das sind 44 Prozent der Gesamtausgaben baye-
rischer Musikschulen. Die Erfahrung lehrt, dass die bayerischen
Kommunen auf jede Erhöhung der staatlichen Musikschulförderung mit verstärkter
eigener Finanzleistung reagieren.
Zukunft gestalten
Die bayerischen Musikschulen reagieren auf die aktuellen bildungspolitischen
Veränderungen in Vorschule und Schule flexibel und setzen damit ihre erfolgreiche
Arbeit als musikalische Bildungspartner mit öffentlichem Auftrag fort. Im
Folgenden einige der aktuellen und zukünftigen Arbeitsfelder:
• Musik von Anfang an: Kindertageseinrichtungen und öffentliche
Musikschulen arbeiten in der Musikalischen Früherziehung
der Vorschulkinder bereits seit längerem zusammen. Erzieherinnen
und Musikschullehrkräfte stehen dabei immer in engem fachlichen
Dialog. Im neuen „Bildungs- und Erziehungsplan für
Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung“ (2005)
ist daher formuliert: „Besondere Bedeutung
kommt der Zusammenarbeit mit der Musikschule zu und der Pflege
des regelmäßigen
Kontakts.“ Als Beratungsstelle für die bayerischen
Sing- und Musikschulen erteilt der VBSM auch Kindertageseinrichtungen
Auskunft zu Fragen der Qualität
externer Anbieter.
Musikschule macht Schule: Im Baye-rischen Musikplan erklärte
die Bayerische Staatsregierung, dass die Musikschulen den Musikunterricht
der allgemein bildenden Schulen ergänzen. Dies ist seit
Jahrzehnten erfolgreiche Praxis. Die öffentlichen Musikschulen
erfüllen
diesen Auftrag zunehmend auch in der Nachmittagsbetreuung der
allgemein bildenden Schulen und in der Ganztagsschule. Im März
2005 haben wir mit dem Kultus- und dem Wissenschaftsministerium
eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit
von Schulen, Musikschulen und Blasmusik zur Umsetzung des musikalischen
Bildungsauftrages geschlossen. Neu eingeführt haben wir – ebenfalls
gemeinsam mit Schulen, Ministerien und Blasmusik – den
berufsbegleitenden Lehrgang für das
Klassenmusizieren mit Blasorchesterinstrumenten, der mit einer
staatlichen Anerkennung für die Lehrkräfte abschließt.
Musikschulen und Blasmusik: Für die enge Verbindung unserer Musikschulen
mit den örtlichen Blaskapellen gibt es seit vielen Jahren eine breite Basis:
Musikschulen bilden den Bläsernachwuchs aus; Lehrkräfte sind zugleich
als Blaskapellenleiter, Wettbewerbsjuroren und Fortbildungsdozenten in den Musikbünden
tätig und übernehmen ehrenamtliche Verbandsfunktionen. Dies alles führte
im Januar 2005 zu einer Vereinbarung über eine vertiefte Zusammenarbeit
mit dem Bayerischen Blasmusikverband. Weitere Kooperationen mit Laienmusizierverbänden
innerhalb des Bayerischen Musikrates bereiten wir zurzeit vor.
Kompetenznachweis Musik: Mit der musikalischen Bildung und Erziehung im Musikschulunterricht
werden als positive „Nebenwirkungen“ kognitive, soziale und emotionale
Schlüsselqualifikationen vermittelt und geschult, die auch für das
spätere (Berufs-)Leben von Bedeutung sind: Konzentrationsfähigkeit,
Leistungsbereitschaft und Teamgeist. Seit diesem Jahr dokumentieren wir die musikalischen
Fähigkeiten und Leistungen und die damit verbundenen Transfereffekte im
Kompetenznachweis Musik. Er wird im Einvernehmen mit den beiden Staatsministerien
für Unterricht und Kultus sowie für Wissenschaft, Forschung und Kunst
an ausgewählte Musikschüler ausgestellt.
„Der Erhalt und eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung des
bestehenden Netzes leistungsfähiger Sing- und Musikschulen“ (Ziel
des Landesentwicklungsprogramms 2006) kann nur in einer gemeinsamen
Anstrengung von Kommunen und Freistaat verfolgt
werden. Dazu gehören auch unsere Anstrengungen, Kultur und
Bildung für
alle zu vermitteln.
Deshalb werden wir auch in Zukunft die musikpädagogische Arbeit in unseren
Musikschulen weiterentwickeln und die allgemein anerkannte Qualität
musikalischer Bildung an den bayerischen Sing- und Musikschulen
sichern.