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nmz-archiv
nmz 2007/05 | Seite 4
56. Jahrgang | Mai
Magazin
Beliebte Instrumente und die MGG
nmz-Panels auf der Frankfurter Musikmesse 2007
Die sieben beliebtesten Instrumente an deutschen Musikschulen
sind Klavier, Gitarre, Violine, Blockflöte, Querflöte und
Keyboard. Vor einem Jahr verdrängte das Schlagzeug erstmals
das Akkordeon in der Gunst der Schüler und rückte damit
auf Platz sieben der Beliebtheitsskala vor. Während der Trend
bei Klavier, ganz stark bei Blockflöte und auch etwas bei
Gitarre rückläufig ist, sind die Zahlen beim Schlagzeug
rapide ansteigend – in den letzten zehn Jahren haben sich
die Schülerzahlen im Schlagzeugunterricht an den Musikschulen
beinahe verdoppelt. Der französische Perkussionist und Komponist
Michel Cerutti bezeichnete das Schlagzeug als „das Instrument
des 21. Jahrhunderts“. Ein Grund für den Trend zu Rhythmusinstrumenten
mag auch darin liegen, dass sie das ideale Bindeglied zwischen
populärer und ernster Musik zu sein scheinen. Auf der Musikmesse
Frankfurt hatte Andreas Kolb, Chefredakteur der nmz, die beiden
Schlagzeuger Richard Filz und Gerwin Eisenhauer zu einem Gespräch
am Stand.
Vocal-Percussion-Demonstration
von Richard Filz (re.). Faszinierte Zuseher sind Gerwin
Eisenhauer (li.) und Andreas Kolb. Foto: Juan Martin Koch
Andreas Kolb: An was liegt eurer Meinung nach
die neu erwachte Popularität eines der ältesten Instrumente
der Menschheit?
Richard Filz: Das Schlagzeug ist
ein attraktives Instrument. Es gibt was her, optisch und auch akustisch.
Man hat im Unterricht
relativ schnell ein Erfolgserlebnis. Mit einem einfachen Beat kann
man rasch viele Songs begleiten, kann sofort in einer Band mitspielen
und ist mitten drinnen.
Kolb: Drei Fallbeispiele zum Thema
Schlagzeugunterricht. Ich kenne Familien, da ist der Vater Musikjournalist
und Geiger,
die Mutter
Sängerin. Oder die Mutter Opernsängerin und der Vater
Studienrat, oder die Mutter Klavierlehrerin und der Vater Kommissar.
In allen Fällen haben sich die Söhne ausnahmslos fürs
Schlagzeug entschieden. Wie passiert so was?
Gerwin Eisenhauer: Die Akzeptanz
vom Schlagzeug als Musikinstrument ist in den vergangenen 20 Jahren
enorm gewachsen.
In den 50er-,
60er-Jahren wurde es nicht als Instrument anerkannt. Als ich an
der Musikschule Schlagzeug gelernt habe, wurde das Fach gerade
eingeführt. Es ist heute eine Generation Eltern da, die mit
Rock, Pop, Jazz aufgewachsen sind, und eine ganz andere Akzeptanz
gegenüber dieser Musik haben. Ein weiterer Grund ist die zunehmende
Rhythmisierung von Musik. Bei Popmusik beruht alles auf einer Rhythmusbasis,
viel stärker als auf einer harmonischen oder melodischen Basis.
Kolb: Popularmusik hat in der allgemeinbildenden
Schule Einzug ins Curriculum gehalten. Richard Filz hat sich Gedanken
darüber
gemacht, wie man Schlagzeug im Musikunterricht unterrichten kann,
nämlich als Vokal Percussions. Wie ist das entstanden?
Filz: Vokal Percussions bezeichnet
eine ganz einfache Sache: das Imitieren von Schlagzeug mit der
Stimme. Dafür habe ich ein
Konzept entwickelt. Es gibt mehrere Möglichkeiten, eine davon
ist eine einfache Silbensprache. Das heißt, die Base-Drum
imitiere ich mit der Silbe „dun“. Als nächstes
die Hi Hat mit der Silbe „z“. Dann gibt’s noch
Snare-Drum in ihrer einfachsten Version: „k“. Dun – z – k.
Das ist eine Möglichkeit der Klangerzeugung, das geht schon
mit kleinen Kindern. Wenn ich einen Workshop mache, dann verbinde
ich die Silben mit einer Lufttrommelbewegung. Das heißt,
ich sage, rechte Hand auf der Hi Hat durchgehend spielen. Koordinative
Fähigkeiten noch mehr fordern, linke Hand auf zwei und vier.
Wenn man jetzt die Base-Drum noch dazu macht gleichzeitig mit der
Silbe, dann hat man eine Klangvorstellung durch das Vokalisieren.
Durch das Lufttrommeln hat man das koordinativ gelernt, dann können
das etwa 50 Prozent der Schüler sofort am Schlagzeug spielen.
Das ist einfach eine Methode, Schlagzeug spielen zu lernen.
Kolb: Es gibt den Einzelunterricht,
es gibt den Musiker, den man ausbildet, es gibt auch die Klasse.
Filz: Gruppenunterricht ist beim
Schlagzeug eigentlich nicht möglich.
Außer man stellt 10, 20 Drum-Sets in einem Kreis auf, was
bei Kinder und Jugendlichen zu einem Chaos führen könnte.
Wenn man aber so einen Groove
mal vokalisiert, das Lufttrommeln dazu,
dann kann das die ganze Gruppe lernen und dann kann ich einen raus
nehmen aus der Gruppe und ans Drum-Set setzen. So kann ich das
in einer Schulklasse unterrichten.
Kolb: Wir haben hier zwei unterschiedliche
Schlagzeugkonzepte vorliegen. Das eine ist „Rap, Rhytm and
Rhyme – Vocal Percussion
in der Klasse“ (UE) von Richard Filz. Bei der Edition Dux
hat Gerwin Eisenhauer ein Lehrwerk unter dem Titel „Welcome
to the Jungle“ herausgebracht. Gerwin, du versuchst tatsächlich,
Drum´n´Base Musik zu unterrichten. Das ist computererzeugte
Musik, moderne junge Tanzmusik. Kann man das am Schlagzeug spielen?
Eisenhauer: Das Buch ist aus der Idee entstanden,
dass am Computer Grooves gebastelt wurden, die nicht spielbar sind.
Für mich
war die Idee die: Ist es möglich, den Klang oder die Ästhetik,
die am Computer entstanden ist, am Schlagzeug umzusetzen? Eine Ästhetik,
die auch dadurch entstanden ist, dass man Grooves aus den 60-ern
gesampelt und höher gepitcht hat – dadurch wurden sie
schneller als sie ursprünglich gespielt wurden. Wie spielt
man das auf dem Schlagzeug, welche Trommeln muss man sich dazu
besorgen, auf welche Art spielt und schlägt man?
Kolb: Eigentlich eine Marktlücke. War das eigentlich so, dass
es da eine große Nachfrage gab?
Eisenhauer: Das Problem bei Drum´n´ Base ist, dass es Undergroundmusik ist. In den Charts ist es kaum
vertreten. Aber es gibt eine junge Generation von Schlagzeugern,
die sich dafür interessieren, für die wurde das Buch
geschrieben. Entstanden ist das Buch auch aus meiner Motivation,
es selber zu spielen. Es war bestimmt ein Prozess von vier, fünf
Jahren und ich habe mir einige Konzepte überlegt, wie man
die Grooves vom Rechner auf´s Schlagzeug wieder zurückbringt
und wie man es schafft, einen Beat wieder so klingen zu lassen,
als ob er eigentlich programmiert wäre.
Das vollständige Gespräch ist abrufbar unter: nmzmedia.de