[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2007/05 | Seite 13
56. Jahrgang | Mai
Musikwirtschaft
Rote Teppiche für die Spielebranche
Wettbewerb schafft Qualität – ein Preis für gute
Computerspiele tut not
Die Fernsehbranche hat die Grimme-Preise des Deutschen Volkshochschulverbands,
die Filmbranche hat die Lola der Deutschen Filmakademie und die
Bären der Berlinale, die Buchbranche hat den Deutschen Bücherpreis
des Börsenvereins des deutschen Buchhandels und den Deutschen
Kinder- und Jugendliteraturpreis des Arbeitskreises für Jugendliteratur,
die Musikbranche hat den Echo der Deutschen Phono-Akademie und
den Leopold des Verband deutscher Musikschulen, die Computer- und
Konsolenspielebranche hat: ein schlechtes Image. Eigentlich erstaunlich
für eine Branche mit einem Jahresumsatz von 1,1 bis 1,2 Milliarden
Euro in Deutschland. Verwunderlich ist es auch, wenn man bedenkt,
dass die Spielebranche nicht nur ständig mit neuer Software
aufwartet, sondern ebenso neue Hardware, also PC oder Spielkonsolen,
verlangt. Denn eines ist klar, für die reine
Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation reichen die Computer
aus den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts noch aus. Um Spiele
optimal spielen zu können, sind stetige Investitionen in Grafikkarten
und Speichererweiterungen erforderlich. Das heißt auch die
Hersteller und Importeure von Computern, Computerzubehör sowie
von Spielekonsolen müssten eigentlich ein ureigenstes Interesse
daran haben, dass das Image der Spielebranche sich verbessert.
Die Computer- und Konsolenspielebranche gehören zum großen
Bereich der Massenkommunikation, dem auch der Rundfunk, der Filmbereich,
der Buch- und Zeitungsmarkt
und die Tonträgerbranche zu zurechnen sind. Im Unterschied
zum Kunstmarkt, der individualisiert ist und bei dem ein Sammler
ein Original beziehungsweise ein Blatt einer limitierten Auflage
von einem bestimmten Künstler kauft, geht es bei den Massenmedien
darum, dass ein Produkt vielfach hergestellt und verbreitet wird.
Die Kritik an den Massenmedien ist so alt wie die Massenmedien
selbst. Sie begann als Kritik an Zeitungen, die als schädlich
und speziell für Frauen als gefährlich angesehen wurden
und befindet sich heute an dem Punkt, an dem vor einer zu intensiven
Nutzung des Computers als Spielgerät von Kindern und Jugendlichen
gewarnt wird.
Massenmedien zeichnen sich durch eine sehr große Bandbreite
aus. Die Bandbreite reicht von kulturell anspruchsvollen Inhalten über
reine Unterhaltung bis hin zu dem was gemeinhin als Schund bezeichnet
wird. Ebenso wie es verfehlt ist, den Rundfunkanbietern insgesamt
vorzuhalten, dass die Inhalte verflachen und anspruchsvolle kaum
zu finden seien, können Computer- und Konsolenspiele über
einen Kamm geschoren werden. Das Angebot ist hier wie dort ausdifferenziert.
Gerade weil der Markt bei den verschiedenen Massenmedien teilweise
so unübersichtlich ist, kommt den Preisen und Auszeichnungen
eine so große Bedeutung zu. Sie spiegeln zum einen wieder,
was am Markt erfolgreich ist, wie zum Beispiel die Auszeichnungen
mit dem Echo, die anhand der Chartplatzierungen vergeben werden.
Sie können aber auch genau gegen den Mainstream gerichtet
sein und auf Produkte aufmerksam machen, die ansonsten weniger
Beachtung fänden. Ein Beispiel hierfür ist der Deutsche
Kinder- und Jugendliteraturpreis. Er wird vergeben vom Arbeitskreis
für Jugendliteratur. Das Preisgeld wird bereits seit Jahrzehnten
vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
zur Verfügung gestellt. Der Kinder- und Jugendliteraturpreis
wird in verschiedenen Kategorien unter anderem im Bilderbuch und
Sachbuch für Kinder und Jugendliche vergeben. Neben der Auszeichnung
der Autoren, die als solche bereits wichtig ist, ist der Preis
auch eine Marktförderungsmaßnahme.
Die Verlage bewerben bereits die nominierten Titel mit einer
Plakette, mit der auf die Nominierung hingewiesen wird. Selbstverständlich
werden die ausgezeichneten Bücher zusätzlich mit Plakaten,
Broschüren und anderen
Werbemitteln beworben.
Die Auszeichnung eines Buches mit dem Deutschen Kinder- und Jugendliteraturpreis
ist eine Art Gütesiegel, die auch den Käuferinnen und
Käufern, die eher unsicher sind, welches Buch sie kaufen sollen,
eine Orientierung bieten.
Die Nominierung für den Adolf-Grimme-Preis des Deutschen Volkshochschul-Verbands
ist für alle Fernsehanstalten – private wie öffentlich-rechtliche – eine
wichtige Auszeichnung. In Pressemitteilungen wird wie in einer
Leistungsbilanz darauf verwiesen, wie gut die Sender jeweils abschneiden.
Speziell für private Fernsehanbieter, die teilweise eher ein „Schmuddel-image“ haben,
ist eine Auszeichnung mit einem Grimme-Preis von sehr hohem Wert.
Im Gegenzug fühlen sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
angespornt, den Wettbewerb um den Adolf-Grimme-Preis für sich
zu gewinnen.
Wettbewerb – und sei es auch ein immaterieller – belebt
also bei den Massenmedien das Geschäft. In einem un-übersichtlichen
Markt bürgen anerkannte Auszeichnungen für hohe Akzeptanz
wie zum Beispiel der Echo oder für besondere Qualität
wie beispielsweise der Adolf-Grimme-Preis.
In der Computer- und Konsolenspielebranche fehlen solche Auszeichnungen
bislang. Zwar bewerten die Computer- und Spielezeitschriften die
Games, doch werden diese
eher von den Insidern gelesen, die
ohnehin die Medien bereits nutzen. Diejenigen, die nach einer Orientierung
auf dem Markt suchen, wie zum Beispiel Großeltern, die ihren
Enkeln ein „gutes“ Spiel schenken wollen, stehen zumeist
ratlos vor einem großen Angebot. Eine Auszeichnung besonders
interessanter oder innovativer Spiele könnte zur Markttransparenz
beitragen sowie die Entwicklung von Spielen stimulieren.
Ein solcher roter Teppich für die Spielebranche würde
neue Impulse geben und dazu beitragen, das Schmuddelimage abzubauen.