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2007/05 | Seite 11
56. Jahrgang | Mai
Praxis: Konzertvermittlung
Eine Feedback-Partitur mit vielen Kreuzzeichen
Zu den Möglichkeiten der Evaluation von Konzerten für
Kinder · Von Franziska Olbertz
Es ist ein wichtiges Anliegen der Musikpädagogik, musikalische
Angebote für Kinder zu evaluieren. Musikpädagogen in
und außerhalb der Schule müssen sich fragen,
ob sich ihre musikalischen Lerneinheiten, Spiele, Erfahrungsräume
und Aufgabenstellungen mit Kindern erfolgreich umsetzen lassen
oder nicht. Sie werden rückblickend versuchen einzuschätzen,
wie gut sie ihre Ziele erreicht haben. Aber welche Ziele sind das?
Was macht die Musikpädagogik und im vorliegenden Fall die
Konzertpädagogik gut?
Diese Qualitätsfragen gehen jeder musikpädagogischen
Evaluation voraus. Denn nur wenn man weiß, worin der Wert
eines musikalischen Angebots für Kinder bestehen soll, kann
man entscheiden, wie gut eine Idee tatsächlich in der Praxis
funktioniert hat. Kinderkonzerte können beispielsweise auf
ganz unterschiedliche Weise wertvoll für die musikalische
Entwicklung sein. Der Wert kann darin bestehen, dass Kinder sich
prächtig amüsieren
und fortan „Konzert“ mit „Lust“ assoziieren.
Es kann auch sein, dass ein Kinderkonzert deshalb gut war, weil
die kleinen Besucher nun alle Streichinstrumente nach Klang und
Aussehen unterscheiden können oder aber weil sie mit den eigenen
Sinnen erfahren haben, wie kreativ man mit Musik umgehen kann.
Selten treffen all diese Qualitäten in einem Konzert aufeinander
und es scheint auch gar nicht erstrebenswert zu sein, alle denkbaren
Ziele eines Kinderkonzerts gleichzeitig zu verfolgen. Eine Evaluation
muss sich also danach ausrichten, was in erster Linie mit dem Konzert
erreicht werden soll. Es gibt aber auch Qualitätsmerkmale,
die übergreifend Gültigkeit haben. Wenn etwa ein Kind
im Nachhinein sagt, dass es nie wieder in ein Konzert gehen möchte,
dann ist mit Sicherheit der Sinn der Veranstaltung verfehlt. Wenn
ein Kind hingegen noch Tage später von Figuren, Handlungen,
Instrumenten, Dekorationen oder ähnlichem spricht und diese
Dinge in das eigene Spiel einbezieht, dann hat ein Kinderkonzert
unabhängig von den spezifischen Zielen zunächst einmal
gut funktioniert.
Abb.
1: Beispielfragen für einen Elternfragebogen
Für die folgenden Überlegungen wird von einem imaginären
Konzert ausgegangen, das für Kinder wie Eltern ansprechend
und unterhaltsam sein soll und dabei ein bestimmtes musikbezogenes
Wissen etwa über die Funktion des Dirigenten im Orchester
vermitteln soll.
Die Qualitätskriterien für die Evaluation könnten
folgende sein: 1. Musikalisch-künstlerische Umsetzung, das
heißt Professionalität der dargebotenen Musik, 2. Lerninhalt,
das heißt Aufbereitung der zu vermittelnden Fakten, 3. Adressatenbezug,
also die Altersangemessenheit und Relevanz für das Publikum
und 4. Konzerterlebnis, das heißt Spaß, Anregung der
Fantasie, Möglichkeiten des Mitmachens.
An diesen ersten Klärungskomplex der Evaluation schließen
sich organisatorische Fragen an: Wie kann ich die Qualitätskriterien
konkret erfragen? Wem kann ich welche Fragen stellen (Kindern,
Eltern oder Lehrern)? In welcher Form bringe ich meine Fragen an
das Publikum (mündlich oder schriftlich, Einzelpersonen oder
Gruppen, vor Ort oder zu Hause)? Im vorliegenden, imaginären
Fall besteht das Publikum aus Grundschulkindern, die schon mindestens
mit Hilfe der Eltern lesen können. Es soll daher sowohl einen
Fragebogen für die Eltern als auch einen für die Kinder
geben. Die Fragebögen sollen nach dem Konzert verteilt, einige
Tage später zu Hause ausgefüllt und in einem vorfrankierten
Umschlag zurückgeschickt werden.
Zur musikalisch-künstlerischen Umsetzung werden hier nur die
Eltern befragt, was nicht heißt, dass Kindern die Wahrnehmung
dieser Qualitätsebene abgesprochen wird. Kinder dürften
aber weniger Erfahrung darin haben Musik diesbezüglich einzuschätzen.
Mit der Frage 1 in Abb. 1 ist eine ganz direkte Möglichkeit
gewählt, dieses erste Qualitätskriterium in einem Elternfragebogen
zu operationalisieren. Das zweite Qualitätskriterium betraf
den Lerninhalt. Hier ist unter anderem von Interesse, ob das Kinderpublikum
mit der Auswahl und Präsentation der Informationen angemessen
gefordert war. Sowohl zu hohe Ansprüche als auch zu niedrige
können die Aufmerksamkeit überstrapazieren und zu Langeweile
und Unruhe führen. Eine Möglichkeit der Operationalisierung
im Elternfragebogen gibt die Frage 2 in Abb. 1. Man könnte
auch bei Symptomen von Unter- oder Überforderung ansetzen,
indem man die Eltern prozentual einschätzen lässt, wie
viel das Kind vom Konzertgeschehen aufmerksam mitverfolgt hat.
Zu überlegen wäre auch eine Abfrage dessen, was die Kinder
im Konzert gelernt haben. Im Kinderfragebogen könnte zum Beispiel
die Quantität des Lerninhalts auf einer vierstufigen Skala
anwachsender Glühbirnen eingeschätzt werden, wie bei
Frage 1 in Abb. 2.
Abb.
2. Beispielfragen für einen Kinderfragebogen
Die Frage 3 in Abb. 1 bezieht sich auf das dritte Qualitätskriterium,
den Adressatenbezug. Denkbar wären auch Fragen danach, ob
das Kind mit den Themen des Konzerts etwas anzufangen wusste, ob
es über die Rolle des Dirigenten bisher schon einmal nachgedacht
hat oder ob die Art der Vermittlung Brücken zu alltagsnäheren
Themen hergestellt hat. Im Kinderfragebogen könnte man verschieden
große und alte Personen abbilden und das Kind einschätzen
lassen, welche Altersgruppe sich im Konzert am wohlsten gefühlt
hätte. Das vierte Qualitätskriterium, das sich auf das
Konzerterlebnis insgesamt bezieht, wird in Abb. 1 mit den Fragen
4 und 5 berührt. Die Möglichkeit selbst im Konzert aktiv
zu werden ist für Kinder wichtiger als für Erwachsene,
weil sie dem Prinzip „learning by doing“ noch stärker
verbunden sind und weil die Aufmerksamkeitsspanne für rein
rezeptive Anforderungen noch kürzer ist. Dennoch kann es auch
hier zur Überforderung oder „Überrumpelung“ kommen,
weshalb die Frage 4 die Einschätzung zulässt, dass der
Spielraum für das eigene Aktivwerden möglicherweise zu
groß war. Von den Kindern ließe sich der Mitmachanteil
quantitativ einschätzen, so wie es in Frage 3 in Abb. 2 mit
verschieden großen Händen für „viel“, „mittel“, „wenig“ und
einer fehlenden Hand für „gar nicht“ ermöglicht
wird. Die Tiefe und Verarbeitung von Konzerteindrücken könnte
von den Eltern mitgeteilt werden. Hier ist eine offene Frage 5
sinnvoll, auf die mit individuellen Beobachtungen geantwortet werden
kann. Im Kinderfragebogen sind viele Frageformen denkbar um das
Vergnügen im Konzert zu erheben. In der Beispielfrage 2 in
Abb. 2 können die Kinder mit der Anzahl lachender Gesichter
ihrem Spaß im Konzert Ausdruck verleihen. Schließlich
kann man mit einem einfachen Gesichter-Rating wie bei Frage 4 auch
klären, ob ein Kind nochmals ins Konzert gehen möchte
oder nicht.
Natürlich sind viele andere Rahmenbedingungen denkbar und
jeweils andere Lösungen sinnvoll. In einem Seminarprojekt
von Heiner Gembris wird beispielsweise aktuell ein Evaluationsverfahren
für jüngere Konzertbesucher entwickelt. Hier sollen die
Eltern die Fragen vorlesen und die mündlichen Antworten der
Kinder eintragen, nach dem Prinzip „Eltern fragen, Kinder
antworten, Eltern kreuzen an“. Die Eltern sollen zusätzlich
in einem eigenen Fragebogen weitere Angaben machen.
Wenn man die zuvor festgelegten Kriterien in konkreten Fragen
operationalisiert, das passende Fragebogenlayout entwickelt und
die Befragung durchgeführt
hat, geht es an die Auswertung. Hier sind einfache Programme oft
schon völlig ausreichend. Die Tabellenkalkulation ist mit
gängigen Programmen auf jedem Privatrechner möglich.
Die Antwortmöglichkeiten auf den drei- bis fünfstufigen
Skalen müssen mit Zahlen codiert und in die Datentabelle eingegeben
werden. Bei den Fragen 2 und 4 an die Eltern (Abb. 1) ist zu berücksichtigen,
dass die Mitte mit dem Code 3 die ideale Antwort ist. Bei den Fragen
1 und 3 wären hingegen jeweils die rechten Kästchen mit
dem Code 5 die besten Antworten für eine positive Evaluation.
Offene Antworten in Textform müssen erst nach Ähnlichkeit
kategorisiert und anschließend codiert werden um auch hier
quantitative Aussagen zu ermöglichen. Auch Häufigkeitsanalysen,
die vermitteln wie groß etwa der Anteil Kinder ist, die drei
lachende Gesichter auf die Frage 2) angekreuzt haben, sind denkbar.
Weiterhin sind einfache Mittelwerte für die fünfstufigen
Skalen bei den Fragen an die Eltern möglich, die bereits ein
Meinungsbild erkennen lassen.
Es sei also allen Mut gemacht, die Kinderkonzerte organisieren
und das Feedback des Publikums suchen. Fragebogenentwicklung, Datenerhebung
und Auswertung lassen sich in einem überschaubaren Rahmen
realisieren und geben bei überlegter Handhabung viel Aufschluss
darüber, inwieweit die Veranstaltung ihre musikpädagogischen
Ziele erreicht hat.
Einen weiteren Beitrag zum Thema Konzertvermittlung finden Sie
auf
S. VII des nmz-Hochschulmagazins.