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nmz-archiv
nmz 2007/05 | Seite 38
56. Jahrgang | Mai
Bücher
Beste Werbung für die Oper
Neuauflage des Opernführers von Csampai und Holland
Attila Csampai/Dietmar Holland: Opernführer, Rombach Verlag,
Freiburg im Br./Berlin/Wien 2006, 1.600 S., € 38,00, ISBN 3-7930-9484-7
Solange es das Genre der Oper in unserer Zivilisation geben wird,
braucht der Mensch auch Opernführer – gute Opernführer,
wohlgemerkt. Einer der besten – der von Attila Csampai und
Dietmar Holland 1990 bei Hoffman & Campe publizierte – war
lange Zeit vergriffen. Nun liegt er endlich in einer grundlegend überarbeiteten
Neuausgabe vor. Bevor es soweit war, mussten die Herausgeber allerdings
die ernüchternde Erfahrung machen, dass derartige Literatur
sich für Großverlage nicht mehr „rechnet“:
Es zählt nur noch die schnelle Quote, ein „Langläufer“ wie
eben ein solcher Opernführer ist den Verlegern finanziell
zu risikoreich. Gottlob haben Csampai und Holland in dem renommierten
Wissenschaftsverlag Rombach ein Haus gefunden, das nicht auf die
Quote schaut.
Wie der Zusatz „grundlegend überarbeitet“ bereits
andeutet, handelt es sich nicht einfach um einen Neudruck: Die
alte Ausgabe wurde um 30 Opern erweitert – von 220 auf 250 –,
und in den Abschnitten, die sich mit der Rezeptionsgeschichte der
jeweiligen Opern befassen, kommen neue Entwicklungen, etwa epochale
Neuinszenierungen, zur Sprache. Ebenso mussten die CD-Empfehlungen
aktualisiert werden – nicht zuletzt, weil die Schallplattenfirmen
ihre Produkte alle naslang streichen und unter neuer Bestellnummer
wiederveröffentlichen. Völlig neu sind die von Kurt Malisch
zusammengestellten DVD-Empfehlungen, die dem beispiellosen Verbreitungsgrad
dieses ersten digitalen Komplettmediums für Oper Rechnung
tragen.
Kompromisse waren unausweichlich: So hätten die Herausgeber
gerne noch etwa 50 weitere Opern vorgestellt, doch die 1600 Seiten,
die das Buch dick ist, waren das vom Verlag vorgegebene absolute
Maximum. So wird mancher Opernfreund sicherlich den einen oder
anderen Liebling vermissen, der es auch in den Anhang, in dem sich
die Biografien „weiterer Opernkomponisten“ befinden,
nicht geschafft hat. Aber so etwas lässt sich einfach nicht
vermeiden. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass dieser Opernführer – wie
auch schon die Erstausgabe – ausführlich und auf höchstem
Niveau über die Werke informiert, dass die Inhaltsangaben
eben kein oberflächlich kurzes Abstract bilden, sondern wirklich
jede wichtige Einzelheit der Handlung mit einbeziehen, und nicht
zuletzt, dass die Autoren dankenswerterweise auf spröden Wissenschaftsjargon
verzichten. Stets spürt der Leser die emotionale Verbundenheit
des Autors zu der von ihm präsentierten Oper. Und in den Kommentaren,
die aus subjektiver Sicht über die Bedeutung des Werks in
der Operngeschichte referieren, finden sich auch Sichtweisen, die
quer zur herkömmlichen Rezeption stehen – man lese etwa
Attila Csampais Text über die „Zauberflöte“.
Besonders sympathisch berührt schließlich das den wichtigsten
und bekanntesten Librettisten gewidmete Kapitel, werden diese doch
oft als reine Erfüllungsgehilfen des Komponisten abqualifiziert.
Hier erfahren sie ihre verdiente Ehrenrettung. Insgesamt bedeutet
dieses Buch eine ebenso unverzichtbare wie bezahlbare Werbung für
den Gegenstand Oper; möge es noch Jahrzehnte erhältlich
sein!