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nmz-archiv
nmz 2007/05 | Seite 34
56. Jahrgang | Mai
Rezensionen
Kurz vorgestellt
CDs
Helmut Lachenmann: Concertini; Kontrakadenz.
Ensemble Modern, Brad Lubman; Ensemble Modern Orchestra, Markus
Stenz.
Ensemble Modern Medien EMSACD-001
Lachenmann hat seine „Concertini“ dem Ensemble Modern
hörbar auf den Leib geschrieben. Gut 40 Minuten unbedingte
Lust am Spiel, an klanglichen Drahtseilakten, an spontaner Kommunikation.
Die Fülle der Gedanken ist überwältigend: eine Woge
an Ereignissen. Der Hörer wird gezwungen, am Ball zu bleiben – und
hingerissen macht er dies. Die Idee Serenade lebt wieder auf. Deren
hintergründige Leichtigkeit ist also Lachenmann auch nicht
fremd. Toll gespielt!
Valentin Silvestrov: Sinfonie Nr. 6.
SWR Radio Sinfonieorchester Stuttgart, Andrey Boreyko.
ECM 1935 (4765751)
Fünf Teile zu einem zusammenhängenden Ganzen verschmolzen.
Die musikalischen Gestalten wälzen sich wie Magma voran, schwer
lastend, aufstöhnend, intensiv ringend. Kaum kann sich die
Musik aus dieser Schwere befreien. Blicke werden auf Mahlers
Adagio-Klanglichkeit geworfen, aber die gleichsam angekettete
Musik vermag sich letztlich
nicht zu entwinden. Weiter Atem, stete Wiederkehr der Gedanken,
die sich vo-ran schieben und dennoch in sich kreisen.
Nikolaus Brass: the structures
of echo – lindauer beweinung;
VOID II.
Benjamin Köhler, Klavier; Sascha Armbruster, Saxophon; Pascal
Pons, Schlagzeug; SWR Radio Sinfonieorchester Stuttgart, SWR Vokalensemble
Stuttgart, Rupert Huber; Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Roland
Kluttig.
NEOS 10702
Zwei großartig tiefe, erschütternde Kompositionen,
die Botschaften nicht erzählen oder schildern, sondern selbst
die Gestalt von Leid annehmen: die vom Jüdischen Museum in
Berlin angeregte Leere im konzertanten Stück „VOID“,
der zu Tode gemarterte Christus im Chor-Orchesterwerk „lindauer
beweinung“. Brass vollbringt das eigentlich Unmögliche:
er lässt Verlust hören. Beklemmend intensiv, radikal
und zugleich nicht ohne Trost, den Musik, die sich stellt, immer
impliziert.
Naturerfahrungen, die Aggregatzustände der Materie und ihre
Einprägungen im menschlichen Bewusstsein bestimmen die neueren
Werke des Esten Erkki-Sven Tüür (einzig das kurze Stück „Dedication“ ist
vor 2000 entstanden). Die Musik, besonders deutlich im von alpiner
Welt angeregten Stück „Oxymoron“ (das bedeutet
Zusammenstellung widersprechender Bedeutungen), baut Kraftfelder
nach, übersetzt energetisches Fließen in Klang und fluktuiert
in Überlagerungen von Eindrücken.
Wolfgang Rihm: Chiffre-Zyklus (Chiffre 1 bis 8, Bild, Nachschrift).
musikFabrik, Stefan Asbury.
cpo 777 169-2 (2 CD)
Der Gedanke an verschlüsselte, namentlich nicht gezeichnete
Botschaften hat Wolfgang Rihm in den Achtzigern über mehrere
Jahre intensiv beschäftigt. Hier kann man mit sprachähnlichen
Gesten an- oder aussprechen, was man öffentlich eher verschweigt:
Sehnsüchte, Ängste, Hoffnungen, zuinnerst Subjektives.
Was zudem an der Doppel-CD begeistert, ist die plastische, immer
Nähe suchende Intensität der Interpretation der musikFabrik
unter Stefan Asbury.