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nmz-archiv
nmz 2007/06 | Seite 40
56. Jahrgang | Juni
Oper & Konzert
Eine Trompete für den Bundespräsidenten
Rückblick aufs Deutsche Musikfest 2007 in Würzburg
Beim Finale wurde dem Bundespräsidenten ein lautstarker, begeisterter
Empfang bereitet: 7.500 Musiker aus 160 Blaskapellen hatten sich
zum Abschluss des vierten Deutschen Bundesmusikfests vor der imposanten
Kulisse der Würzburger Residenz zum Gemeinschaftsorchester
versammelt und stimmten erst das Frankenlied, dann die Nationalhymne
an. „Uns Menschen tut Musik gut, Musik braucht Musikanten
und nicht nur Tonträger“, stellte Horst Köhler
beeindruckt fest. Und bekannte: „Ich kann mir ein Leben ohne
Musik nicht vorstellen.“
Ein Leben ohne Musik? Von Christi Himmelfahrt bis zum Sonntag
darauf war das in Würzburg schlicht undenkbar. Wo immer man während
der vier Tage unterwegs war – es wurde musiziert. Nicht nur
bei den Wettbewerben und Wertungsspielen: Mit rund 1000 Konzerten
im Theater, im Kongresszentrum und in den Kirchen, auf dem Marktplatz,
vor der Residenz, vor dem Rathaus, am Stadtstrand, in Kneipen und
selbst auf Main-Schiffen verwandelten die 16.000 angereisten Musiker
aus fast 400 Kapellen und Orchestern die Domstadt zur einzigen
großen Bühne.
Was sich nicht beziffern ließ: die Fröhlichkeit, die
spontane Freude am Singen und Musizieren, die das zwar alles andere
als unmusikalische, aber sonst nicht gerade bis in die späten
Abendstunden rege belebte Würzburg zur ausgelassen feiernden
Festivalstadt machten. Den Musikern und Gästen aus ganz Deutschland
war es – schlicht spielend – gelungen, ihre eigene
Begeisterung aufs unterfränkische Publikum zu übertragen.
Das Wetter, das beim letzten Musikfest in Friedrichshafen vor sechs
Jahren überhaupt nicht hatte mitspielen wollen, tat ein Übriges
dazu. „Uns alle hat in diesen Tagen ein intensives Gemeinschaftsgefühl
verbunden“, bilanzierte Oberbürgermeisterin Pia Beckmann – selbst
eher Gitarrenspielerin – das Spektakel der Bundesvereinigung
Deutscher Musikverbände (BDMV) angetan.
So mancher in der Stadt, der bislang mit Blasmusik nur Karl Moik,
dumpfes Bierzelt-Humptata und stupide Märsche verband, musste überrascht
seine gern gepflegten Vorurteile überdenken: Hardrock und
Tuba, Swing und Horn, Samba und ganze Spielmannszüge, das
geht zusammen. Schon beim hochklassigen Brass-Wettbewerb im Mainfranken-Theater
(den in der Höchststufe die Bayerische Brassband Akademie
vor der Brassband Oberschwaben Allgäu gewann) fielen letzte
Bedenken. Und am Samstagabend, bei der „Nacht der Musik“,
präsentierten schließlich über 20 Orchester und
Bands die ganze Bandbreite von Jazz über Ska, Rock und Pop,
Drum’n’ Base bis zu klassischer Musik. Vor der Residenz
zeigte die Big Band der Bundeswehr, dass sie auf der Höhe
der Zeit ist: Geschätzte 20.000 Zuhörer lauschten dem
Eurovisionssong „Frauen regier’n die Welt“ und
wippten bei Robby-Williams-Hits mit Hüften und Knien.
Für die exotischen Töne – und Weltoffenheit – sorgte
beim Bläser-Großereignis die „Symphonic Wind Band“ der
Shanghai Jia Tong Universität: Die Gäste aus Asien kombinieren
klassische Blechblasinstrumente mit traditionell chinesischen Instrumenten – und
zeigten gleich bei mehreren Auftritten im Bürgerspital oder
auf dem Marktplatz ihre musikalische Brückenschläge.
Die Bilanz des vierten Deutschen Musikfests? Finanziell wohl
ein kleines Minus. Rund eine Million Euro beträgt laut BDMV-Generalsekretär
Stefan Liebing der Etat für das Musikfest. Trotz Sponsoren, öffentlicher
Zuschüsse und den sieben Euro Gebühr pro Teilnehmer wird
der Verband das Fest wohl mit einem „kleinen Minus“ abschließen.
Unzufrieden ist Liebing dennoch nicht, er sieht „alle Erwartungen
mehr als übertroffen“. Ob das Musikfest nachhallt, und
in Vereinen und Verbänden die Zahl der jungen Blasmusiker
steigt? Ob mancher sein vergessenes Instrument wieder aus dem verstaubten
Koffer holt? „Wir werden die Entwicklungen in den kommenden
Monaten genau beobachten“, sagt Liebing. Bundespräsident
Horst Köhler, der Schirmherr, bekam am Ende jedenfalls eine
Trompete überreicht.