nmz 2007/06 | Seite 2
56. Jahrgang | Juni
Personalia
Personalia
Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet.
Mit dem Kulturinformationszentrum
stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten
im Netz. An dieser Stelle können Fragen gestellt, Informationen
verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur
Darstellung gebracht werden.
Kritikerpreis 2007 nach Dortmund und Freiburg
Der Musikwissenschaftler Michael Stegemann von der Universität
Dortmund erhält am Dienstag in Berlin den diesjährigen
Kritikerpreis des Verbandes deutscher Kritiker in der Kategorie
Hörfunk. Stegemann wurde gemeinsam mit seinem Co-Autor Carl-Dietrich
Gräwe für die Serie „Mozart – Die Entführung
in die Musik“ ausgezeichnet. Die Serie
war im vergangenen Jahr im Kulturprogramm des Rundfunks Berlin-Brandenburg
(RBB) ausgestrahlt
worden und hatte die Werke Wolfgang Amadeus Mozarts in 53 Folgen
vorgestellt.
In der Kategorie Musik erhielt das Freiburger Barockorchester die
jährlich vergebene Auszeichnung.
Made in Germany
Im Mai wurden die drei Gewinner des Bundeswettbewerbs „creole
2007 – Preis für Weltmusik aus Deutschland“ gekürt.
Die Jury vergab die mit je 3.000 Euro dotierten Preise an Äl
Jawala aus Freiburg, Ahoar aus Bonn und Ulman aus Leipzig und Halle. www.creole-weltmusik.de
Avantgarde-Treffen beim Siemens-Musikpreis
Sonderpreise und Förderpreise bei der Ernst von Siemens Musikstiftung
Das wurde aber auch Zeit: die Musikwissenschaftler Heinz-Klaus
Metzger und Rainer Riehn erhielten dieses Jahr einen Sonderpreis
der Ernst von Siemens Musikstiftung für ihr Lebenswerk. Metzgers
und Riehns Beschreibungen, Analysen und ästhetischen Bewertungen
der Neuen Musik sind aus deren Geschichte nicht mehr wegzudenken.
Ihre einstige Zeitschrift „Musik-Konzepte“ stellt eine
einzigartige Dokumentation für die Neue Musik dar. Besonders
erfreut waren Metzger und Riehn – hier bei der Preisverleihung
in den Münchner Kammerspielen – darüber, dass der
diesjährige Musikpreisträger der Siemens Musikstiftung
Brian
Ferneyhough hieß: dessen Ehrung bedeutete indirekt auch eine
Auszeichnung für seine Apologeten. Ein weiterer Sonderpreis
ging an den Pianisten Herbert Henck. Die beiden Komponisten-Förderpreise
erhielten der Litauer Vykintas Baltakas und der Deutsche Markus
Hechtle. Die Siemens-Preisverleihung glich einem Avantgarde-Treffen
der Ersten Kategorie. Hoffentlich bleibt das auch zukünftig
so. Gerhard Rohde
Lothar Knessl wurde achtzig Manchmal wird etwas
in der Hektik der Zeit vergessen, was nicht vergessen werden dürfte.
Deshalb soll hier, wenn auch kurz, an Lothar Knessl erinnert werden,
der am 15. April 2007 seinen
achtzigsten Geburtstag feiern konnte. Ohne Lothar Knessl wäre
die Neue-Musik-Szene Österreichs, ach was: die Neue-Musik-Szene überall
in Europa und sogar der Welt, nicht das, was sie ist. Knessls Aktivitäten,
die auch eigenes Komponieren umfassen, waren und sind so umfangreich,
dass man mehrere Zeitungsseiten benötigte, um sie aufzulisten.
Er war Geburtshelfer und lange Zeit Kurator von „Wien modern“,
Präsident der Österreichischen IGNM-Sektion, Pressereferent
der Staatsoper Wien und Mitbegründer des „Mica“,
des „Music Information Centrum Austria, dem er von 1994 bis
2001 auch als Präsident vorstand. Mehr über Lothar Knessls
Wirken soll in der nmz demnächst folgen. Gerhard Rohde
Zum Tode des Kritikers und Managers Helmut Lesch
Er hatte zwei Eigenschaften, die selten so ausgeprägt vorkommen:
Er konnte mitreißen. Und er hatte einen enormen Riecher fürs
Brisante. Damit prägte er jahrzehntelang das Münchner
Kulturleben mit: als Kultur- und Musikjournalist, Feuilletonchef
und Kultur-Manager. Am 13. Mai ist Helmut Lesch mit 68 Jahren in
der Toskana gestorben.
Lesch verfügte über eine immense Kommunikations-Energie.
Als Kultur-Vermittler, -Förderer und Szene-Aufmischer entfachte
er einen ganz eigenen Zauber. In den Achtzigern war der gebürtige
Münchner und studierte Musikwissenschaftler Feuilletonchef
der Münchner „Abendzeitung“. Unter ihm war dieser
Kulturteil im ganzen deutschen Sprachraum berühmt – in
München geachtet und gefürchtet. Lesch hatte wichtige
Kulturpolitik-Themen immer schon im Blatt, wenn andere sie noch
gar nicht ahnten.
Er legte Wert auf Anspruch. Auch Themen wie die „Donaueschinger
Musiktage“ hatten unter ihm im Boulevard-Feuilleton einen
festen Platz. 1989 wechselte Lesch zum „Beck Forum“,
als Kultur-Macher. Mit „Reden über Gott und die Welt“ und „Jazz
im Beck“ schuf er vielbeachtete Reihen, war auch hier ganz
am Puls der Zeit – und langweilig? Nie! Roland Spiegel
Zum Tod von Karl Schumann Ob er jetzt ein „genialischer Grantler“ gewesen ist,
wie es in Joachim Kaisers Nachruf in der Süddeutschen Zeitung
hieß, oder aber ein „vergnüglicher Grantler“,
wie bei Gerhard R. Koch in der Frankfurter Allgemeinen, es lässt
sich nicht mehr bestimmen. Vermutlich beides, und Hauptsache ist:
Karl Schumann, der eisern lakonische, notorisch unwichtigtuerische
Musikkritiker der „Süddeutschen“ über mehr
als vier Jahrzehnte, wurde als eine Instanz des Fachwissens, der
Sachlichkeit und Unbestechlichkeit hoch geschätzt. Und seine
oftmals durchscheinende Hypochondrie besaß selbstironische
Züge, wenn er in der Redaktion hartnäckig den eigentlich
Wotan vorbehaltenen Lebenswunsch äußerte, nur eines
noch zu wollen – das Ende in Form eines „Hausverbots
im Herkulessaal“.
Was Schumann dem Münchner Komponisten und Dirigenten Jan Koetsier
1991 zum Achtzigsten in der SZ zurief, er sei ein „Monument
der Lauterkeit auf dem glitschigen Terrain des Musikbetriebs“,
das galt wohl für ihn selbst. Wobei sich der typische Schumann-Leser
oft dabei ertappte, nach den berühmt trockenen, spöttischen,
dabei latent komischen Formulierungen bei Schumann zu suchen, die
sogar wichtiger erscheinen mochten als seine garantiert treffsicheren,
bei aller Profundität zumeist „leicht“, das heißt
nie intellektuell-hochfahrend oder überfrachtet daherkommenden
Urteile. Etwa wenn ihm der junge Chefdirigent des Florentiner Maggio
Musicale Riccardo Muti 1971 die Bemerkung entlockte, dieser stamme „den
heftigen Gesten nach sichtlich aus dem Geschlechte der Karajaniden“.
Oder wenn er eine Kritik über den Robert-Schumann-Poeten am
Klavier Wilhelm Kempff so einleitete: „Zwischen Tripstrill
und Nagasaki,
dem Nordpol und dem Kap der Guten Hoffnung wird man schwerlich
einen Sammler von Schallplatten mit klassischer Musik finden, der
keine Kempff-Aufnahmen griffbereit hat.“ Pathos war Schumann
fremd oder wurde konterkariert. Seine rau-
markante Stimme – auch in den Radio-Sendungen – signalisierte
bedächtige Urwüchsigkeit, Distanziertheit, bei aller
kritischen Leidenschaft, allem Ehrgeiz.
Karl Schumann war gebürtiger Münchner des Jahrgangs 1925.
Nach dem Universitätsstudium in den Geisteswissenschaften
mit Doktorarbeit – Thema: „Der ästhetische Mensch
als philosophisches und soziologisches Problem“ – wirkte
er zunächst als dramaturgischer Assistent an den Münchner
Kammerspielen und wechselte dann schnell in die Publizistik. Die
berühmte Musikkritik-Trias der SZ hieß damals lange
Jahre nur: K. H. Ruppel, Joachim Kaiser, Karl Schumann. Aber da
gab es auch den Buchautor, der über Franz Liszt, Gustav Mahler
und Richard Strauss schrieb, da agierte er, von 1975-85, als Generalsekretär
der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Mit 65 Jahren
nahm Schumann seinen Abschied vom Tagesgeschäft der Musikkritik,
vom „Akutjournalismus“, wie er es nannte.
„Ä
hnlich wie alle Handels-, Adels- und Wirtshäuser achten die
Orchester auf Tradition.“ So ein Satz klingt locker hingeworfen,
er war in Wahrheit raffiniert ausgezirkelt – wobei immer
gerätselt werden durfte, ob Karl Schumann die Ideen und Sprachkniffe
mühelos zuflogen oder aber Ergebnis kunstvoller Elaboration
waren. Kompetenz mit Pointierungsgabe im Denken und Schreiben,
das war seine Kunst. Am 5. Mai ist Karl Schumann im fränkischen
Heilsbronn gestorben. Wolfgang Schreiber