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nmz-archiv
nmz 2007/06 | Seite 10
56. Jahrgang | Juni
Cluster
Musikalische Atomkunde
Der Grund für die unerlaubt freche Nutzung von musikalischem
Material ist endlich gefunden worden. Er ist ganz trivial: „Weil
eine Festplatte immer das Gleiche wiegt - egal ob 100, 1.000 oder
10.000 Musikdateien darauf gespeichert sind – geht schleichend
das Gefühl für den Wert von Musik verloren“, sagte
Michael Haentjes, Vorsitzender der Deutschen Phonoverbände,
anlässlich des Tages des geistigen Eigentums am 26. April
2007. Der Wert der Musik ist ein Gewicht, eine Art Masse. Der Vorsitzende
hat Recht. Auf dem Mond, auf den man manche Argumentationsakrobatik
gleich mitschicken möchte, wiegt der Wert der Musik weniger.
Wertvoller ist Jupiter-Musik oder Musik im Umkreis eines schwarzen
Lochs. Nein, im Ernst: Noch vor der Erfindung irgendwelcher Reproduktionsmittel
wog der Wert der Musik mehr. Bis ins 19. Jahrhundert brauchte es
mehrere Tonnen an Musikern, wenn man eine Sinfonie von Beethoven
hören wollte. 50 Musiker zu durchschnittlich 70 Kilogramm
machen 3,5 Tonnen, Musikinstrumente nicht eingerechnet. Die Zeiten
vor Erfindung von Walze, Schelllackplatte, Draht, Tonband, Kassette
oder CD waren also offenbar Hochzeiten der Wertschätzung von
Musik. Den Musikern und Komponisten ging es daher auch entsprechend
gut wie wir heute wissen. Den Anfang vom Ende der musikalischen
Wertschätzung markierte somit genau jene aufstrebende Wirtschaft,
deren Vorsitzender Michael Haentjes jetzt ist. Was wiegt denn schon
eine CD im Vergleich zu einem Orchester oder, von mir aus auch,
Streichtrio?
Die Deutschen Phonoverbände werden also ihre Initiative zur
besseren Wertschätzung von Musik demnächst durch richtige
eine korrekte Gewichtung von CDs und Downloads erarbeiten. Musik
als wertiges Produkt lässt sich dann leicht auf die Formel
bringen: Wert [Masse] = Geist mal Beschleunigung. Viel Musik bliebe
allerdings auch bei solcher Rechnung im Bereich von Zepto- bis
Yoktogrammen. Eigentlich optimal für eine Festplatte oder
einen USB-Stick.