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nmz-archiv
nmz 2007/06 | Seite 15
56. Jahrgang | Juni
Kulturpolitik
Söhne Mannheims und ein Kriminologe
Zündstoff, Gesprächsstoff und viel Unterrichtsstoff:
Der 19. Musikschulkongress in Mannheim
Der 19. Musikschulkongress des VdM stand unter dem Motto „Musik
zeigt Wirkung! Musikschule für Morgen“ Vom 11. bis 13.
Mai fanden über 1.500 Teilnehmer den Weg ins Mannheimer Kongresszentrum
Rosengarten und zur Popakademie am Neckarhafen.
Anlässlich des Kongresses kooperierte der VdM mit der in Mannheim
ansässigen Popakademie – und es hatte Folgen. So ermöglichte
Xavier Naidoo als Gesellschafter der Popakademie ein gemeinsames
Konzert der Söhne Mannheims mit dem Landesjugendorchester
Baden-Württemberg. Ein Medien-Coup, auf den der VdM mit Recht
stolz sein kann. Das ästhetische Ergebnis der Mannheimer Melange
spaltete das Publikum, zumindest den Teil, der aus Kongressbesuchern
bestand, in zwei Lager. Letztlich scheiterte der gut gemeinte Crossover-Versuch
an einer schlechten PA-Anlage und an fehlenden Proben. Einzig Naidoos
balladeskes Solo-Stück mit dem Landesjugendorchester als Begleitband
konnte eine Ahnung davon vermitteln, was Klassiker und Rockmusiker
gemeinsam auf die Beine stellen könnten.
Die unterrichtspraktischen Veranstaltungen waren – und
das ist als Lob gemeint – immer übervoll. Die Nachfrage
nach Handreichungen zur Verbesserungen der eigenen Unterrichts-praxis
ist da, hier hat sich der Musikschulkongress neben der Arbeit der
Musikakademien als wichtiger Anbieter beruflicher Weiterbildung
etabliert. Rhythmusgefühl war gefragt, egal ob in Form von
afro-kubanischen Claves, die José J. Cortijo, Inhaber des
einzigen deutschen Lehrstuhls für Latin Percussion (Musikhochschule
Mannheim), den Teilnehmern näher brachte oder in Form von
Hip-Hop-Grooves, die die Schlagzeugerin und Rhythmikerin Marianne
Steffen-Wittek, Professorin an der Musikhochschule Köln, für
die Musiklehrer-Klientel aufbereitet hatte.
Am anspruchsvollsten unter diesen Pop-orientierten Seminaren
und für jeden, der Musikunterricht nicht nur als Einzelstunden
erteilt, war die Arbeitsgruppe „Live-Arrangement in Schule
und Musikschule“ von Jürgen Terhag, ebenfalls Musikhochschule
Köln. Spielerisches vokales Musizieren
führte weit über übliche Warming-up-Übungen
hinaus – ein Pop-Pflicht-Curriculum auch für den klassischen
Instrumentalisten.
Ebenfalls gut nachgefragt waren die Veranstaltungen zur beruflichen
Situation und zu rechtlichen Problemen. Hier stand insbesondere
der neue TVöD in der
Diskussion, aber auch die Probleme, die sich – im Rahmen der Ganztagsschule – aus
den Kooperationen von allgemeinbildender Schule mit Musikschulen und anderen
Anbietern wie Vereinen ergeben.
Berufsständische und tarifliche Fragen überlagerten etwa in der Diskussion
nach einer Veranstaltung von Hans Bäßler (ehemaliger Vorsitzender
des VDS und Präsidiumsmitglied des Musikrates) zum Thema Ganztagsschule
das Nachdenken über gemeinsame Konzepte
und Curricula. Ein Thema, das alle Anwesenden, vom Lehrer, über Politiker
und Verbandsfunktionär bis hin zu den Verlegern und Instrumentenbauern bewegte,
war „Musikalische Bildung von Anfang an“ – bemerkenswert in
diesem Zusammenhang die Vorträge von Michael Dartsch, Bonn, und Gerd E.
Schäfer, Köln. Während Dartsch das Thema aus der Sicht des Faches
Musikalische Früherziehung anging, und in seinem Vortrag Theorie und Praxis
als unlösbare Einheit präsentierte, ging Schäfer von einer anthropologischen
Betrachtungsweise aus. Musikunterricht im frühen Kindesalter, oder etwa
pränatal sei ein sinnloses Unterfangen, führte er aus, wenn die Musik
nicht als Teil des kulturellen und sozialen Umfelds des Kleinkindes verstanden
werde.
Eine „Schutzimpfung durch Musik“ wollte der Kriminologe Christian
Pfeiffer den Kongressteilnehmern verpassen. Der Direktor des Kriminologischen
Forschungsinstituts Niedersachsen und früherer Justizminister Niedersachsens
(2000 bis 2003) warnte vor extensivem Medienkonsum bei Schülern, den er
aufgrund zahlreicher empirischer Untersuchungen als Ursache für Schulversagen
und auffälligem Verhalten ansah.
Andreas Kolb
Der umjubelte – aber auch
umstrittene Eröffnungsvortrag – steht in beinahe voller
Länge (die Beispiele brutaler Computerspiele durften wir aus
rechtlichen Gründen nicht abbilden) als Video im Netz: www.nmzmedia.de