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Ausgabe 2007/06
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nmz 2007/06 | Seite 3-4
56. Jahrgang | Juni
Magazin

Musik-Kultur ist bei der GEMA jetzt Chefsache

Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der GEMA, im Gespräch mit der neuen musikzeitung

Seit 1. Januar 2007 hat Harald Heker den Vorstandsvorsitz der GEMA übernommen. Der Jurist war mit dem weit gefassten Ziel angetreten, „für kreative Menschen Rahmenbedingungen zu schaffen“. Inzwischen ist der neue GEMA-Vorstandsvorsitzende beinahe ein halbes Jahr im Amt. Anlass für die Herausgeber der neuen musikzeitung, Theo Geißler und Barbara Haack, mit Harald Heker en detail über seine Pläne zu sprechen.

neue musikzeitung: Herr Heker, Sie kamen vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels zur GEMA. Die GEMA ist eine Musikurheberrechtsgesellschaft. Wo sind Ihre persönlichen Bezüge zur Musik?
Harald Heker: Ich selbst bin kein Komponist oder Textdichter, ich bin Anwalt. Aber mich interessieren schöpferische Menschen. Ich habe mein ge-
samtes berufliches Leben mit Urhebern und Künstlern verbracht: die ersten Jahre als Anwalt von Künstlern, Filmemachern, Film- und Fernsehproduzenten, bevor ich mich dann beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels insbesondere mit Buchautoren, Buch- und Fachzeitschriftenverlegern beschäftigt habe. Als dann die Frage aufkam, ob ich möglicherweise zur GEMA nach München wechsle, war natürlich der Reiz groß, den mir noch fehlenden Bereich der Musik kennen lernen zu dürfen. Wenn Sie mich konkret nach meinen musikalischen Vorlieben fragen, dann fällt mir die Antwort leicht: Es ist insbesondere die ernste Musik. Und dann auch – schließlich bin ich in den 60er-, 70er-Jahren groß geworden – die Unterhaltungsmusik in ihren seinerzeitigen Ausprägungen.

Überwältigend: Harald Heker bei der Jahrespressekonferenz der GEMA in Berlin. Fotos: Martin Hufner

Bild vergrößernÜberwältigend: Harald Heker bei der Jahrespressekonferenz der GEMA in Berlin. Fotos: Martin Hufner

nmz: Sie haben sicherlich ein Bild davon, wie eine Musikverwertungsgesellschaft sich positionieren kann, um in der Zukunft zu bestehen. In welche Richtung wollen Sie den „großen Tanker“ GEMA steuern?
Heker: Die GEMA ist eine der drei größten Verwertungsgesellschaften weltweit und hat ein entsprechendes Renommee. Die GEMA ist unter Rahmenbedingungen groß und bedeutend geworden, die man nur bewundern und respektieren kann. Seit etwa zwei Jahren beginnen sich die Rahmenbedingungen allerdings dramatisch zu verändern. Das große Schlagwort lautet Wettbewerb. Insofern besteht die aktuelle Herausforderung natürlich darin, alles das, was die GEMA gut, bedeutend und erfolgreich gemacht hat, hinüberzubringen in eine neue Zeit unter den veränderten Rahmenbedingungen.

nmz: Es gibt ordentliche Mitglieder, angeschlossene Mitglieder und außerordentliche Mitglieder. Bewährt sich in der heutigen Zeit so eine Strukturdifferenzierung?
Heker: Das ist eine Frage, die Sie in erster Linie an die Mitglieder richten müssen, denn die Mitglieder hatten sich diese Struktur aus guten Gründen vor vielen Jahrzehnten einmal gegeben. Ob diese Unterscheidung heute oder in Zukunft noch die Richtige ist, das müssen die Mitglieder unter sich besprechen und ausmachen. Ich denke sogar, dass es möglicherweise in der diesjährigen Hauptversammlung thematisiert wird.

nmz: Das Problem dabei ist, dass die außerordentlichen Mitglieder, die vielleicht am ehesten ein Interesse haben, etwas zu verändern, eigentlich kaum ein Mitspracherecht haben bei so einer Strukturveränderung. Insofern wird es schwierig sein, etwas zu verändern an diesem System.
Heker: Es sind auch die ordentlichen Mitglieder, die im Wesentlichen die Umsätze der GEMA ausmachen. So liegt es aus deren Sicht nah, dass diejenigen, die einen großen Teil des Aufkommens der GEMA stellen, in der Mitgliederversammlung im Rahmen des Verteilungsplans darüber entscheiden.

nmz: Nun müssen Sie mit der GEMA eine ganze Reihe von Spagaten vollziehen. Um ein Bild aus einer anderen Kunstrichtung zu nehmen: Sie haben sowohl die Tapezierer wie die akademischen Maler bei sich. Ferner haben Sie die Verleger – aufgeteilt wiederum in große Industrieverlage und mittelständische Verlage – und es kommen die Textautoren hinzu. Wie wollen Sie diesen sehr gegensätzlichen Interessenlagen künftig gerecht werden?
Heker: Es spricht sehr für die GEMA, dass es bis heute gelungen ist, diese drei Berufsgruppen unter einem Dach zu vereinen. Und es wird natürlich eine Herausforderung sein, das auch zukünftig zu leisten. Wir sprachen vorhin über geänderte Rahmenbedingungen, eine dieser ganz wichtigen Rahmenbedingungen ist natürlich der internationale Wettbewerb. Diesen Wettbewerb gibt es bereits im Online-Bereich für die Verwertungsgesellschaften und wird sich möglicherweise auf andere traditionelle Bereiche ausdehnen. Dann wird es eine doppelte Herausforderung für eine Verwertungsgesellschaft geben: Sie muss sich mit anderen Schwestergesellschaften um Rechteinhaber bemühen, und sie muss hierzulande weiterhin ein attraktiver Partner für die Urheber und ihre Verleger sein.

Europäischer Wettbewerb

nmz: In diesen Wettbewerb sind Sie ja nicht ganz freiwillig eingetreten. Da gab es eindeutige Empfehlungen von Seiten der EU. Wie wird sich das denn auswirken? Sie haben im Rahmen einer Pressekonferenz ausgeführt, dass sich so manche kleinere Urheberrechtsgesellschaft künftig an den Rand gedrängt sehen wird und um die Vertretung ihres nationalen Kulturguts fürchten muss?
Heker: Sie haben vollkommen Recht. Die Verwertungsgesellschaften haben sich um den Wettbewerb nicht gerissen. Aus sehr guten Gründen: Weil wir persönlich zutiefst davon überzeugt sind, dass Wettbewerb, wie er zum Teil von der Europäischen Kommission erstrebt wird, zum Schaden der Autoren sein kann oder sein wird. Wenn aber der Wettbewerb beschlossene Sache ist, dann ist es wiederum Aufgabe der GEMA als eine der führenden Verwertungsgesellschaften, die Initiative zu ergreifen, um dann für ihre Mitglieder die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen. Wenn Sie nach den kleinen und mittleren Verwertungsgesellschaften fragen, dann haben Sie auch da Recht. Dort macht man sich wie bei uns große Sorgen um die Zukunft. Wenn wir uns befreit haben von unserem nationalen Denken, auf das die Verwertungsgesellschaften bisher festgelegt waren, dann werden wir aber möglicherweise ganz neue Kooperationen untereinander finden.

nmz: Wir sprechen jetzt faktisch über den Zusammenschluss der GEMA und der britischen Verwertungsgesellschaft zu dem neuen Verbund CELAS, der auch schon erste Rechte für sich gesichert hat: die des großen Majors EMI Publishing. Besteht nicht die Gefahr, dass diese großen Industrieverlage starke Macht über die Verwertungsgesellschaften gewinnen werden?
Heker: Die großen Majorpublisher haben schon heute großen Einfluss auf die Verwertungsgesellschaften. Den würden sie nicht erst gewinnen, indem sie sich in solche Verbünde begeben würden wie jetzt mit CELAS. Natürlich sind durch die Eröffnung des Wettbewerbs die Möglichkeiten für Rechteinhaber – gleich ob sie groß oder klein sind – gestiegen, sich Verwertungsgesellschaften ihrer Wahl auszusuchen. Deshalb wird es für Verwertungsgesellschaften zukünftig schwieriger sein, bedeutende Repertoires langfristig an sich zu binden. Das ist richtig. Auf der anderen Seite sehen aber die Majorpublisher durchaus die Notwendigkeit, in den verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union weiterhin funktionierende Verwertungsgesellschaften zu haben. Wer soll sonst das kleinteilige Geschäft vor Ort erledigen? Denn wenn sich dies für die Verwertungsgesellschaften nicht mehr lohnt, werden sie es schlicht und einfach nicht mehr tun. Das ist natürlich auch nicht im Interesse von Majorpublishern.

nmz: Die GEMA hat auch einen ideellen Hintergrund. Sie verstand sich als Solidargemeinschaft. Durch den stärkeren Wettbewerb scheint das jetzt zu kollidieren mit einer Konzen-tration aufs schiere Inkasso?
Heker: Dass der Wettbewerbsdruck zunimmt, stimmt. Ich glaube aber nicht, dass dadurch der kulturelle Auftrag leidet. Für die GEMA kann ich nur berichten, dass wir zurzeit daran arbeiten, das kulturpolitische Profil der GEMA weiter zu schärfen. Aber nicht zuletzt jetzt beim zweiten Korb in Berlin haben wir doch die Erfahrung gemacht, dass sehr viel Unwissen und auch Unverständnis besteht, über das, was Verwertungsgesellschaften eigentlich tun, und was für eine wichtige Rolle sie gerade auch im kulturellen Leben dieses Landes spielen. Das wollen wir zukünftig eigentlich noch deutlicher als in der Vergangenheit herausstellen.

nmz: Wie ist im Moment der Diskussionsstand bezüglich Korb 2?
Heker: Der Korb 2 ist jetzt schon seit über einem Jahr im Bundestag und wird dort in den verschiedensten Gremien diskutiert. Gleichzeitig hat die Justizministerin angeboten, zwischen den Positionen der Verwertungsgesellschaften einerseits und den Interessen der Industrie andererseits vermitteln zu wollen. So dass wir uns sehr gefreut haben, dass in den vergangenen Wochen drei Gespräche unter der Moderation der Justizministerin in Berlin stattgefunden haben, in denen wir mindestens die bekannten Standpunkte ausgetauscht haben. Das ist jetzt eine sehr diplomatische Antwort. Will sagen: Die Fronten sind natürlich noch sehr starr. Auf der anderen Seite steigt der Zeitdruck bei allen Beteiligten. Der Bundestag plant noch vor der Sommerpause, den zweiten Korb zu verabschieden. Das bedeutet, dass Anfang Juni die entsprechenden Beratungen im Bundestag abgeschlossen werden müssen. Was wir mit großer Freude feststellen, ist, dass quer durch alle Fraktionen ein breites Interesse vorhanden ist, diese Sache nicht durchzupeitschen, sondern eine Lösung zu finden, die möglichst allen Beteiligten einen Kompromiss ermöglicht.

nmz: Welche Punkte sind noch verhandlungsfähig?
Heker: Unsere Verhandlungsposition ist ganz klar: Entweder es bleibt beim bestehenden Zustand, die Vergütungen werden nach wie vor per Gesetz festgelegt oder wir verhandeln auf Augenhöhe mit der Geräteindustrie, dann aber ohne jede Einschränkung.

nmz: Wir haben eben schon mal darüber gesprochen, dass die GEMA ein sehr großes Konglomerat von Mitgliedern zu verwalten hat. Von einem Wolfgang Rihm bis zu einem Klingeltonproduzenten haben Sie alles im Boot. Erste Frage: Gibt es Gedanken darüber, dem stärker Rechnung zu tragen? Zweite Frage: Wie schaffen Sie es denn, die sehr unterschiedlichen Interessen dieser Komponisten zu vertreten?
Heker: Ich bin jetzt seit 15 Monaten bei der GEMA und habe noch keine Diskussion miterlebt, wo die Abschaffung zwischen U und E gefordert worden wäre. Das wäre mir jetzt neu. Ansonsten ist es natürlich eine anspruchsvolle Aufgabe, die unterschiedlichsten Interessen und Richtungen in der GEMA zusammenzuhalten. Dies ist in der Vergangenheit gelungen. Das ist, glaub ich, vor allen Dingen darauf zurückzuführen, dass die GEMA sehr demokratisch organisiert ist.

nmz: Ein kleines Ungleichgewicht mag daraus entstehen, dass die neuen Verwertungsformen vermutlich stärker die so genannte U-Musik begünstigen. Denn die E-Musik tut sich naturgemäß etwas schwerer, beispielsweise im Internet entsprechende Verbreitung zu finden. Wie kann man an der Stelle denn zu einer Verteilungsgerechtigkeit kommen?
Heker: Wir haben im Moment den so genannten Verteilungsplan C, der die Einnahmen aus dem Onlinebereich regelt. Man hat vor wenigen Jahren den Versuch gemacht, die wenigen Einnahmen – im Jahre 2006 sage und schreibe 3,5 Millionen Euro – halbwegs gerecht zu verteilen. Wenn die GEMA all die Rechtsstreitigkeiten gegen die Onlineindustrie gewinnt und dann tatsächlich nennenswerte Umsätze aus diesem Bereich kommen, dann lösen wir auch das Problem einer gerechten Verteilung. Im Moment müssen wir erst mal sehen, dass wir überhaupt etwas zu verteilen haben.

nmz: Gibt es hohe Summen, die auf irgendwelchen Sperrkonten liegen?
Heker: Es liegen Summen auf Sperrkonten, die sind aber leider überhaupt nicht hoch, sondern sie liegen zurzeit bei circa acht Millionen Euro. Selbst wenn wir diese acht Millionen Euro in diesem Jahr an unsere Mitglieder ausschütten können, wäre das im Verhältnis zu den 874 Millionen Gesamtumsatz des vergangenen Jahrs ein Tropfen auf den heißen Stein und spiegelt in keinster Weise die Nutzung von Musik im Internet wieder.

Kulturpolitisches Engagement

nmz: Sie beteiligen sich an der „Initiative Musik“. Was veranlasst Sie, gerade dort einzusteigen, und was wird es darüber hinaus an kulturpolitischem Engagement der GEMA geben?
Heker: Die GEMA ist gut beraten, ihr kulturpolitisches Profil insbesondere der Öffentlichkeit gegenüber zu schärfen und dafür zu sorgen, dass die Menschen verstehen, dass die GEMA keine GEZ ist, kein bloßes Inkassounternehmen, sondern eine Vereinigung von schutzwürdigen, kreativen Künstlern. Deswegen haben wir uns entschlossen, zukünftig all unsere Aktivitäten, die wir in der Vergangenheit schon zum Beispiel über die GEMA-Stiftung entwickelt haben, durch weitere neue Aktivitäten zu ergänzen. Wir müssen dann dieses Engagement auch deutlicher nach außen tragen als wir dies vielleicht in zu großer Bescheidenheit in der Vergangenheit getan haben. Dieses kulturpolitische Profil beraten wir zurzeit und wollen es im Sommer dem Aufsichtsrat der GEMA vorstellen. Ein ganz wichtiger Baustein dazu ist die von Ihnen erwähnte „Initiative Musik“ der Bundesregierung. Zum allerersten Mal ist es geglückt, eine Million Euro aus dem Bundeshaushalt zur Förderung von Musik aus Deutschland zur Verfügung gestellt zu bekommen.

nmz: Der Tropfen auf den heißen Stein. Der Filmbereich hat das Sechzigfache.
Heker: So ist es. Wir sind jetzt aber nicht so gestrickt, dass wir sagen, die eine Million, die könnt ihr dann gerade behalten, die nützt uns auch nichts. Sondern wir nehmen diese Million – die GVL und die GEMA legen je noch 150.000 Euro drauf zur Bewirtschaftung dieser Summe – und setzen dann unsere Anstrengungen daran, sukzessive diese Fördermittel zu erhöhen.
nmz: Inwieweit würden Sie die These unterstützen, dass der Alleinstellungsanspruch, den die GEMA teilweise fährt, im europäischen Kontext sich dann nur wird halten lassen, wenn eine Art kultureller Grundausrichtung im Vordergrund der GEMA-Struktur steht. Würden Sie das unterschreiben?
Heker: Das würde ich nahezu uneingeschränkt unterschreiben. Ich würde beide Seiten der GEMA gern gleichgewichtig nebeneinander sehen. Auf der einen Seite das ganz legitime Interesse der kreativen Menschen, dass sie auch die angemessene Entlohnung erhalten für ihre Arbeit. Das hat seinerzeit auch letztendlich zur Gründung der GEMA geführt. Auf der anderen Seite hat die GEMA gern in den vergangenen Jahrzehnten eine Rolle übernommen, die man möglicherweise auch dem Staat hätte überlassen können, indem sie Kulturförderung betrieben hat. Das ist ihr zugewachsen und das macht sie durchaus erfolgreich, aber nach unserer Auffassung vielleicht noch zu sehr im stillen Kämmerlein.

nmz: Im Grunde genommen ist die Pflege der Landschaft auch ein Mitgliederservice: Wenn Sie sich um die Qualifizierung der Musikpädagogik kümmern, oder wenn Sie dafür sorgen, dass – jetzt wird’s wirklich politisch – in den Schulen wieder Musikunterricht gegeben wird. Oder dass in den Schulen Bewusstsein für den Wert der Kreativität, für das Urheberrecht, eine Rolle spielt. Ich könnte mir vorstellen, dass da ein ganz hoher Einsatz sinnvoll wäre?
Heker: Sie scheinen ein Hellseher zu sein – wir denken tatsächlich in diese Richtung. Wir haben eine Kooperation mit der Popakademie in Mannheim für die kommenden zwei Jahre – gerade auf den kreativen Nachwuchs gerichtet. Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit Planungen, wie wir den Wert von Musik insbesondere bei der jungen Generation wesentlich deutlicher machen können, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Schütze deinen Star

nmz: Nun haben Sie gerade eine Aktion gestartet: „Schütze deinen Star“. Das scheint mir eher eine umständliche Slalomfahrt in diese Richtung zu sein. Denn der Star ist meistens ein Interpret und in den seltensten Fällen der Schöpfer, der Urheber, der Komponist. Ich habe das Gefühl, das trifft den Punkt nicht.
Heker: Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Es ist doch aber auch so, dass der Singer-Songwriter im heutigen Geschäft immer typischer wird. Das ist das Eine. Das Andere ist, dass man sich natürlich eines Instruments, eines Vehikels bedienen muss, um seine Botschaft anzubringen. Wenn Sie jetzt auf diese Kooperation mit der Jugendzeitschrift BRAVO anspielen, dann ist es natürlich der Versuch, über vielleicht das wichtigste Medium, das unsere Zielgruppe der Acht- bis Vierzehnjährigen erreicht, die heute eben im Internet unterwegs sind und sich die Musik downloaden, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es eben mehr ist, als nur eine Taste zu drücken. Dass Musik etwas Besonderes ist. Und ob es dann der Star ist oder der ausübende Künstler oder der Textdichter oder der Komponist, glaub ich, muss, wenn wir uns auf einer solchen Abstraktionsebene mit unserer Botschaft bewegen, zweitrangig sein. Ich würde nicht so weit gehen, zu sagen, der Zweck heiligt jedes Mittel – aber hier haben wir mit dieser auch sehr überschaubaren Aktion ein Zeichen setzen wollen, dass wir uns um diese Zielgruppe kümmern. Die Tatsache, dass sich schon über 1.000 Jugendliche bei uns gemeldet haben und gesagt haben: „Wir wollen mehr über die GEMA wissen, wir wären bereit uns einzusetzen für die Zwecke der GEMA“, zeigt, dass wir nicht völlig daneben lagen.

C steht hier für Copyright. Foto: Martin Hufner

Bild vergrößernC steht hier für Copyright. Foto: Martin Hufner

nmz: Wie wird morgen die Brücke geschlagen werden zwischen dieser Botschaft „Schütze deinen Star“ und einem Bewusstsein für die Bedeutung des Urheberrechts und des schöpferischen Wertes?
Heker: Diese E-Mails, die uns von den Jugendlichen erreichen, die werden wir alle beantworten. Wir werden versuchen, den Kontakt zu diesen Jugendlichen zu halten. Das wird jetzt die Aufgabe des neuen Konzepts sein, hier in direkten, unmittelbaren Kontakt mit den Nutzern oder Käufern von Musik zu kommen, um – das ist ein mittel- bis langfristiges Projekt – dann hier eine Bewusstseinsänderung zu schaffen.

nmz: Wir haben an mehreren Stellen in den vergangenen Jahren erlebt, dass solche etwas populistisch wirkende Aktionen gescheitert sind. Man denke an „Copy kills Music“ der phonografischen Wirtschaft. Da ist viel Geld versenkt worden, weil man vorher nicht über eine seriöse Kontinuität nachdachte. Andererseits gibt es seit Jahren vernünftige Ansätze. Man denke an Initiativen wie die „SchoolTour“, die in Schulklassen gehen und es durchaus fertig bringen, ein Bewusstsein für das Thema „Urheber“ herzustellen. Es gibt bei der phonografischen Wirtschaft die Überlegung, eine Art Curriculum für solche Initiativen zu schaffen. Wäre da die GEMA nicht als Kooperationspartner gut aufgehoben?
Heker: Sie haben vollkommen Recht. Unsere Anstrengungen in diesem Bereich werden sich auch darauf konzentrieren sich an bestehenden Aktivitäten zu beteiligen. „SchoolTour“ ist ein sehr gutes Beispiel, aber nur eines. Es gibt Hunderte von anderen. Sicherlich werden wir in den kommenden Wochen mit vielen dieser Einrichtungen Gespräche führen, inwieweit eine Kooperation möglich ist. Noch einmal zu dem, was Sie eingangs erwähnt haben über „Copy Kills Music“. Vor allen Dingen wollen wir keine Aktionen machen, die Kinder und Jugendliche kriminalisieren. Ich glaube, das war ein Hauptfehler vieler Aktionen. Man muss die Kinder und die Jugendlichen dort abholen, wo sie sind und ihnen anhand des Wunders, wie Musik entsteht, deutlich machen, dass Musik etwas ganz Fabelhaftes ist, und dass es sich lohnt, sich mit diesem Wunder zu beschäftigen. Dann kommt die Einsicht von allein und wir brauchen keine Strafaktionen und keine Jugendgerichtsbarkeit.

nmz: Sie haben eine Marketingabteilung eingerichtet. Sie haben auch ein Berliner Büro und eine Vertretung in Brüssel installiert. Das sind Aktivitäten, die es bisher nicht gab und die Teile der neuen Positionierung sind. Was haben Sie vor?
Heker: Bei den beiden Hauptstadtbüros ist die Zielgruppe ganz klar: die politische Öffentlichkeit. Die schmerzvolle Erfahrung im Rahmen der Korb 2-Diskussion, dass bei vielen politischen Ansprechpartnern überhaupt kein Bewusstsein und keine Kenntnis davon vorhanden war, was die GEMA eigentlich ist und was sie tut, zeigt, dass wir dort ganz unmittelbaren Handlungsbedarf haben. Hier brauchen wir Mitarbeiter, die im täglichen Kontakt mit der Politik unsere Position zu verschiedenen Dingen vermitteln. Da haben wir einen ganz großen Nachholbedarf. Ganz besonders gilt das für Brüssel. Immer mehr Initiativen, die unmittelbar auf die GEMA und ihre Mitglieder Einfluss haben, kommen aus Brüssel. 80 Prozent aller gesetzlichen Vorgaben werden in Brüssel initiiert und von den Mitgliedsstaaten nur noch umgesetzt. Hier müssen wir in unmittelbarem Kontakt zur Kommission, zu den Kommissaren, zum Europäischen Parlament sein, wenn wir die Interessen unserer Mitglieder wahren wollen. Die Einrichtung einer neuen Direktion „Marketing“ ist dem Umstand geschuldet, dass wir zukünftig viel stärker im Wettbewerb stehen werden. Das heißt, Rechteinhaber aber auch die Nutzer von Musik werden sich zukünftig verstärkt aussuchen können, welche Verwertungsgesellschaft sie denn nun als ihre Eigene auswählen oder bei welcher Verwertungsgesellschaft sie sich ihre Lizenz holen – möglicherweise für ganz Europa.

nmz: Gibt es andere Verwertungsgesellschaften, die Ähnliches tun, wie die GEMA und die britische Verwertungsgesellschaft? Was haben GEMA und CELAS konkret vor?
Heker: Tatsache ist, die Europäische Kommission hat die Verwertungsgesellschaften aufgefordert, den Wettbewerb um Rechteinhaber zuzulassen. Das heißt, dass einige große Rechteinhaber, insbesondere einige Majorpublisher, zum Ende letzten Jahres ihre Onlinerechte aus den nationalen Verwertungsgesellschaften abgezogen und europaweit ausgeschrieben haben. Die Verwertungsgesellschaften durften sich um die Verwaltung dieser Rechte bewerben. Jetzt hat die GEMA zusammen mit ihrer englischen Schwestergesellschaft für EMI diese paneuropäische Lizenzierung bekommen und bemüht sich zurzeit diese Lizenz umzusetzen. Was auch für die GEMA eine außerordentliche Herausforderung ist, außerhalb von Deutschland von Gibraltar bis Spitzbergen paneuropäische Onlinerechte zu vergeben. Das Zweite ist, um den zweiten Teil ihrer Frage zu beantworten, dass einige Verwertungsgesellschaften gleichfalls reagiert haben, also nicht die Rechteinhaber, sondern die Verwertungsgesellschaften selbst, insbesondere die französische und die spanische Schwestergesellschaft, indem sie Anfang des Jahres bekannt gegeben haben, dass sie zukünftig ihr eigenes, nationales Online-Repertoire europaweit lizenzieren wollen. Das heißt, von den fünf großen Verwertungsgesellschaften in Europa haben sich bereits vier entschlossen, zukünftig paneuropäische Lizenzen zu erteilen. Die fünfte große, die italienische, überlegt noch. Es kann durchaus sein, dass sie bei den spanischen und französischen Kollegen einsteigen. Zurzeit finden auch zahlreiche weitere Gespräche von kleinen und mittleren Verlegern mit ihren Verwertungsgesellschaften statt, unter welchen Voraussetzungen auch sie eine solche paneuropäische Lizenzierung haben können. Alle diese Gespräche sind im Gang. In den kommenden Monaten wird sich wahrscheinlich klären, welche Rechte im Onlinebereich zu welcher Verwertungsgesellschaft gehen werden. Erschwerend und hemmend kommt im Moment noch hinzu, dass einige Majors gefangen sind in Konsultationen mit der Europäischen Kommission, weil sie in Zusammenschlussverhandlungen mit Konkurrenten stehen und dadurch auch nicht die Handlungsfreiheit haben, über ihre Onlinelizenzen zu verfügen, wie sie es vielleicht gerne täten.

Zur Zukunft der CISAC

nmz: Wird im Rahmen dieser Konkurrenzsituation eine Organisation wie die International Confederation of Authors and Composers Societies (CISAC) obsolet?
Heker: Ich habe an der Zukunft der CISAC keinen Zweifel. Die CISAC ist in erster Linie gegründet worden, um den Schutz des geistigen Eigentums weltweit durchzusetzen. Mittlerweile sind über 200 Verwertungsgesellschaften dort Mitglied. Was die CISAC auf diesem Gebiet geleistet hat, insbesondere in Asien, in Afrika, das ist beispiellos. Das Zweite ist, dass die CISAC eine ganz wichtige Aufgabe hat bei der Standardisierung. Das heißt, die Geschäftsprozesse zwischen den Verwertungsgesellschaften weiter zu standardisieren und zu vereinfachen.

nmz: Angesichts der geschilderten Veränderung innerhalb der GEMA und ihrer nationalen und internationalen Aufgaben, erscheint der Kulturbereich als der am wenigsten in die Zukunft beförderte. Könnte man sich vorstellen, dass eine Art gleichberechtigte Direktion Kultur eingerichtet wird, oder die Kultur auf der Vorstandsebene ihren festen Platz findet?
Heker: Wenn man bedenkt, dass das Berliner Büro am ersten Februar eröffnet worden ist und wir uns im Sommer bereits über das kulturpolitische Profil der GEMA unterhalten wollen, dann liegen wir sehr gut in der Zeit. Und die Tatsache, dass das Thema Kultur beim GEMA-Vorstandsvorsitzenden angesiedelt ist, zeigt, dass wir diesem Thema eine ganz hohe Bedeutung zumessen.

nmz: Sie stehen relativ kurz vor der nächsten Mitgliederversammlung der GEMA. Ihre zweite Mitgliederversammlung als Vorstandsmitglied, Ihre erste als Vorstandsvorsitzender. Sind Sie zuversichtlich, dass die Mitglieder diese doch sehr umfassende neue Orientierung, neue Positionierung der GEMA positiv begrüßen werden?
Heker: Wir wissen aufgrund des Ablaufs der entsprechenden Fristen, welche Anträge gestellt werden sollen auf der Hauptversammlung. Da beschäftigen sich fast alle Anträge, wie auch in der Vergangenheit im Grunde mit aktuellen Verteilungsfragen. Das ist natürlich das Thema, das die Mitglieder verständlicherweise am meisten interessiert. Ansonsten freue ich mich auf anregende Diskussionen.

nmz: Werden Sie zu dem Zeitpunkt schon ein kulturpolitisches Arbeitspapier, einen Vorschlag für neue Partnerschaften vorstellen können?
Heker: Vielleicht schaffen wir das.

nmz: Die GEMA 2010, eine gesellschaftsgestaltende, kulturbewusste Organisation, die im internationalen Wettbewerb bestehen kann oder nur eine im Management hocheffektive Inkasso-Organisation? Wo geht es hin?
Heker: In genau die Richtung, die Sie mit Ihrer ersten Alternative beschrieben haben, wobei sich bei der ersten Alternative überhaupt nicht ausschließt, dass man gleichzeitig auch effizient arbeiten kann.

nmz: Besten Dank für das Gespräch.

Das Interview ist als Video-Stream abrufbar unter www.nmzmedia.de

 

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