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nmz-archiv
nmz 2007/06 | Seite 46
56. Jahrgang | Juni
Bücher
Integration der besonderen Art
Kultur, Kunst und Management – ein systemtheoretischer
Versuch
Martin Tröndle: Entscheiden im Kulturbetrieb. Integriertes
Kunst- und Kulturmanagement, h.e.p. verlag ag/Ott Verlag, Bern
2006, 295 S., Abb., € 29,-, ISBN 3-7225-0041-9
Steckt die Wissenschaft Kulturmanagement noch immer in den Kinderschuhen?
Auch wenn es bereits seit 20 Jahren Ausbildungsgänge in Deutschland
und seit über 50 Jahren in den USA gibt und damit das Forschungs-
und Wirkungsfeld längst etabliert sein sollte? Die Profession
des Kulturmanagers wird mittlerweile in breiten Teilen der Kulturlandschaft
anerkannt – ja, die Forderungen an eine Professionalisierung
des Kulturbetriebes riefen und rufen gerade in den letzten Jahren
nach den „neuen“ Kulturmanagern. Trotzdem oder gerade
deswegen fehlt es laut Tröndle dem Kulturmanagement an eigenen
theoretischen und wissenschaftlichen Ansätzen. Zuviel würde
aus anderen Disziplinen, vornehmlich der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre
kopiert und angewandt, ohne die spezifischen Belange der Kultur
mit einzubeziehen. Soweit ist ihm unumwunden Recht zu geben. Zu
selten werden eigene, innovative Theorien und Konzepte für
den Kulturbereich entwickelt, die das Kulturmanagement zu einer
eigenständigen Wissenschaft machen würden. Bei seinem
nächsten Punkt allerdings scheiden sich die Geister: Entscheidungsumstände
in Kulturorganisationen seien selten rechenbar und damit sei eine Übernahme
der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie – auch
in Teilen – nicht möglich, so Tröndle. Dieser Ansicht
steht entgegen, dass es in jeder Art von Organisationen quantitative
und qualitative Entscheidungen zu treffen gibt. Das Schwarz-Weiß-Malen
im Sinne des „Unternehmen sind profitorientiert und damit
auf quantitative Entscheidungen zu reduzieren und die Kultur ist
um der Kultur willen da, gemeinnützig und damit rein qualitativ“ hat
zu lange die Diskussion beherrscht und übergeht in der Verallgemeinerung
viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede, die betrachtet werden
wollen.
Streitbar ist die Ansicht Tröndles,
dass ein Kulturmanager viele der künstlerischen Entscheidungen
treffe und daher eine eher qualitative Entscheidungshilfe benötige.
Für kleine Projekte,
bei denen der Künstler auch gleichzeitig Manager sein muss,
ist dies richtig. Bei größeren Institutionen aber, die
eine Doppelspitze mit kaufmännischer und künstlerischer
Leitung haben, ist dies meiner Ansicht nach nicht der Fall. Hier
gibt es vielfältige ökonomische Prozesse, die quantitative
Entscheidungen nötig machen. Diese Managementprozesse verbessern
nicht unbedingt die Qualität der Kunst, sichern sehr wohl
aber die Existenz der Organisation und schaffen sichere Rahmenbedingungen,
damit die Kunst in aller gebotenen Freiheit agieren kann.
Auf Basis dieser Gedanken entwickelt Tröndle in seinem Buch
eine eigenständige kulturmanagementspezifische und wissenschaftliche
Entscheidungstheorie, die darüber hinaus Praxisrelevanz aufzeigt.
Dieser intelligente, innovative – aber auch komplexe – systemtheoretische
Ansatz erfasst unter anderem organisatorische, ästhetische
und soziologische Handlungsfelder. Anhand von Gewichtungen verschiedener
Aspekte zum Produkt, zur Präsentation, zum eigenen Verhalten
und zur Organisation kann ein geschärftes Profil der Einrichtung
visualisiert werden. Dieser Profilrahmen wiederum gilt als Basis
für kommende Entscheidungen, aber auch für strukturelle Änderungen.
Das entstehende System verbildlicht die Komplexität des Kulturbetriebs
und seiner vielfältigen Entscheidungsniveaus. Dieses wird
anhand eines fiktiven Festivals (Schwerpunkt zeitgenössische
Musik) erarbeitet.
Martin Tröndle kreiert mit seinem Buch einen „offenen,
formalen Denkrahmen“, der Kulturmanagern die Möglichkeit
geben soll, Entscheidungen im Kulturbetrieb transparenter und effizienter
für alle Beteiligten zu gestalten. Dieses Theorem ist durchaus
dazu geschaffen, in der Praxis ein- und umgesetzt zu werden und
es ermöglicht den Mitarbeitern einer Organisation optimalerweise
den ganzheitlichen Blick auf die Einrichtung.
Über den Nutzen dieser wissenschaftlichen Theorie werden
die Anwender entscheiden. Voraussetzung ist hier allerdings eine
Affinität
zu wissenschaftlicher Problem- und Lösungsorientierung und
der Wille, die künstlerische Intuition zu vernachlässigen
und dem strukturellen, systemtheoretischen Ansatz zu folgen. Gefordert
wird hier im besten Sinne der Kulturmanager, der die künstlerischen
Prozesse versteht und die ökonomischen und strategischen Prozesse
beherrscht.