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nmz-archiv
nmz 2007/06 | Seite 46
56. Jahrgang | Juni
Bücher
Der Komponist in der Schachtel
Das Magische Quadrat: zwölf Möglichkeiten sich Arnold
Schönberg anzunähern
Musikhochschule Luzern und Arnold Schönberg Center Wien
(Hrsg.): Eine Annäherung an den Visionär Arnold Schönberg. Materialien zu einem Leben mit vielen Talenten, Edizioni Periferia,
Luzern/Poschiavo 2006, Buchbox mit 10 Druckobjekten, 1 CD, 1 Vexier-Etui,
1 Satz Spielkarten, € 64,-
ISBN 978-3-907474-23-6
Seit zehn Jahren reist eine multimediale Ausstellung zu Leben
und Werk Arnold Schönbergs durch Europa und die Welt. Vor
einem Jahr machte sie Station im Kunsthaus Zug, ein Schwerpunkt
lag damals auf dem Nachspüren des künstlerischen und
privaten Wechselspiels zwischen Arnold Schönberg sowie den
Malern Richard Gerstl und Wassily Kandinsky. Exponate dieser Ausstellung, über
die die neue musikzeitung bereits berichtete (nmz 2006/11, Seite
44, 55. Jahrgang), wie etwa Schönbergs selbst gebastelter
Zwölfton-Reihenschieber, sein Vexier-etui, oder einige seiner
Aufsätze und Schriften finden sich jetzt wieder in einer Art „Taschen-Ausstellung“ unter
dem Namen „Das Magische Quadrat“. Aus der schweren
Box fallen dem Neugierigen zunächst zwölf Teile entgegen – es
sind zwölf Möglichkeiten, sich dem Denken und Komponieren
des „konservativen Revolutionärs“ zu nähern.
Eine CD bietet ein akustisches Archiv mit Originaltönen von
Arnold Schönberg, Hanns Eisler und reichlich Musikbeispielen.
Eine Musik-Zeitung „Die Stimme der Kritik“ beleuchtet
Aspekte der Schönberg-Rezeption. Es finden sich in dieser
Sonderpost Stimmen von Zeitgenossen, aber auch Beiträge von
Pierre Boulez und Michael Schulte. Die sich abzeichnende Kluft
zwischen dem musikalischen Fortschritt und den Hörgewohnheiten
des Publikums wird hier deutlich. Dabei wünschte sich Schönberg
doch nichts sehnlicher, „als dass man mich für eine
bessere Art von Tschaikowsky hält, um Gottes Willen ein bisschen
besser, aber das ist auch alles. Höchstens dass man meine
Melodien kennt und nachpfeift“. Schönbergs Kreativität äußerte
sich nicht nur im Komponieren, die Luzerner Box dokumentiert auch
seine Versuche in der Malerei, seine selbstgemalten Spielkarten
und sein geliebtes Vexieretui.
Im Stile eines Lehrmittels angelegt, will das „Magische Quadrat“ seinen
Benutzer keine Lerninhalte eintrichtern, sondern zum handelnden
und forschenden Aneignen animieren.
Dass der Essay von Markus Böggemann zur Schreibweise von Schönberg
noch unbeschnitten und zusammen mit Nadel und Faden vorliegt, ist
ebenso Spielerei wie die Aufmachung eines Bändchens mit „Reflexionen über
Schönbergs Zwölftontechnik“ von Michel Roth, Aruna
Buser, Daniella Gerszt und Letizia Ineichen: 50 Prozent der Seiten
sind in Spiegelschrift und nur mit dem in den Umschlag „eingebauten
Spiegel“ zu lesen. Doch Spielerei ist nicht abwertend gemeint,
ein ernstes Spiel war auch Schönbergs folgenreicher Versuch,
eine neue Harmonielehre zu etablieren.
Wie er lehrte und arbeitete, ist in zwei Bändchen mit Faksimileabbildungen
und Fototafeln dargelegt – auch hier wird das Blättern
nicht nur zu einem visuellen, sondern dank sorgfältiger Papierauswahl
und besonderen Formaten auch zu einem haptischen Vergnügen.
Abgerundet wird die Materialsammlung durch diverse Schriften,
darunter Schönbergs „Moderne Psalmen“, sein „Kriegs-Wolken
Tagebuch“ aus dem Jahr 1914 und eine Biografie des Komponisten
von Christian Meyer.
Die Schönberg-Box der Musikhochschule Luzern und des Arnold
Schönberg Centers ist keine gewöhnliche Textsammlung.
Sie will „begriffen“, bearbeitet, gehört, angesehen
und erfahren werden. „Das magische Quadrat“ stellt
eine neue Idee der Vermittlung dar, sozusagen Musikwissenschaft
für Kopf und Hand und – durch die empathische Darstellung
der komplexen Persönlichkeit Schönbergs – auch
fürs Herz.