[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2007/06 | Seite 43
56. Jahrgang | Juni
Rezensionen-CD
Zum Buxtehude-Jahr
Dieterich Buxtehude: Cembalowerke.Glen Wilson, Cembalo.
Naxos 8.557413
Die vollständige Kammermusik. Vol. 1: Sieben Sonaten op.
1; John Holloway, Violine; Jaap ter Linden, Gambe; Lars Ulrik
Mortensen,
Cembalo.
Naxos 8.557248
Vol. 2: Sieben Sonaten op. 2; Interpreten wie oben.
Naxos 8.557249
Vokalmusik Vol. 1: Kantaten BuxWV 32, 38, 76, 83, 84, 95, 97,
98, 105; Interpreten wie oben, außerdem Emma Kirkby, Sopran;
Manfredo Kraemer, Violine. Naxos 8.557251
Am 9. Mai 2007 ist es dreihundert Jahre her, dass Dieterich (wie
er selbst seinen Vornamen schrieb) Buxtehude etwa siebzigjährig
starb; da wir sein Geburtsdatum nicht kennen, können wir nur
den Jahrestag seines Todes begehen. Zwei Jahre vorher hatte der
junge Bach noch seine berühmte Fußreise unternommen,
um wochenlang seinem Orgelspiel zu lauschen; nicht ganz zufällig
sind es die Orgelwerke, die seinen Namen im Gedächtnis der
Nachwelt bewahrt haben, und so hat es an kompetenten bis großartigen
Einspielungen dieser Werkgruppe kaum je gemangelt – gerade
sind Harald Vogels gepriesene Aufnahmen für MD+G in einer
opulent ausgestatteten Neuauflage herausgekommen. Aber hier soll
es um weithin unbekannte Fassetten des dänisch-norddeutschen
Meisters gehen, die jetzt zum Schnäppchenpreis zu haben sind.
Da wären zunächst die – nicht besonders zahlreichen – Cembalowerke,
von denen insbesondere „La Capricciosa“ Aufmerksamkeit
beansprucht: 32 Variationen über die „Bergamasca“,
die so offensichtliche Parallelen zu den Goldberg-Variationen aufweisen,
dass sie Bach als Modell gedient haben müssen. Um diesen wegweisenden
Zyklus gruppieren sich noch eine Reihe von Piècen in verschiedenen
Genres, allerdings sämtlich von geringerem Anspruch und Umfang
als ähnlich angelegte Werke Bachs. Glen Wilsons Neueinspielung
auf einem leider nicht näher bezeichneten Instrument zeigt
uns Buxtehude als Bindeglied zwischen Froberger und Bach.
Im Bereich der Kammermusik hat uns Buxtehude als seine Opera
1 und 2 zwei gedruckte Sammlungen von je sieben Triosonaten hinterlassen,
daneben noch eine Handvoll handschriftlich überlieferter Sonaten,
die Gegenstand einer projektierten dritten Naxos-CD sein werden.
Die vierzehn „offiziellen“ Trios für Geige, Gambe
und Cembalo sind von ihrer Tonartenfolge her offensichtlich als
Zyklus angelegt; die kurzweiligen Lesarten des insbesondere mit
Biber-Großtaten hervorgetretenen John Holloway und seiner
Continuo-Sekundanten, die noch bis vor kurzem als teure DaCapo-CDs
kursierten, darf man getrost als Sternstunden frühbarocker
lnstrumentalmusik apostrophieren.
Nur ein weiterer Geiger war erforderlich, um das begleitende
Ensemble auf der letzten hier vorgestellten Platte zu komplettieren.
1996
pickte die schier unfehlbare Emma Kirkby aus den etwa 120 Kantaten
Buxtehudes neun heraus, die mit nur einer (hohen) Singstimme auskommen.
Der fast automatisch Bach assoziierende Begriff „Kantate“ ist
bei Buxtehude ein wenig irreführend – Schützens „Geistliche
Konzerte“ weisen uns viel eher den Weg zu den manches Mal
nur wenige Minuten kurzen, überwiegend sparsam instrumentierten
Sakralwerken in mehreren Sprachen, die Buxtehude eine Herzensangelegenheit
gewesen sein müssen, da sie nicht zu seinen Lübecker
Amtspflichten gehörten. Die englische Sopranistin hat mit
der deutschen Sprache ebenso wenig Probleme wie mit den teils erheblichen
gesangstechnischen Anforderungen dieser vielgestaltigen, durch
ihre Affektgestaltung anrührenden Stücke, die zusätzlich
von Lars Ulrik Mortensens diskretem, aber atmosphärisch essentiellem
Orgelspiel profitieren. Diesen geistlichen Liedern und Arien, ob
mit oder ohne konzertierende Geigen, würde man auch außerhalb
des Jubiläumsjahres gerne einmal begegnen. Nun, vielleicht
wirkt Ton Koopmans kürzlich begonnene Buxtehude-Gesamteinspielung
ja diesbezüglich Wunder.