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nmz-archiv
nmz 2007/06 | Seite 43
56. Jahrgang | Juni
Rezensionen-CD
Wiederentdeckter Salon
Cécile Chaminade: Piano Music I–III; Peter
Jacobs, Klavier. Hyperion Helios/Codaex CDH55197-99 (3 Einzel-CDs)
In preiswerter Neuauflage erschien zum runden Geburtstag der immer
noch halb vergessenen französischen Komponistin (1857-1944)
eine über drei CDs verteilte Auswahl von sechzig Einzelstücken
für Klavier, exakt der Hälfte des zentralen Zweigs ihres Œuvres.
Der Pianist Peter Jacobs hat auch die detaillierten Werkkommentare
verfasst. Nachdem sich Anne Sofie von Otter vor fünf Jahren
für einige ihrer ebenfalls bedeutenden Lieder eingesetzt hat,
dürfen wir Cécile Chaminade im Verlauf von dreieinhalb
Stunden endlich einmal ausführlicher kennenlernen. Als junge
Frau im 19. Jahrhundert hatte sie zunächst einen schweren
Stand und musste Privatunterricht nehmen. Den unüberhörbaren
Qualitäten ihrer Musik – Sanglichkeit, Fasslichkeit,
Leichtigkeit, Spielbarkeit – konnten ihre männlichen
Kollegen ihre Anerkennung nicht versagen: Sie fand schließlich
Aufnahme in die Ehrenlegion. Wer nun vorwurfsvoll den Zeigefinger
reckt und über die Assoziation „Salon“ die Nase
rümpft, hat Recht und auch wieder nicht: Mit ihren überwiegend
drei- bis vierminütigen, brillanten Charakterstücken
konnte ein Pianist in jeder kultiviert-geselligen Runde bestens
Staat machen, ohne dass seine Zuhörer hätten fürchten
müssen, sich unter Niveau zu amüsieren. Die großen
Formen, die weiten Spannungsbögen allerdings waren Chaminades
Sache nicht: Die einzige (frühe) Klaviersonate in c-Moll (CD
3) enttäuscht durch die kaum vorhandene Durchführung
der beiden Themen im Kopfsatz, und anstelle des großen Finales
gibt es nur einen dreiminütigen Rausschmeißer,
der das durch Beethoven vorbelastete Genre endgültig als ihrem
Temperament unangemessen verwirft. Jacobs’ verdienstvoller, über
vier Jahre hinweg entstandener Auswahl eignet bei allem, hie und
da manuell noch steigerungsfähigen Charme leider eine gewisse
Willkürlichkeit: Keinen Werkzyklus hat er vollständig
eingespielt, und von Chaminades etwaiger stilistischer Entwicklung – ausgehend
von der Romantik über den Impressionismus hin zur Neoklassik? – können
wir uns durch die bunte, auf Abwechslung zielende Mischung der
drei Programme leider kein Bild machen. Waren anfänglich gar
keine Fortsetzungen des Projekts vorgesehen? Über den Klavierklang,
die Covergestaltung und das dreisprachige Begleitmaterial gibt
es dagegen nur Lobendes zu sagen.