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nmz-archiv
nmz 2007/06 | Seite 42
56. Jahrgang | Juni
Rezensionen
Kurz vorgestellt
CDs
Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 9. Staatskapelle Berlin, Daniel Barenboim.
Warner 2564 64316-2
Nicht immer kann Barenboims Zugriff auf Mahler in anderen Aufnahmen überzeugen.
Manches wirkt pauschal. Aber die Neunte bietet ihm so viel kontrapunktischen
Widerstand, so viel Plastik der Instrumentalfarben, so viel Sperrigkeit,
dass dieses Stück unter seinen Händen außerordentlich
plastisch und facettenreich gerät. Hier findet Barenboims
Ohr für nuancierten Klang ein Gegenüber im Werk, das
keine Glättung zulässt. Und so wird alles plastisch und
hart. Sehr schön!
Béla Bartók: Streichquartett
Nr. 5; Paul Hindemith: Streichquartett Nr. 4.
Zehetmair Quartett.
ECM 1874 (476 5779).
Immer wieder wirken der Differenzierungsreichtum, die Individualität
und die fein ausgeführte Artikulation des Zehetmair Quartetts
beglückend. So auch hier. Grandios und dabei klanglich lustvoll
gerät vor allem Bartóks großartiges Quartett,
das in all seinen Schärfen, wie auch in der flexiblen Rhythmik
(vor allem der „Alla bulgarese“-Satz) herrlich musikantisch
ausgespielt wird. Und auch Hindemiths Werk aus seiner frühen
Schaffensperiode (1921) wächst in dieser Konfrontation.
Frederic Chopin: Klaviersonate
b-Moll; Bach/Siloti: Präludium
h-Moll; Franz Schubert: Moments Musicaux; Franz Liszt: La Campanella;
Alexander Rosenblatt: Paganini-Variationen. Auf einer Bonus-CD:
Modest Mussorgsky: Eine Nacht auf dem kahlen Berge; Sergej Prokofieff:
Toccata d-Moll. Nikolai Tokarew, Klavier.
Sony 88697075832.
Tokarew spielt mit der Leichtigkeit, ja manchmal Lässigkeit
der heutigen jungen Generation. Dabei wird er niemals pauschal,
er artikuliert differenziert und mit feiner Intelligenz. Alles
kommt ganz natürlich. Der Liszt ist klanglich vielschichtig
gestaltet, mit Freude an rhythmischen Unregelmäßigkeiten
etwa der Spitzentöne, am bezwingendsten aber geraten gleichwohl
die schillernden Welten von Schubert. Nichts wirkt erzwungen oder
auf äußerliche Geste hin gespielt. Eine rundum gelungene
Debüt-CD!
Johann Sebastian Bach: Sonaten
und Partiten für Violine solo.
Christian Tetz-laff, Violine.
hänssler CD 98.250
Kann man zu Bachs Solo-Sonaten für Violine heute noch Neues
sagen? Christian Tetzlaff beweist es. Jede Sonate oder Partita
entwirft eine eigene Klangwelt, erkundet eigene Bereiche des Klangs
und schließt sich mit den anderen zu einem grandiosen Universum
zusammen. Diese Sicht (der Hörer wird aufgefordert den Zyklus
als Ganzheit zu hören) vermittelt Tetzlaff auf höchstem
Niveau. Und zwar nicht analytisch allein (was natürlich
nicht fehlt), sondern mit geradezu umwerfender Lust.
Luigi Nono: Quando stanno morendo
(Diario polacco no. 2); Canciones a Guiomar; Omaggio a Emilio
Vedova. Diverse Interpreten; Klangregie,
Luigi Nono und Hans-Peter Haller.
Edition rz 4006
Eine Dokumentation des Berliner Festivals Inventionen
mit Aufnahmen aus den Jahren 1983 und 1991. Leider ist der qualitative
Zustand
von „Quando stanno morendo“ nicht der beste (die Aufnahme
entstand zu Archivzwecken), aber die Intensität dieses dem
polnischen Widerstand gegen das von General Jaruselski verhängte
Kriegsrecht gewidmeten Werkes (das sollten sich diejenigen merken,
die Nono als Kommunisten abstempeln mit der Absicht, ihn zum Parteigänger
pseudolinker Staatsgewalt zu machen) ist sich kaum zu entziehen.
Die Aufnahme vermittelt genaue Einblicke in die Vorstellungen
von Live-Elektronik bei Nono.